Terror aus ökonomischer Perspektive Niemand wird nur aus Armut zum Terroristen

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"Wir dürfen uns keine Illusionen machen"

Glauben Sie nicht, dass mehr Sicherheitsmaßnahmen auch den Terroristen das Leben erschweren?
Die Finanzmittel von Terrororganisationen sind knapp, deswegen wägen sie genau ab, wann sie am besten wo angreifen, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Vor den Siebzigern waren Flugzeugentführungen das übliche Mittel des Terrors. Dann wurden Metalldetektoren an Flughäfen eingeführt und die Zahl der Entführungen ging schlagartig zurück. Im Laufe der Zeit hatten sich die Amerikaner daran gewöhnt, dass Flugzeuge sicher sind…

… und dann kam 9/11.
Seitdem sind Flughäfen unglaublich abgesichert. Die Folge war abermals ein Strategiewechsel. Danach hat Al Qaida sich Ziele gesucht wie die U-Bahn in London 2005. Man kann hier von Substitutionseffekten sprechen. Totale Sicherheit gibt es nicht.

Ist so auch das Umschwenken des IS von zentralgesteuerten Kommandoattacken auf Einzelattentäter zu erklären?
Das kann man durchaus so interpretieren. Einzeltäter sind für den IS unglaublich attraktiv. Sie zu akquirieren kostet kaum Geld, ihre Attentate verbreiten ebenso Angst und Schrecken wie die groß durchgeführten Kommandoaktionen und sie sind für die Sicherheitskräfte kaum kontrollierbar.

So schützen sich große Flughäfen vor Terror

Während der Terror des IS im Westen präsenter erscheint als je zuvor, wird die Terrororganisation in Syrien und Irak stark zurückgedrängt und muss Gebietsverluste hinnehmen. US-Generäle behaupten, den IS als Territorialmacht in absehbarer Zeit zerschlagen zu können. Ist das die Lösung für das Problem?
Wir dürfen uns keine Illusionen machen, ein Zusammenbruch des IS führt nicht automatisch zu weniger Terrorismus in Europa. Die innereuropäischen Ursachen dieses Phänomens werden dadurch nicht beseitigt. Der IS wird dann vielleicht an Attraktivität verlieren, aber in die Lücke werden andere Organisationen dringen. Mit einem Zusammenbruch des IS dürfte ein ganz anderes Problem auf uns zukommen.

Welches?
Diejenigen werden zurückkommen, die als erste von Europa nach Syrien und in den Irak reisten, um sich dem IS anzuschließen. Völlig verrohte Jihadisten, die die Sicherheitsbehörden zum Teil nicht einmal auf den Schirm haben. Ich weiß nicht, wie wir die kontrollieren sollen.

Wer am meisten für Rüstung ausgibt
Soldaten Quelle: REUTERS
Südkoreanische Soldaten Quelle: AP
Ursula von der Leyen besucht Bundeswehr-Soldaten in Kiel Quelle: REUTERS
Japanische Flagge in Tokio Quelle: dpa
Tower Bridge in London Quelle: REUTERS
Ein französischer Soldat patrouilliert an Wahlplakaten in Paris vorbei Quelle: AP
Soldaten der indischen Armee Quelle: REUTERS

Also sehen Sie keinen Sinn darin, den IS in seinem Kerngebiet weiter zu schwächen?
Grundsätzlich wäre es ein Fortschritt, den IS zu zerschlagen. Wenn Syrien befriedet würde, könnten viele Menschen in ihre Heimat zurückkehren, das würde auch die Stimmung in Europa verbessern. Aber letztendlich löst ein Zusammenbruch weder die innereuropäischen Probleme noch löscht er die islamistische Ideologie aus, die längst auch in Europa Fuß gefasst hat. 

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