Telefonat von Trump und Putin Schulterschluss gegen den IS

Am Samstag telefonierte US-Präsident Trump mit seinem russischen Gegenpart Wladimir Putin. Sachlich sei das Gespräch gewesen, heißt es. Wichtigster Konsens: Der gemeinsame Kampf gegen islamistischen Terror – in Syrien.

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Donald Trump während des Telefonats mit dem russischen Präsidenten. Quelle: Reuters

Moskau Am Samstag lief das Telefon bei Donald Trump wohl heiß: Fünf Regierungschefs hatte der US-Präsident am Apparat, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Kein Gespräch wurde allerdings mit solcher Spannung erwartet wie der Anruf nach Russland. Trump und Wladimir Putin Staatschefs hätten vereinbart, „konstruktive und gleichberechtigte“ bilaterale  Beziehungen „zu beiderseitigem Vorteil“ aufzubauen und die Kooperation in der internationalen Politik zu verstärken, teilte der Kreml-Pressedienst anschließend mit. „Das Gespräch verlief in einem positiven und sachlichen Ton“, hieß es zudem.

Die Abschaffung der Sanktionen, von Trump im Vorfeld des Telefonats als Möglichkeit in den Raum gestellt, wurde jedoch nicht angesprochen. Stattdessen handelten die beiden Staatschefs im 45-minütigen Eildurchgang die Ukraine-Krise, das Atomprogramm des Iran und Nordkoreas, die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags, die israelisch-arabischen Beziehungen und die gesamte Nahostproblematik ab. „Dabei wurde die Priorität dem gemeinsamen Kampf gegen die Hauptbedrohung – den internationalen Terrorismus – eingeräumt. Die Präsidenten haben sich für die Einrichtung einer realen Koordination der russischen und amerikanischen Handlungen zur Vernichtung des IS und anderer Terrorgruppen in Syrien ausgesprochen“, berichtete die Kreml-Webseite.

Trump ist dabei nur Trittbrettfahrer im Orient-Express: In der Syrienfrage hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Rolle des Lokführers eingenommen. Erst bombardierten seine Luftstreitkräfte die strategisch wichtige Stadt Aleppo für Assads Truppen sturmreif, dann zog Putin überraschend Waffenstillstand und Friedensplan aus der Tasche, während Washington – auch aufgrund eigener Strategielosigkeit – weitgehend zum Zusehen verurteilt war. Der US-Präsident versucht nun, auf den fahrenden Zug aufzuspringen.

Sicher, für Trump gibt es wichtigeres als Syrien: Seine Devise lautet schließlich „America first“. Doch mit einem US-Einreiseverbot für Syrer – und Staatsbürger aus sechs weiteren muslimischen Staaten – ist die Krise nicht zu lösen, das ist auch dem neuen Bewohner des Weißen Hauses klar. Bei seinem Gespräch mit Putin ging es daher natürlich auch um einen gemeinsamen Ansatz in dieser Frage.

Bislang konnten die Positionen in Washington und Moskau nicht unterschiedlicher sein: Während Trumps Vorgänger Barack Obama dem syrischen Staatschef Baschar al-Assad zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorwarf und die säkuläre Opposition unterstützte, hatte Putin aus seiner Priorität, dem Machterhalt seines Verbündeten Assad, nie einen Hehl gemacht. Das sowohl im Kreml als auch im Weißen Haus formulierte Ziel der Bekämpfung des Islamischen Staats (IS) geriet dabei bei beiden Seiten in den Hintergrund.

Trump hatte während seines Wahlkampfs von einer gemeinsamen IS-Bekämpfung mit Russland gesprochen. Auch im Interview mit Fox wiederholte er seine Thesen von einer Kooperation im Terrorkampf: „Wir gehen zusammen da raus und stampfen den IS in Grund und Boden, weil der eine echte Seuche ist“, sagte er dem Sender kurz vor dem Telefonat nach Moskau.


Flugverbotszone konnte Streit verschärfen

Stringent ist Trump in seinen Aussagen nicht: Dem Kooperationsangebot nach Moskau folgten noch im Wahlkampf Vorwürfe, Russland halte sich nicht an Vereinbarungen zu Syrien und missachte die USA. Mitte der Woche enervierte er den Kreml mit einem neuen Vorstoß: In Syrien denke er an die Einrichtung von Flugverbotszonen, in denen syrische Flüchtlinge sicher sein würden, sagte er am Mittwoch. Details nannte er nicht. Mit Moskau hatte er den Plan nicht besprochen. Die russische Regierung reagierte entsprechend kühl auf die Idee einer Flugverbotszone: Die Einrichtung von Sicherheitszonen würde den Freiraum der russischen Luftwaffe in Syrien einschränken. Zudem bestünde die Gefahr einer russisch-amerikanischen Konfrontation im syrischen Luftraum. Kremlsprecher Dmitri Peskow warnte, die USA sollten „alle möglichen Folgen bedenken“.

Tatsächlich könnte eine solche Flugverbotszone den schwelenden Konflikt zwischen russischen und amerikanischen Piloten über Syrien dramatisch verschärfen. Moskau wird sich kaum mit Vorgaben aus dem Pentagon diesbezüglich abfinden. Wenn Trump die Zone durchsetzen wollte, müsste er also auch russische Maschinen abschießen. Doch Russland ist in Syrien mit seinen Flugabwehrsystemen S-300 und S-400 mindestens ebenso gut aufgestellt, um amerikanische Jets vom Himmel zu holen. Diese Entwicklung wäre ein Horrorszenario.

Eine weitere Belastung für das russisch-amerikanische Verhältnis könnte die Politik gegenüber dem Iran sein. Während Teheran in der Region ein wichtiger Partner Russlands ist, hatte Trump bisher nur kritisches über den Iran zu sagen. So bezeichnete er den Iran-Deal als eines der „schlechtesten Abkommen, die je abgeschlossen wurde.“ Russland hat den Iran neben der Türkei in den Rang der Garantiemächte für Syrien erhoben, während die USA bei der Syrien-Konferenz in Astana nur die Zuschauerrolle bekamen. Es ist unwahrscheinlich, dass Trump einen dauerhaften Einfluss des Iran auf Syrien dulden will und wird.  

Zumindest kurzfristig besteht allerdings tatsächlich eine Chance auf Einigung. Der kleinste gemeinsame Nenner ist die Bekämpfung des IS. Trump hat dies im Wahlkampf versprochen und ist pragmatisch genug, andere Ziele angesichts der PR-Wirkung, die ein Erfolg haben würde, hintan zu stellen. Zumal er nicht an Obamas Kritik an Assad gebunden ist.

Anzeichen für die Fokussierung auf den IS gibt es bereits. Bereits kurz nach dem Telefonat wurden Trumps Vorgaben an den Vereinigten Generalstab publik, den IS zu zerschlagen. Gerade einmal 30 Tage räumt der US-Präsident dem Pentagon dafür ein. Der Zeitraum soll die Entschlossenheit Trumps demonstrieren. Ob das in dem Zeitraum ohne hohe Verluste klappt, ist fraglich. Aber die Kampagne gegen den IS gibt der neuen Administration zumindest etwas Zeit, einen umfassenderen Syrien-Plan auszuarbeiten. Die nächste Friedenskonferenz ist ohnehin von Anfang auf Ende Februar verschoben worden und wird wieder in Genf statt in Astana stattfinden.

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