Theresa May Laissez-faire? Nix da!

Großbritanniens Premierministerin Theresa May will die britische Wirtschaft fördern. Mit Maßnahmen, die der früheren Laissez-Faire-Politik ihrer Vorgänger widersprechen. So verfolgt sie eine „moderne Industriestrategie”.

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Die britische Premierministerin Theresa May will die britische Wirtschaft neu sortieren. Quelle: dpa

Briten sind für ihre Zurückhaltung berühmt – doch bei Theresa Mays Politik ist davon wenig zu spüren. Am Montag stellt die britische Regierungschefin geplante Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Industrie nach dem Ausscheiden aus der Europäischen Union (EU) vor. Sie machte dabei klar: In Zukunft wird die Regierung stärker in die Wirtschaft eingreifen.

Ein derartiges Vorgehen bedeutet eine Abkehr von der Politik ihrer Vorgänger. Aber die Vorteile, die aus der künftigen Industriepolitik entstünden, würden die Nachteile eines Austritts sogar übersteigen, prophezeite May; sie seien „ein wichtiger Schritt in Richtung eines Landes, in dem Wohlstand allen zu Gute kommt”. Die britische Wirtschaft sei stark, „aber auch wenn es vielen Menschen, Orten und Unternehmen gut geht, sind die Chancen und das Wachstum in unserem Land ungleich verteilt“. Eine „moderne Industriestrategie” soll daher die stark vom Dienstleistungssektor abhängige Wirtschaft Großbritanniens auf eine breitere Grundlage stellen.

May hat bereits in der Vergangenheit durchblicken lassen, dass gerade die für das Land so wichtige Finanzbranche in London für sie nicht allein im Fokus steht und mehrfach deutlich gemacht, dass sie entschlossen handeln will, um zu verhindern, dass das Land nach einem Ausstieg aus der europäischen Gemeinschaft und dem damit vermutlich verbundenen Verlust der Handelsabkommen in ernsthafte Schwierigkeiten gerät. In Richtung der europäischen Partner hatte sie eine klare Warnung geschickt: Sollte die EU in den Austrittsverhandlungen zu harte Maßnahmen ergreifen, könnte man die Unternehmenssteuer senken und so zu einer Art Unternehmensparadies werden.

Angesichts dieser Worte, die in Europa vielfach als Drohung aufgefasst wurden, war man in London erleichtert, als der neue US-Präsident Donald Trump erklärt hatte, er wolle rasch mit Großbritannien ein Handelsabkommen schließen. In dieser Woche wird May in die USA reisen, um mit dem neuen Präsidenten zu sprechen.

Die nun präsentierten Vorschläge für die „moderne Industriepolitik“ sind nicht so konfrontativ – aber sie zielen klar darauf ab, die Wirtschaft für die Zeiten nach dem Brexit wettbewerbsfähiger zu machen. Zehn Programmpunkt umfasst der Plan. In erster Linie geht es um Zusicherungen für Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Innovationen sowie in Infrastrukturprojekte. Das Wachstum von Unternehmen soll durch niedrige Energiekosten gefördert werden, kleine und mittlere Betriebe sollen stärker unterstützt und der Handel mit dem Ausland vorangetrieben werden.

Zudem will May Ausbildungsmöglichkeiten abseits der Universitäten fördern. Allein 170 Millionen Pfund sollen in Ausbildungsprogramme für technische Fächer fließen.


Lobende Worte aus der Pharmabranche

Von den Maßnahmen profitieren dürften vor allem Unternehmen aus den Bereichen LifeScience, emissionsarme Fahrzeugtechnik, Digitalisierung und der Unterhaltungsindustrie. Von AstraZeneca-Chef Pascal Soriot, dessen Pharmakonzern seinen Hauptsitz erst kürzlich in das britische Universitätsstädtchen Cambridge verlegt hat, kamen daher auch lobende Worte.

Eine „strategische Unterstützung mit den richtigen Initiativen und im passenden politischen Umfeld“ sei entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit, erklärte der Chef des britisch-schwedischen Unternehmens. AstraZeneca stehe hinter dem Ziel der Regierung, Großbritannien nach dem Austritt aus der EU zu einem Standort für Wissenschaft und Innovation zu machen, und Industriepolitik „ist entscheidend um dieses Ziel zu erreichen“.

Auch Carolyn Fairbairn, Direktorin des britischen Unternehmerverbands CBI, begrüßte die Pläne. Eine moderne Industriepolitik biete große Chancen, sagte sie. Man habe schon lange eine neu Industriestrategie gefordert und es sei gut, dass die Regierung nun das Thema angehe. Von Seiten der Unternehmen waren zuletzt Beschwerden gekommen, dass Mitarbeiter nicht ausreichend ausgebildet seien und daher nicht so produktiv wie erhofft.

Dass sich das ändern muss, hatte auch Finanzminister Philip Hammond im vergangenen Herbst erklärt. Schließlich seien die Zahlen zur britischen Produktivität „schockierend“, wie er bei Präsentation des Haushaltsentwurfs gesagt hatte. Großbritannien hinke den USA und Deutschland über 30 Prozentpunkt hinterher, und selbst Frankreich und Italien seien produktiver. „Während ein deutscher Arbeiter vier Tage arbeiten muss um etwas zu produzieren, brauchen wir fünf“, erklärte Hammond. „Das bedeutet wiederum, dass zu viele britische Arbeiter länger arbeiten müssen und dafür weniger Geld bekommen als ihre Kollegen“.

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