Terror in Spanien Anschlag in Barcelona war wohl nur Plan B

Innenminister Juan Ignacio Zoido hält die Terrorzelle von Barcelona für zerschlagen. Doch der Haupttäter ist möglicherweise noch auf der Flucht. Es gibt zudem Hinweise, dass ein weitaus größerer Anschlag geplant war.

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Nach der Terrorattacke mit einem Lieferwagen in Barcelona ist der Haupttäter möglicherweise noch auf freiem Fuß. Die Polizei äußerte Zweifel, dass der bisherige Hauptverdächtige tatsächlich der Fahrer des Tatfahrzeugs war. „Es ist eine Möglichkeit. Aber zu diesem Zeitpunkt (...) verliert sie an Gewicht“, sagte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero in einem Fernsehinterview. Der 17 Jahre alte Moussa Oukabir war nach Angaben der Polizei zusammen mit vier anderen Verdächtigen in der Nacht zum Freitag bei einem Antiterror-Einsatz in Cambrils rund 100 Kilometer südlich von Barcelona erschossen worden.

Es gebe derzeit keine „ausreichenden Beweise“, dass Oukabir den Lieferwagen auf der Touristenmeile Las Ramblas in Passanten gesteuert habe. Offen sei auch, wie er nach der Tat von Barcelona nach Cambrils gelangt sein könnte. Bei der Attacke in Barcelona am Donnerstag waren mindestens 13 Menschen getötet worden. Eine Frau starb zudem nach einem vereitelten Angriff in der Küstenstadt Cambrils.

Die spanische Regierung hält die Terrorzelle nach dem Anschlag aber für zerschlagen. Dies sagte Innenminister Juan Ignacio Zoido am Samstag vor Journalisten. Darin hätten die Sicherheitsexperten der Madrider Regierung auf einem Treffen übereingestimmt. „Wir können sagen, dass die Zelle von Barcelona total zerschlagen ist - und zwar auf der Grundlage der Personen, die ums Leben gekommen sind oder die festgenommen worden sind, sowie aufgrund der Identifizierungen, die vorgenommen wurden“, so Zoido. Die spanische Regierung lehnte es auch ab, die Terrorwarnstufe anzuheben.

In Spanien gilt bereits seit zwei Jahren die zweithöchste Terrorwarnstufe 4. Sie bedeutet, dass ein „erhebliches Risiko eines terroristischen Anschlags“ besteht. Allerdings würden die Sicherheitsvorkehrungen ab sofort verschärft, kündigte Zoido an. Einzelheiten wollte er aus Sicherheitsgründen nicht nennen.

Medienberichten zufolge richtet sich die Aufmerksamkeit der Polizei auf einen derzeit flüchtigen 22 Jahre alten Marokkaner. Dabei handele es sich um den Bruder eines der getöteten Terrorverdächtigen von Cambrils. Demnach stammt er aus Ripoll rund 100 nördlich von Barcelona. Beamte durchsuchten am Samstag zwei Busse in Girona und Garrigàs und prüften Verbindungen der Mitglieder der Terrorzelle untereinander. Die Polizei kündigte außerdem eine Serie von kontrollierten Explosionen in Alcanar an, wo die Anschläge offenbar geplant wurden. Der Gesuchte war unbestätigten Berichten zufolge möglicherweise Richtung Frankreich unterwegs. Er könnte die spanisch-französische Grenze bereits passiert haben.


Größerer Anschlag war wohl geplant

Ermittler gehen derzeit von einem Netzwerk von zwölf Verdächtigen aus. Fünf von ihnen wurden in Cambrils getötet, vier wurden festgenommen. Drei weitere sind noch nicht gefunden. Die Attentäter sollen in einem gemieteten Haus im Ort einen weitaus größeren Anschlag planten. Der Anschlag in Barcelona war demnach wohl nur Plan B. Dort gelagerte Gasflaschen seien offenbar versehentlich explodiert. Dabei wurde ein Mensch getötet. Ursprünglich war die Polizei in Alcanar von einem Unfall ausgegangen, durchsuchte dann aber erneut das Grundstück.

Die Polizei durchsuchte am Samstagmorgen in der Stadt Ripoll nördlich von Barcelona das Haus eines Imam. Die Sicherheitskräfte hätten nach DNA-Proben gesucht, berichtete die Zeitung „El País“ unter Berufung auf Polizeikreise. Es gebe die Vermutung, dass es sich bei einer der beiden Leichen, die in der von einer Explosion zerstörten Wohnung in Alcanar gefunden worden waren, um den muslimischen Geistlichen handeln könnte.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) legte am Samstag weiße Rosen an der weltberühmten Flaniermeile nieder, wo am Donnerstag mindestens 13 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt worden waren, als ein Lieferwagen in Passanten raste. Unter den Verletzten sind auch 13 Deutsche.

Gabriel hatte bereits am Freitag ein Krankenhaus besucht und mit einer jungen Deutschen gesprochen, die bei dem Anschlag verletzt wurde, sowie mit Angehörigen. Zwei Frauen liegen in dem Hospital noch auf der Intensivstation. Beide schweben in Lebensgefahr. Eine Frau im mittleren Alter befindet sich in einem sehr kritischen Zustand.

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte die Attacke von Barcelona für sich, es ist aber noch nicht erwiesen, ob sie tatsächlich dahinter steckt. Seit vergangenem Sommer war es in Europa wiederholt zu Anschlägen mit Fahrzeugen gekommen.

Auch bei einer Messerattacke in Finnland geht die Polizei von einem terroristischen Hintergrund aus. Die Tat werde als Mord mit „terroristischem Vorsatz“ behandelt, gaben die Ermittler am Samstag bekannt. Bei dem Angriff in der Innenstadt von Turku im Südwesten des Landes waren am Freitag zwei Menschen getötet worden. Nach Polizeiangaben ist der Verdächtige ein 18 Jahre alter Marokkaner, der von der Polizei angeschossen wurde und im Krankenhaus liegt. Das genaue Motiv des Täters war zunächst unklar.

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