US-Präsident Barack Obama hat den russischen Staatschef Wladimir Putin zum Stopp von Luftangriffen auf die syrische Opposition aufgefordert. In einem Telefonat habe Obama betont, Russland müsse im Ringen um einen Frieden in dem Bürgerkriegsland eine konstruktive Rolle spielen. Deshalb solle das Land seine Bombardements von Stellungen gemäßigter Rebellen beenden.
Russland signalisierte nach dem Telefonat, es werde weiterhin die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) und andere Terrorgruppen ins Visier nehmen. Das dürfte ein Hinweis darauf sein, dass Russland seine Angriffe im Westen Syriens fortsetzen will, wo Extremisten aus dem Umfeld der Al-Kaida neben den Oppositionsgruppen kämpfen, die vom Westen als moderat betrachtet werden
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
Verhärtete Fronten in der Diplomatie und neue Kämpfe in Syrien trüben die Hoffnungen auf eine baldige Waffenruhe nach der Vereinbarung von München. Nachdem sich die USA und Russland auf der Münchner Sicherheitskonferenz gegenseitig die Schuld für die Eskalation in Syrien zugewiesen hatten, vereinbarten Obama und Putin nach russischen Angaben telefonisch dann aber eine verstärkte Zusammenarbeit. Damit solle sichergestellt werden, dass die jüngste Abmachung auch umgesetzt wird. Allerdings rückten am Wochenende syrische Regierungstruppen weiter auf die Rebellen-Stadt Aleppo vor. Und die Türkei und Saudi-Arabien trieben ihre Vorbereitungen voran, am Boden in den Konflikt einzugreifen.
Der Westen wirft der Regierung in Moskau vor, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den IS vor allem die moderate Opposition in Syrien auszuschalten. Damit solle die Führung in Damaskus stabilisiert und dem Westen nur noch die Wahl zwischen Machthaber Baschar al-Assad und der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) gelassen werden. Parallel zum Machtkampf zwischen Regierung und Rebellen hat der IS weite Teile Syriens erobert. Die USA führen eine Koalition an, die mit Luftangriffen gegen den IS vorgeht. Im zähen Ringen um Frieden in Syrien spiegelt sich auch das Misstrauen zwischen Russland einerseits und den USA und der Nato andererseits wider.
US-Außenminister John Kerry verlangte von Russland, Luftangriffe auf die gemäßigte Opposition einzustellen. Ähnlich äußerte sich der französische Ministerpräsident Manuel Valls: "Frankreich respektiert Russland und Russlands Interessen", sagte er in München. "Aber um den Weg des Friedens wieder gehen zu können, muss die Bombardierung der syrischen Bevölkerung durch Russland eingestellt werden." Eine politische Lösung sei nur mit einer echten Waffenruhe möglich.
Lawrow bezweifelt Erfolg der Münchner Vereinbarung
Doch Russland signalisierte, weiter auch die gemäßigte Opposition ins Visier nehmen zu wollen. Das Moskauer Präsidialamt erklärte nach dem Gespräch Putins mit Obama, Russland werde seine Luftangriffe gegen den IS sowie "andere terroristische Organisationen" fortsetzen. Damit wird auf moderatere Rebellen Bezug genommen.
Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor schon offen Zweifel an der Münchner Vereinbarung geäußert, an der er mitgearbeitet hatte. "Ich bin jetzt nicht mehr so ganz sicher, ob dieses Treffen hier in München wirklich so erfolgreich war - insbesondere, was dieses Dokument zur Waffenruhe angeht", sagte er. Offensichtlich gehe es hauptsächlich darum, die russischen Luftangriffe zu beenden.
Syrische Opposition fordert USA zum Einsatz gegen Assad auf
Auch Syriens Nachbar Israel meldete Zweifel am Erfolg der Friedensbemühungen an und brachte eine Aufteilung des Landes nach Religionszugehörigkeit ins Gespräch. Verteidigungsminister Mosche Jaalon erklärte, ein geeintes Syrien werde es in absehbarer Zeit nicht geben. Vielmehr würden die Konfliktparteien ihre Hochburgen in mehr oder weniger organisierte Enklaven ausbauen.
Nach Darstellung der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte flogen russische Kampfjets auch am Wochenende Angriffe auf Rebellen-Orte rund um Aleppo, während Assads Soldaten nach eigenen Angaben weiter auf die Großstadt im Norden vorrückten. Eine Einnahme Aleppos wäre ein schwerer Rückschlag für die Aufständischen. Oppositionschef Riad Hidschab forderte die USA daher zur Militärhilfe beim Assad-Sturz auf.
Am Wochenende trieben syrische Regierungstruppen auch ihre Rückeroberungsoffensive in der IS-Hochburg Rakka voran. Unterdessen kündigte Saudi-Arabien an, im Kampf gegen den IS Spezialeinheiten schicken zu können. US-Verteidigungsminister Ashton Carter hatte am Freitag Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate um Entsendung von Elitetruppen für den Kampf um Rakka gebeten.
Das Königreich stehe dafür bereit, ein Einsatz hänge nur noch von einer Entscheidung der US-geführten Anti-IS-Koalition ab, sagte Außenminister Abel al-Dschubeir. Zur Unterstützung eines solchen Boden-Einsatzes werde Saudi-Arabien Luftwaffen-Einheiten auf den türkischen Stützpunkt Incirlik verlegen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte einem Zeitungsbericht zufolge, für die Türkei sei ein Einsatz von Bodentruppen gemeinsam mit Saudi-Arabien denkbar.
Der Süden der Türkei grenzt an Gebiete in Syrien, die vom IS, von anderen Rebellengruppen und von Kurden kontrolliert werden. Am Sonntag beschoss die türkische Armee den zweiten Tag in Folge Stellungen einer Kurden-Miliz in Syrien. Dabei wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle zwei kurdische Kämpfer getötet. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu forderte, die Kurden-Miliz YPG solle sich aus dem Gebiet zurückziehen, das sie kürzlich erobert habe. Es liegt in einem von Rebellen kontrollierten Korridor, der von Aleppo bis zur türkischen Grenze reicht.