Terror in London „Genug ist genug“

Beim Attentat in London am Samstagabend kamen sieben Menschen uns Leben, knapp 50 wurden verletzt. Die Polizei nahm am Sonntag zwölf Menschen im Osten Londons fest. Die Politik reagiert – und fordert schärfere Gesetze.

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„Wir können nicht so weitermachen wie bisher“ Quelle: dpa

London Gut zwölf Stunden nach dem Londoner Anschlag von Samstagnacht hat die britische Premierministerin Theresa May ein deutlich härteres Vorgehen im Kampf gegen Terror angekündigt: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher“, betonte sie. Das Land habe es mit einem neuen Trend zu tun. „Täter lassen sich nicht nur auf Basis sorgfältiger und langer Planung zu Attentaten bewegen, sondern indem sie sich gegenseitig kopieren“, so die Premierministerin. Daher müsse das Land jetzt seine Herangehensweise im Umgang damit ändern. May stellte längere Haftstrafen für Attentäter in Aussicht, schärfere Gesetze und mehr Anstrengungen, um Menschen vom islamischen Extremismus abzubringen.
May hat damit auf den dritten Terroranschlag innerhalb von zweieinhalb Monaten reagiert. Ein Transporter war am Samstag kurz nach 22 Uhr auf der London Bridge in Passanten gerast. Kurze Zeit später gingen drei Männer mit Messern auf Menschen in Kneipen und Restaurants südlich der Brücke los und schrien „Das ist für Allah“, bevor bewaffnete Polizisten sie erschossen – rund acht Minuten nachdem die ersten Alarmmeldungen bei der Polizei eingetroffen waren. Die Täter trugen Vorrichtungen am Körper, die wie Sprengstoffgürtel aussahen, sich aber nach Angaben der Ermittler als unecht herausstellten.

Sieben Menschen sind bei den Anschlägen gestorben, 48 wurden verletzt – darunter auch Deutsche, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Die Polizei meldete am Sonntag zwölf Festnahmen. Zuvor hatten die Ermittler offenbar die Wohnung von einem der mutmaßlichen Attentäter im Osten Londons durchsucht.
Der Anschlag weckte Erinnerungen an ein Terrorattentat von Ende März. Damals raste ebenfalls ein Auto in Passanten – allerdings im Londoner Regierungsviertel. Der Attentäter versuchte, sich mit einem Messer Zugang zum Parlamentsgebäude zu verschaffen. Sechs Menschen sind dabei gestorben und etwa 50 verletzt worden. Bei einem Anschlag vor knapp zwei Wochen in einer Konzertarena in Manchester gab es 22 Todesopfer unter den Konzertbesuchern, das jüngste Opfer war ein achtjähriges Mädchen.

May und auch andere Parteien haben am Sonntag ihren Wahlkampf eigentlich vorübergehend ausgesetzt. Doch die Premierministerin halte sich nicht daran, wenn sie am selben Tag schärfere Gesetze im Kampf gegen Terror in Aussicht stelle, kritisierten einige Kommentatoren und Labour-Politiker. May instrumentalisiere den tragischen Vorfall, indem sie Maßnahmen vorstellen, die allesamt eigentlich nicht sofort, sondern auf längere Sicht umgesetzt werden sollten, sagte Emily Thornberry, Schatten-Außenministerin der Labour-Partei, in einem Interview mit britischen Medien. Es werde noch genug Zeit geben, um diese Schritte zu diskutieren. Es sei bedauerlich, dass May dies bereits in der vereinbarten Wahlkampfpause mache.
Ähnlich äußerste sich ein anderer Kommentator aus dem Labour-Lager: May nutze den Zwischenfall zu Wahlkampfzwecken aus, weil sie eine Niederlage fürchte, schrieb Matt Zarb-Cousin via Twitter.


May ist politisch in der Defensive

Die konservativen Partei der Premierministerin war eigentlich mit einem Vorsprung von mehr als 20 Prozentpunkten in Umfragen in den Wahlkampf gestartet. Dieser ist zuletzt drastisch zusammengeschmolzen. Das Meinungsforschungsinstitut Yougov warnte sogar, dass die konservative Partei ihre Mehrheit im Unterhaus verlieren könnte.
May hat vorgezogene Neuwahlen ausgerufen, weil sie ein größeres Mandat für die anstehenden Brexit-Verhandlungen will. Mit äußerst umstrittenen Plänen zur Finanzierung der Pflege im Alter ist die Regierungschefin allerdings massiv in die Defensive gekommen, während Labour-Chef Corbyn sich im Wahlkampf besser schlug als erwartet.
Vor ihrem Einzug in die Downing Street im Sommer vergangenen Jahres war May sechs Jahre lang Innenministerin. Nigel Farage, ehemaliger Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei, warf ihr am Sonntag Versagen in dieser Position vor. Sie kündige jetzt eine härtere Gangart gegenüber Extremisten an. Dabei habe sechs Jahre Zeit gehabt, um sich um das Problem zu kümmern.

May kündigte einen Plan an, der aus insgesamt vier Punkten besteht: Großbritannien müsse sein Bemühen verstärken, Menschen vom islamischen Extremismus abzubringen. Man müsse Rückzugsorte der Islamisten, etwa im Internet, einschränken. Briten dürften nicht mehr nebeneinander leben, sondern müssten zusammenwachsen und weniger Toleranz gegenüber Extremismus an den Tag legen. Die Terrorabwehr der Geheimdienste und der Polizei müsse überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden. Details zu den einzelnen Punkten nannte die Premierministerin nicht.
Der konservative Politiker und ehemalige Arbeitsminister Ian Duncan Smith beschrieb in einem Interview mit britischen Medien ein Instrument, das May gemeint haben könnte: Demnach denke sie wohl darüber nach, dass Terrorverdächtigte, die die Polizei als Gefährder ansieht, zur Umzügen gezwungen werden könnten - „an einen Ort, wo sie nichts anrichten können“, sagte der Politiker. Damit könne man die Polizei an bestimmten Orten entlasten und dafür sorgen, dass der Terrorverdächtige aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissen werde und seine weiteren Pläne nicht mehr verfolgen könne.
Die Parteien wollen ihren Wahlkampf am Montag wieder fortsetzen. Am Donnerstag wählen die Briten ihr neues Parlament.

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