Theresa May in Deutschland Premierministerin will wirtschaftliche Beziehung erhalten

Die Beziehung zwischen Deutschland und Großbritannien wird sich nach dem Brexit-Votum ändern. Davon ist auch Premierministerin May überzeugt. Das erste Treffen mit der Kanzlerin lässt trotzdem auf enge Bande hoffen.

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Beide Regierungschefinnen sagten, man werde bei der Lösung internationaler Probleme wie die Konflikte in der Ukraine oder in Syrien zusammenarbeiten. Quelle: AP

Berlin Ähneln sie sich? Was trennt, was eint sie? Machen sie beide die Raute? Angela Merkel und Theresa May hatten vor diesem Mittwochabend noch nie persönlich etwas miteinander zu tun. Und dennoch wurden die beiden Frauen in Medien schon miteinander verglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausgemacht. Beide Pfarrerstöchter, verheiratet, aber kinderlos, die Premierministerin trägt gern ausgefallene Schuhe, die Kanzlerin einfarbige Blazer.

Merkel hat in ihrer Amtszeit seit 2005 schon viele ausländische Staats- und Regierungschefs kommen und gehen sehen, aber in dieser Weise wurden die Biografien noch nicht abgeglichen. Und man darf vermuten, dass solche Fragen gar nicht gestellt werden würden, wären May und Merkel Männer.

In der Politik ist Macht von Frauen, wie sie May und Merkel haben, immer noch eine Seltenheit. May ist die erste Frau an der britischen Regierungsspitze seit dem Rücktritt von Margaret Thatcher 1990. Im kleinen EU-Führungszirkel war Merkel lange die einzige Frau. Und bleibt es eigentlich auch, rechnet man May wegen des Brexit-Votums in ihrem Land gar nicht erst groß dazu.

Nun kamen die beiden erstmals zusammen. Und irgendwie schwang die Frage mit, ob sich die Politik durch sie verändern könnte. Beiden wird ein „No-Drama-Pragmatismus“ nachgesagt - Ausdauer, Prinzipienfestigkeit, keine Lust auf Show und Sprüche.

May sagt im Kanzleramt dann dies: „Ich denke, es ist schon wichtig, dass hier zwei Frauen stehen, (...) zwei Frauen, die sich sagen: So, jetzt wollen wir aber mal mit der Arbeit anfangen, wir wollen die besten Ergebnisse erzielen für die Bevölkerung im Vereinigten Königreich und auch für die Bürger in Deutschland.“ Und Merkel braucht genau ein Wort, um erste Sympathie für ihre neue Amtskollegin zu bekunden: „Genau!“

Die Botschaft der beiden: Packen wir es an, auch wenn das Votum der Briten zum Austritt aus der Europäischen Union bitter und kompliziert ist, mit Vertrauen und Respekt und in Freundschaft, „so dass jede Seite daraus das Beste machen wird“. Merkel übt sich wieder einmal in Ruhe und Geduld: Sie hält es für „absolut verständlich“, dass die britische Regierung wenige Tage nach dem Referendum - dies war vor vier Wochen - erst einmal nachdenken müsse.

Oder kann der Brexit, den Merkel nie wollte und über den May nicht jubelte, doch noch abgewendet werden? Bisher gaben die beiden andere Signale: Das Volk hat gesprochen, so wird es gemacht. May wiederholt es in Berlin: „Brexit ist Brexit“. Und Merkel sagt, Realitäten müssten anerkannt werden, und das seien 52 Prozent Ja-Stimmen zum EU-Austritt bei der Volksabstimmung am 23. Juni.

Aber überstürzen will May nichts. Großbritannien plant in diesem Jahr keine formellen Verhandlungen mehr zum EU-Austritt. Bis Ende 2016 soll von Artikel 50 des Lissabonner Vertrages nicht Gebrauch gemacht werden. Darin ist der Austritt eines Staates aus der EU geregelt. Merkel sagt nur: „Wir werden den Zeitpunkt abwarten, wann Großbritannien den Antrag stellt.“

May hatte in der vorigen Woche das Amt von David Cameron übernommen, der für den Verbleib in der EU gekämpft und wegen der schweren Niederlage beim Referendum aufgegeben hatte.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter mahnt, es dürfe keinen „Austritt à la carte“ geben. Wer uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt haben wolle, müsse auch dessen Grundfreiheiten akzeptieren: etwa den Zugang von EU-Bürgern zum nationalen Arbeitsmarkt. Damit haben die Briten ein Problem. May betont, eine Botschaft des Brexit-Votums sei ja, dass die Freizügigkeit der EU-Bürger gesteuert und die „Netto-Migration“ auf eine tragfähige Zahl reduziert werden solle.

Und stellt sich Merkel nun auf Konflikte mit Boris Johnson dem Brexit-Hardliner und neuen Außenminister Großbritanniens ein? Die Briten hätten immer „anstrengend und taktisch klug verhandelt“, sagt sie. Sie hat also gute Übung darin. Außerdem müsse sich Johnson noch um die großen Themen wie Syrien und Ukraine kümmern.

Wie wichtig May die Beziehungen zu Deutschland - und womöglich speziell zu Merkel - sind, macht sie gleich zu Beginn mit diesem Signal klar: Es ist das erste Mal in der britischen Geschichte, dass die erste Auslandsreise eines Premiers nach Berlin führt.

Früher war es für den neuen Bewohner von Downing Street, Hausnummer 10, üblich, zunächst einmal nach Washington zu reisen - wegen der „special relationship“ („besonderen Beziehung“) zu den USA. Das hat sich schon lange geändert. Zwar reden die Briten immer noch von einer „Übersee“-Reise. Aber es geht nicht mehr über den Atlantik, sondern nur noch über den Ärmelkanal.

Cameron entschied sich 2010 für Paris und danach Berlin. Bei der bisherigen Innenministerin May ist es nun umgekehrt: erst Kanzleramt, dann, an diesem Freitag, Elysée-Palast. „Vielen Dank, es freut mich sehr, in Berlin zu sein“, sagt sie auf Deutsch. Tony Blair flog 1997 als neuer Premier übrigens zuerst nach Brüssel - heute undenkbar.

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