Terror aus ökonomischer Perspektive Niemand wird nur aus Armut zum Terroristen

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"Geringe Bildung befördert den Terrorismus nicht grundsätzlich"

Die Täter, die die IS-Anschläge auf europäischen Boden durchführten, sind mit wenigen Ausnahmen in Europa aufgewachsen. Tragen westliche Gesellschaften eine Schuld am Terror hier?
Grundsätzlich gibt es in jeder Gesellschaft Menschen, die sich abgehängt fühlen und Rachefantasien hegen. Manche setzen sie um. Wir sehen das bei Schul-Amokläufern, die eine Menge mit islamistischen Terroristen gemeinsam haben, vom religiösen Hintergrund einmal abgesehen. Je offener und anonymer eine Gesellschaft ist, desto mehr Menschen haben das Gefühl, nur am Rande zu stehen. Diesen Menschen müssen wir eine Perspektive bieten – hierbei versagen viele westliche Gesellschaften.

Große Terroranschläge in Europa

Woran machen Sie das fest?
Wir haben uns angeschaut, wie verschiedene Säulen des Sozialstaats sich auf die Anzahl von Terrorattacken auswirken.

Und?
Wenn die Staatsausgaben perspektivisch eingesetzt werden, reduziert das die Zahl der Anschläge. Ein Beispiel dafür ist die aktive Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Betrachten wir dagegen Maßnahmen wie ein einfaches Arbeitslosengeld, ist dieser Effekt nicht zu erkennen. Das deutet darauf hin, dass es um die Perspektive geht.

Nun stammen die Attentäter überwiegend aus der dritten Migrantengeneration. Ihre Eltern sind oft gut integriert. Haben sie nicht deutlich bessere Perspektiven als ihre Vorfahren?
Migration ist ein Prozess, der über mehrere Generationen läuft. Dass viele Attentäter aus der dritten Generation stammen, ist kein Zufall. Dabei geht es um Konflikte mit den gut integrierten Eltern, aber auch um aktuelle Diskriminierung. Die Jungen besinnen sich auf die eigenen Wurzeln und suchen Antworten, die sie in der islamistischen Propaganda finden. Es gelingt uns nicht ausreichend, diese Menschen aufzufangen.

