Thailand „Zu viel Recht und Ordnung“

Ohne Blutvergießen putschten sich die thailändischen Streitkräfte vor zwei Jahren an die Macht. Doch ob sich die Lage seitdem zum Besseren gewandelt hat, ist fraglich. Einige behaupten sogar das Gegenteil.

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Das Militär in Thailand hat vor zwei Jahren die Macht übernommen. Seitdem läuft nicht unbedingt alles besser. Quelle: AP

Bangkok Am frühen Abend des 22. Mai 2014 färbten sich alle Fernsehschirme in Thailand blau. Ein Militärwappen wurde eingeblendet: Das erste Zeichen für den Wandel. Unvermittelt tauchte der Hereschef des Landes auf und erklärte, er übernehme nun die Macht. Ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben und ohne jedes Blutvergießen war den Streitkräften ihr zweiter Putsch innerhalb von acht Jahren gelungen, ihr zwölfter seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932.

Mit ernster Miene erklärte Heereschef Prayuth Chan Ocha, er habe nach sechs Monaten politischen Stillstands, Protesten und tödlicher Gewalt die Kontrolle übernommen, um die Stabilität im Land wieder herzustellen. Sein Ziel sei es, die politische Teilung zu überwinden.

Zwei Jahre später ist das Land noch immer fest in der Hand der Streitkräfte, auch wenn Prayuth sich inzwischen nicht mehr General nennt, sondern Ministerpräsident. Äußerlich betrachtet ist Thailand zur Normalität zurückgekehrt. Die Straßen der Hauptstadt Bangkok sind verstopft wie eh und je, die Demonstranten halten sich fern, in den Ferienorten und an den Stränden wimmelt es vor Touristen. Doch wächst im Volk die Unzufriedenheit.

Was denken die Menschen über den Putsch, und wie hat sich das Land in den zwei Jahren unter militärischer Kontrolle verändert? Die Nachrichtenagentur AP dokumentiert die Sichtweise von thailändischen Bürgern.


Der Professor

Thitinan Pongsudhirak, ein führender Experte für thailändische Politik an der Chulalongkorn-Universität in Bangkok: „Thailand hat sich verändert, aber in Richtung Vergangenheit statt in Richtung Zukunft. Viele Menschen waren ein bisschen erleichtert, als es nach sechs Monaten von Chaos und Protesten zum Putsch kam. Im Alltag ist Thailand unregierbar geworden.

Anfangs herrschte Erleichterung, dass wir wieder eine Form von Recht und Ordnung hatten. Sicherheit in den Straßen, keine Demonstrationen. Aber stattdessen staute sich der Frust an.

Zwei Jahre sind eine lange Zeit in der thailändischen Politik. Jetzt sagen die Leute: 'Ja, wir haben Recht und Ordnung gehabt, sogar zu viel davon. Menschen wurden festgenommen. Es gab viel Zwang, Verletzungen grundlegender Bürgerrechte, auf Kosten langfristiger Stabilität.

Wie es weitergehen soll, ist unklar. Am Besorgnis erregendsten ist, dass die Putschisten keine Rückzugsstrategie haben. Und es sieht so aus, als ob die Generäle die Macht nicht für die Zukunft Thailands und für das thailändische Volk übernommen haben, sondern für sich selbst.“


Der Journalist und der Student

Der Journalist

Pravit Rojanaphruk, thailändischer Journalist und einer der prominentesten Kritiker der Junta: „Die Lage ist ziemlich düster. Unter Journalisten gibt es viel Selbstzensur. Kollegen, die das Regime als unrechtmäßig bezeichneten, wurden willkürlich festgenommen. Ich selbst wurde zwei Mal ohne Begründung festgenommen. Zuletzt wurde mir eine Reise nach Finnland zu einer Feier zum Welttag der Pressefreiheit verboten, die von der Unesco mitorganisiert wurde.

Das sind sehr konkrete Beispiele, und sie zeigen, dass die Medien hier in Thailand unterdrückt werden. Thailand braucht fähige Journalisten, die ihre Arbeit vernünftig ausüben können, obwohl ihnen willkürliche Festnahmen, Anklagen und Prozesse vor Militärtribunalen drohen.“

Der Student

Kornkanok Khamta, 22, Politikstudent an der Thammasat-Universität in Bangkok und Aktivist: „Im ersten Jahr nach dem Putsch war ich nur ein normaler Student. Aber nach diesem Jahr sind meine Freunde und ich in der Studenten- und Jugendbewegung aktiver geworden. Mir ist klar geworden, dass ich von der Regierung betrogen worden bin. Wenn ich versucht habe, normale Dinge in der Öffentlichkeit auszusprechen, bin ich von der Regierung unterdrückt worden. Und das ist nicht richtig.

Aber es geht nicht nur darum, unterdrückt zu werden. Sie haben Lager zur 'Anpassung von Haltungen'. Sie haben die Menschenrechte physisch verletzt. Nachdem ich mich kritisch über Korruption (innerhalb der Regierung) geäußert habe, bin ich vor ein Militärgericht gestellt und verhaftet worden.

Einige Gruppen sind zurückhaltender geworden. Manche haben ihre Facebook-Seiten geschlossen, nachdem die Armee die Verwalter einer (regierungskritischen) Facebook-Seite festgenommen hat. Aber der einzige Grund, warum wir weiterkämpfen, ist, dass wir mit jeder Bedrohung oder Bestrafung stärker die Notwendigkeit dafür verspüren. Wenn keiner etwas sagt, werden sie gewinnen.“

Der Unternehmer und die Mutter

Der Unternehmer
Bill Heinecke, aus den USA stammender Milliardär und Inhaber von 147 Hotels und 1.800 Restaurants und Geschäften in Thailand, inzwischen thailändischer Staatsbürger: „Ohne Zweifel hat sich viel gewandelt. Wenn wir uns richtig erinnern, war Bangkok fast zum Stillstand gekommen. Niemand konnte wählen gehen, keine Wahl konnte stattfinden, der Verkehr ist kollabiert, ständig gab es Demonstrationen. Jetzt sehen wir eine Rückkehr zur Stabilität. Das ist immer gut für das Geschäft.

Während der Proteste ging das Vertrauen zurück, die Touristen blieben weg, und die Wirtschaft wurde stranguliert. Jetzt laufen die Geschäfte wieder normal, und es gab deutliche Verbesserungen. Es ist zwar sicher nicht perfekt, aber besser als vorher.“

Die Mutter

Payao Akkhahad, Mutter eines 2010 erschossenen 25-jährigen Medizinstudenten, der als freiwilliger Helfer verletzte Demonstranten behandelt hatte: „Der Putsch war nicht richtig. Schließlich sind wir eine Demokratie. Man kann dieser Regierung nicht trauen. Sie versprechen Dinge wie Reformen, Wandel, dies und das. Sie haben uns Wahlen versprochen, und es nicht dazu gekommen.

Die Dinge haben sich mehr und mehr verschlechtert. Und wenn wir rausgehen und versuchen, unsere Meinung zu sagen, werden wir zum Schweigen gebracht und ins Gefängnis gesteckt. Es fühlt sich an, als würde unser eigener Atem nicht mehr uns gehören, sondern der Armee. Wenn wir zu laut atmen, bekommen wir Ärger.“

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