Theresa May folgt auf Cameron Unsicherheit beseitigt

Schneller als erwartet steht fest, dass Theresa May neue Premierministerin wird. Das gibt dem Land die Möglichkeit, das Brexit-Chaos endlich in den Griff zu bekommen – mit pragmatischen Lösungen. Ein Kommentar.

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May steht für viel Politikerfahrung und pragmatische Lösungen. Sie ist nicht einfach in ein Recht-Links-Schema zu pressen. Quelle: AFP

London Die nächste böse Überraschung nach dem Brexit-Referendum bleibt auf der Insel aus: Nach dem Rückzug der konservativen Abgeordneten Andrea Leadsom aus dem Rennen um die Nachfolge von Premier David Cameron wird Innenministerin Theresa May in No. 10 Downing Street einziehen. Damit ist das Risiko beseitigt, dass mit Leadsom eine unerfahrene Staatssekretärin in das höchste Regierungsamt kommt, die sich zu einer harten Brexit-Befürworterin entwickelte, möglicherweise ihren Lebenslauf geschönt hat und der Aufgabe nicht gewachsen schien.

May steht dagegen für viel Politikerfahrung und pragmatische Lösungen. Sie ist nicht einfach in ein Recht-Links-Schema zu pressen. Einerseits gehörte Theresa May zu den frühen Befürwortern einer Home-Ehe und steht somit für progressive Positionen – andererseits legte sie häufig eine harte Law-and-Order-Haltung an den Tag.

In ihren sechs Jahren als Innenministerin Großbritanniens ist sie hart gegen islamistische Prediger und illegale Einwanderer vorgegangen. Im Herbst vergangenen Jahres etwa lehnte sie es ab, Flüchtlinge über den europäischen Verteilungsschlüssel aufzunehmen. Man solle denen helfen, die in Bürgerkriegsgebieten lebten „und nicht all denen, die stark und reich genug sind, um nach Europa zu kommen“, sagte sie damals.

Im Brexit-Wahlkampf stand sie zwar offiziell auf der Seite der EU-Befürworter, doch war sie nie eine lautstarke Verfechterin des Status quo. Aus taktischen Gründen hielt sie sich zurück, was ihr zuletzt wohl den Weg ins höchste Regierungsamt ebnete, denn sie gilt für Brexit-Gegner und für EU-Kritiker als akzeptable und glaubwürdige Lösung für das Amt der Premierministerin.

Die Finanzmärkte goutierten das bereits – ebenso wie die schnelle Lösung für die Cameron-Nachfolge. Das britische Pfund hat die Talfahrt der vergangenen Tage zumindest vorübergehend beendet.

Nach dem Brexit-Votum gab sich May eindeutig: Brexit ist Brexit, sagte sie und sprach sich gegen ein erneutes Referendum oder Neuwahlen aus. Die Entscheidung der Briten müsste umgesetzt werden. Damit ist jedoch nicht vor nächstem Jahr zu rechnen. Erst dann wird May voraussichtlich die offiziellen Austrittsgespräche mit der EU auf den Weg bringen.


Was May mit Thatcher verbindet

Das gibt ihr Zeit, sich eine Verhandlungsposition zu überlegen. Derzeit zeichnet sich nur ab, dass es mit ihr wohl eine Einschränkung der Einwanderung auf der Insel geben wird. Das Thema war das wohl dominanteste im Brexit-Wahlkampf und hat viele Briten gegen die EU stimmen lassen.

Im Gegenzug wird May aber wohl die Hoffnung auf einen uneingeschränkten Zugang zum EU-Binnenmarkt aufgeben müssen. Das dürfte vor allem für die britische Finanzbranche eine schlechte Nachricht sein, denn damit verlieren Banken voraussichtlich die Möglichkeit, mit einer Lizenz der britischen Bankaufsicht auch auf dem Kontinent ihre Dienste anbieten zu können.

May wird nach Margaret Thatcher die zweite konservative Premierministerin des Landes. Die „Eiserne Lady“ hat das Land auf radikale Art und Weise reformiert. Mays Herangehensweise dürfte dagegen mehr darauf bedacht sein, Kompromisse einzugehen und Lösungen im Konsens zu finden.

Eines haben beide Frauen aber wohl gemeinsam: May sei „verdammt schwierig“, das erinnere an Thatcher, sagte Tory-Politiker Kenneth Clarke vor wenigen Tagen. Vor allem sei May aber eines: Sie sei „gut“. Sie griff das Kompliment gleich auf und versprach „verdammt schwierige“ Verhandlungen mit der EU über einen Brexit.

Die Befürworter eines solchen Schritts werden es gerne gehört haben. Für die Kritiker ist aber auch klar: May ist eine Stimme der Vernunft und entsprechend wird sie vorgehen. Das hat sie beispielsweise auch vor zwei Jahren bewiesen, als Großbritannien bei der europäischen Justiz- und Innenpolitik von seinen Ausstiegsklauseln Gebrauch machte, aber eben nicht von allen. May entschied mit Bedacht, was Sinn macht und was nicht. Einen ähnlichen Kurs dürfte sie auch bei den Brexit-Verhandlungen führen.

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