Das sind die korruptesten Länder der Welt
Zum Ranking:Das Beratungsunternehmen Verisk Maplecroft hat 198 Länder auf Basis von Studien von Transparency International, Freedom House und dem US Department of State untersucht, um herauszufinden, wie bestechlich die Behörden dort sind und wie effektiv die Maßnahmen gegen Korruption durch die Regierungen sind. Gewichtet wurden dabei die Häufigkeit von Korruption, die Verbreitung, die Schwere und die Chancen derer, die korrupt sind, ungestraft davon zu kommen. Die Länder erhielten darauf basierend eine Punktzahl zwischen 0 und 10, wobei 10 für die niedrigste Korruptionsanfälligkeit steht. Quelle: dpa
Rang 10: Südsudan Der Südsudan ist laut Report das zehnt korrupteste Land der Welt – teilt sich diesen Rang aber mit zwei weiteren Ländern. Das erst im Juli 2011 gegründete Land erhält 0,15 Punkte im Ranking. Die politische Elite soll Beträge in dreistelliger Millionenhöhe auf amerikanischen und europäischen Konten untergebracht haben. 75 Spitzenpolitiker stehen unter dem Verdacht mehr als vier Milliarden US-Dollar gestohlen zu haben – geahndet durch den Präsidenten Salva Kiir Mayardit (Bild) wurden diese Vergehen aber nie. Wie die meisten Länder, die als sehr korrupt gelten, erwirtschaftet der Südsudan das Gros seines Bruttoinlandprodukts über den Verkauf von Rohstoffen. 98 Prozent der Staatseinnahmen rühren aus dem Erdölverkauf. Quelle: dpa
Rang 10: RusslandAus Sicht der Autoren ist Russland genauso korrupt wie der Südsudan – es wird ebenfalls mit 0,15 Punkten bewertet. Als Beispiel für die Korruption im Land führen sie die Fußball-Weltmeisterschaft 2018, die in Russland stattfindet, an. Mehre Funktionäre sollen dafür, dass die Veranstaltung in Russland stattfindet, mit mehreren Millionen bestochen worden sein. Die Fifa sowie das FBI ermitteln. Einer der bekanntesten Oppositionspolitiker und Kritiker an der Korruption im Lande, Alexej Nawalny, hat online diverse große Korruptionsfälle dargelegt, unter anderem im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Sotschi, bei denen Freunde Putins sich mit mehreren Milliarden US-Dollar bereichert haben sollen. Der Kritiker steht unter Hausarrest. Quelle: dpa
Rang 10: MyanmarDer südostasiatische Staat Myanmar erhält ebenfalls 0,15 Punkte. Bis 2011 stand das Land unter der Herrschaft des Militärs. Myanmar zählt zu den unterentwickeltsten Staaten der Welt. Die großen Industriezweige sind immer noch in den Händen der Günstlinge hochrangiger Militärs, die ihre Stellung zum eigenen Vorteil ausnutzen. Diese Multimillionäre nennt man „Cronies“, sie machten ihr Vermögen durch ihre Nähe zur Militärjunta. Während sie Millionen für sich vereinnahmen, lebt mehr als ein Viertel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze von 1,25 Dollar am Tag. Vor allem in der Bürokratie hat sich der Wandel zur Demokratie nicht durchgesetzt. Quelle: REUTERS
Rang 6: LibyenDie Autoren bewerten Libyen mit 0,13 Punkten – damit teilt sich der afrikanische Staat mit drei weiteren Staaten den sechsten Platz im Ranking. Auch Libyen gehört zu den Staaten, die den größten Teil ihres Haushalts über den Verkauf von Öl generieren. Der frühere Diktator Muammar al-Gaddafi und seine Familie sowie die Eliten des Landes galten als äußerst korrupt. Das Land war über Jahrzehnte von Klientelpolitik gezeichnet, bis das Gaddafi-Regime zusammenbrach. Zur Stabilität hat das Land bis heute nicht zurückgefunden. Quelle: dapd
Rang 6: IrakGenauso korrupt wie in Libyen soll es im Irak zugehen. Seit dem US-Einmarsch habe sich eine Kultur der Korruption etabliert, heißt es im Bericht. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Vorteile, sondern auch um Einflussnahme auf die Regierung und der Umgehung des Rechtsstaats. So sorgten etwa Politiker dafür, dass Verwandte öffentliche Aufträge erhielten, Gelder flössen und das Projekt schlussendlich versande. Zudem sichert der Iran seinen Einfluss auf die schiitische Regierung über die Bestechung hochrangiger Politiker. Quelle: dpa
Rang 6: Äquatorialguinea Der kleine afrikanische Ölstaat wird ebenfalls mit 0,13 Punkten bewertet. Das Land erwirtschaftet das höchste Pro-Kopf-Einkommen Afrikas sowie das schnellste Wirtschaftswachstum. Seit Spanien das Land vor rund 50 Jahren in die Unabhängigkeit entließ, ist dieselbe Familie an der Spitze, seit mehr als 30 Jahre derselbe Vertreter dieser Familie, Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, der seinen Onkel, der zuvor die Macht innehatte, töten ließ. Obiangs Familie gilt als die reichste Afrikas, ihr Land als das korrupteste. Laut Bericht zeige sich das unter anderem daran, dass der Afrika Cup 2015 von Marokko nach Äquatorialguinea verschoben wurde. Quelle: dpa

Welche Rolle spielt mangelnde Bildung?
Geringe Bildung befördert Terrorismus nicht grundsätzlich, das zeigen empirische Studien. Der Bildungsaspekt wird erst problematisch, wenn sie mit Diskriminierung oder relativer Deprivation zusammenkommt. Das erkennen wir in den arabischen Ländern. Hier gibt es viele junge, gebildete Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, weil er nicht dynamisch genug ist oder Arbeitsplätze primär über Beziehungen vergeben werden. Bei solchen strukturellen Problemen kann mehr Bildung Terrorismus sogar befördern, weil die Menschen besonders frustriert sind.

Und wie ist es um Armut bestellt?
Nur weil ein Land oder eine Bevölkerungsgruppe arm ist, wird ebenfalls niemand zum Terroristen.

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