Terroranschläge in Belgien Seltsame Stille in Brüssel

Nach den Terroranschlägen sind die Menschen in Brüssel verunsichert. Sie richten sich darauf ein, von zuhause zu arbeiten. Und fragen sich, wie es weitergehen wird. Eine 27-jährige Deutsche berichtet von ihrem Tag.

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Eine Fahne mit der Aufschrift „Wir sind Brüssel“ steht auf der Place de la Bourse. Mit Blumen und Kerzen gedenken die Menschen der Opfer der Terroranschläge. Mit Kreide schreiben sie Botschaften auf den Boden. Quelle: AFP

Brüssel Die Autorin Anna-Lena Fockenbrock lebt seit drei Jahren in Brüssel. Sie ist 27 Jahre alt und arbeitet im EU-Viertel, für ein Unternehmen. Es war schon ihr zweiter Terrortag in der belgischen Hauptstadt.

Auf dem Weg zur Arbeit um kurz vor neun Uhr morgens erreicht uns die erste Nachricht auf dem Handy: zwei Explosionen am Flughafen von Zaventem. Auf der Rue Belliard, einer der Hauptstraßen von Brüssel, kommen uns Polizeiwagen mit Blaulicht entgegen. Wir denken uns noch nicht viel dabei. In Brüssel herrscht eine erhöhte Alarmstufe seit den Anschlägen im jüdischen Museum und dem Terroralarm im November. Nach den Pariser Anschlägen gab es einen „lockdown“, mehrere Tage lang waren U-Bahnen, Schulen und Schwimmbäder geschlossen. Man hat sich mittlerweile an das Bild von bewaffneten Soldaten gewöhnt.

Kaum im Büro angekommen, erreichen uns die ersten Nachrichten von einem möglichen Anschlag in der Metrostation Maelbeek. Diese liegt nur 600 Meter vom Büro entfernt und wird von vielen genutzt, die in EU-Institutionen oder für diese arbeiten.

Mein Freund ist ebenfalls in seinem Büro angekommen. Er arbeitet nur 50 Meter Luftlinie von der U-Bahnstation Maelbeek entfernt ist. Er schreibt, er habe eine Explosion gefühlt und einer Frau ins Gebäude geholfen, die von oben bis unten mit Staub bedeckt war. Etwas später schickt er ein Bild von mehreren Krankenwagen, die sich die gesamte Straße entlangreihen.

Besonders im EU-Viertel sind Helikopter und Polizeisirenen keine Besonderheit. Man ist an den „Klang Brüssels“ gewöhnt und hat gelernt, ihn auszublenden. Heute jedoch verstummen die Sirenen nicht. Zu ihnen gesellt sich ein Militärhubschrauber. Es wird geraten, die Gebäude nicht zu verlassen.

Meine Kollegen wagen sich bis zur Straßenecke. Mittlerweile ist alles um uns herum abgesperrt, Autos oder Fußgänger werden nicht mehr in unsere Straße gelassen. An jeder Ecke stehen bewaffnete Polizisten.


Konferenzen werden abgesagt, viele Büros bleiben geschlossen

Über Handys und in sozialen Medien werden massenhaft Nachrichten und Mitteilungen ausgetauscht. Freunde, Verwandte, Kollegen wollen wissen, ob man in Sicherheit ist. Produktiv arbeiten ist heute kaum möglich. Ständig kommen neue Nachrichten rein, über belgische, französische und deutsche Nachrichtenkanäle. Auf Facebook kann man seine Freunde als „sicher“ markieren. Das Krisenzentrum fordert auf, verstärkt soziale Medien zu nutzen, um die Telefonleitungen für die Polizei und den Notfalldienst frei zu halten.

Alle geplanten Konferenzen werden abgesagt. Man ist unsicher, wie es jetzt weiter geht: Ist es sicher genug, den Nachhauseweg anzutreten? Was wird in den nächsten Tagen geschehen? Ein weiterer „lockdown“ wie schon im November?

Auch heute scheint es kaum möglich, dass der Flugverkehr schnell wieder aufgenommen wird. Wenn man Brüssel über Ostern verlassen will, Freund oder Familie besuchen möchte – wie kommt man jetzt weg? Das Geschehen fühlt sich seltsam nah an, manche Kollegen sind nur eine halbe Stunde vor einer Bombenexplosion in der U-Bahnstation Maelbeek ausgestiegen.

Um vier Uhr am Nachmittag kommt der Verkehr langsam wieder ins Rollen, die großen Bahnhöfe haben wieder geöffnet. Nichtdestotrotz bleiben ab Mittwoch das Europäische Parlament und viele Büros geschlossen, vorerst. Man richtet sich darauf ein, von Zuhause aus zu arbeiten. Brüssel wird heute Abend seltsam still sein, was man von dieser lebhaften Stadt so gar nicht gewöhnt ist.

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