Glauben Sie nicht, dass mehr Sicherheitsmaßnahmen auch den Terroristen das Leben erschweren?
Die Finanzmittel von Terrororganisationen sind knapp, deswegen wägen sie genau ab, wann sie am besten wo angreifen, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Vor den Siebzigern waren Flugzeugentführungen das übliche Mittel des Terrors. Dann wurden Metalldetektoren an Flughäfen eingeführt und die Zahl der Entführungen ging schlagartig zurück. Im Laufe der Zeit hatten sich die Amerikaner daran gewöhnt, dass Flugzeuge sicher sind…
… und dann kam 9/11.
Seitdem sind Flughäfen unglaublich abgesichert. Die Folge war abermals ein Strategiewechsel. Danach hat Al Qaida sich Ziele gesucht wie die U-Bahn in London 2005. Man kann hier von Substitutionseffekten sprechen. Totale Sicherheit gibt es nicht.
Ist so auch das Umschwenken des IS von zentralgesteuerten Kommandoattacken auf Einzelattentäter zu erklären?
Das kann man durchaus so interpretieren. Einzeltäter sind für den IS unglaublich attraktiv. Sie zu akquirieren kostet kaum Geld, ihre Attentate verbreiten ebenso Angst und Schrecken wie die groß durchgeführten Kommandoaktionen und sie sind für die Sicherheitskräfte kaum kontrollierbar.
So schützen sich große Flughäfen vor Terror
Die beiden Passagier-Terminals des größten deutschen Flughafens sind über etliche Eingänge frei zugänglich. Außerdem sind zwei Bahnhöfe sowie Hotel- und Kongresszentren mit den Gebäuden verbunden. Der Sicherheitsbereich beginnt erst innerhalb der Terminals hinter den Personenkontrollstellen für den Flugbetrieb.
Davor liegen große Hallen mit Geschäften, Schaltern und Lokalen. Die Polizei überwacht diesen Bereich mit Streifen und Video-Kameras. Wer im Sicherheitsbereich arbeitet, braucht eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, ausgestellt vom Land Hessen.
Quelle: dpa
Nach den Bombenanschlägen in einer Halle des Brüsseler Flughafens Zaventem im vergangenen März wurden dort die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. So wurden zunächst Passagiere und ihr Gepäck bereits am Eingang zu den Terminals erstmals kontrolliert. Wer die Halle betreten wollte, musste seinen Ausweis und ein Flugticket vorzeigen. Nach Protesten von Reisenden in langen Warteschlangen wurden die Maßnahmen nach wenigen Wochen wieder gelockert.
Einlasskontrollen sind an jedem türkischen Flughafen Standard. Schon beim Eintritt ins Gebäude wird das Gepäck geröntgt, also Handgepäck und aufzugebende Koffer. Jeder, der in den Flughafen will, muss durch einen Metallscanner. Nach dem Check-In folgt die zweite Sicherheitskontrolle, die der in Deutschland entspricht und die nur noch Fluggäste passieren dürfen. Beim Check-In muss ein Ausweis vorgelegt werden. Beim Einstieg ins Flugzeug wird der Name auf dem Ausweis dann mit dem auf dem Boarding-Pass abgeglichen.
Wer einen der drei Moskauer Flughäfen betritt, wird schon am Gebäudeeingang kontrolliert: Reisende wie Besucher müssen Handtaschen öffnen, Hosen- und Jackentaschen leeren und durch einen Metalldetektor laufen. Das Hauptgepäck wird von einem Röntgengerät durchleuchtet. In der Wartehalle und vor den Schaltern patrouillieren Wachleute. Nach dem Check-In folgt die eigentliche Flugsicherheitskontrolle.
Am größten Flughafen des Landes in der Hauptstadt Kabul müssen Reisende vor der Ankunft im Terminal durch zwei Autokontrollen samt Sprengstoffspürhunden, drei Ticketkontrollen und fünf Körperkontrollen. Drei oder vier Mal - je nachdem, ob die Geräte gerade funktionieren - muss das Gepäck zum Durchleuchten auf Bänder gewuchtet werden.
Kontrollen beginnen schon bei der Einfahrt auf das Flughafengelände, etwa einen Kilometer vor dem Terminal. Das Personal, das Menschen auf Sprengstoffwesten oder Waffen abtastet, ist aber oft lustlos oder lässt dies ganz sein. Ausländer werden nach Trinkgeld gefragt.
Israels internationaler Flughafen Ben Gurion wird besonders streng geschützt, da das Land seit Jahrzehnten mit einer Terrorbedrohung lebt. Dabei wird ein Ring von Kontrollen eingesetzt, der einer Zwiebel gleicht. Passagiere werden bei der Ankunft im Auto schon Kilometer vor dem Terminal von bewaffneten Sicherheitskräften überprüft. Nach Passieren eines weiteren Wächters am Eingang folgen im kameraüberwachten Terminal selbst eine persönliche Befragung und eine gründliche Untersuchung des Gepäcks mit Durchleuchtungssystemen. Dabei werden Reisende in verschiedene Risikogruppen eingestuft. Bei den Kontrollen geht Sicherheit eindeutig vor Persönlichkeitsrechten - was immer wieder zu Beschwerden vor allem arabischer Reisender führt.
Während der Terror des IS im Westen präsenter erscheint als je zuvor, wird die Terrororganisation in Syrien und Irak stark zurückgedrängt und muss Gebietsverluste hinnehmen. US-Generäle behaupten, den IS als Territorialmacht in absehbarer Zeit zerschlagen zu können. Ist das die Lösung für das Problem?
Wir dürfen uns keine Illusionen machen, ein Zusammenbruch des IS führt nicht automatisch zu weniger Terrorismus in Europa. Die innereuropäischen Ursachen dieses Phänomens werden dadurch nicht beseitigt. Der IS wird dann vielleicht an Attraktivität verlieren, aber in die Lücke werden andere Organisationen dringen. Mit einem Zusammenbruch des IS dürfte ein ganz anderes Problem auf uns zukommen.
Welches?
Diejenigen werden zurückkommen, die als erste von Europa nach Syrien und in den Irak reisten, um sich dem IS anzuschließen. Völlig verrohte Jihadisten, die die Sicherheitsbehörden zum Teil nicht einmal auf den Schirm haben. Ich weiß nicht, wie wir die kontrollieren sollen.
Also sehen Sie keinen Sinn darin, den IS in seinem Kerngebiet weiter zu schwächen?
Grundsätzlich wäre es ein Fortschritt, den IS zu zerschlagen. Wenn Syrien befriedet würde, könnten viele Menschen in ihre Heimat zurückkehren, das würde auch die Stimmung in Europa verbessern. Aber letztendlich löst ein Zusammenbruch weder die innereuropäischen Probleme noch löscht er die islamistische Ideologie aus, die längst auch in Europa Fuß gefasst hat.