Todesstrafe Wo Recht Tod bedeutet

Korruption, Ehebruch, Beleidigung des Propheten: In Deutschland ist die Todesstrafe längst abgeschafft. Anderswo wurde vergangenes Jahr gehenkt wie lange nicht – besonders viele Hinrichtungen gibt es in vier Staaten.

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Hinrichtungen haben weltweit zugenommen. Quelle: dpa

Berlin Das Leben von Aftab Bahadur ging an einem Mittwochmorgen im vergangenen Juni zu Ende. Um 04.30 Uhr, als gerade das Tageslicht angebrochen war, wurde er im Zentralgefängnis der pakistanischen Millionenstadt Lahore durch den Strick gehenkt. Wegen einer Tat, die er im September 1992 begangen haben soll, dem Mord an einer Frau und deren zwei Söhnen. Damals war er 15. Als er starb, war er 38. Bis zum Ende beteuerte Aftab Bahadur seine Unschuld.

Der Pakistaner war nur einer von mehreren tausend Menschen, die im vergangenen Jahr irgendwo auf der Welt von Staats wegen getötet wurden. Amnesty International nennt im neuesten Jahresbericht zur Todesstrafe, der an diesem Mittwoch veröffentlicht wird, eine Mindestzahl von 1.634 vollstreckten Todesurteilen – allerdings noch ohne die Volksrepublik China. Die tatsächliche Zahl an Hinrichtungen weltweit liegt vermutlich mehr als doppelt so hoch.

Für die internationalen Bemühungen um eine Abschaffung der Todesstrafe bedeutet dies einen schweren Rückschlag. Für ein paar Jahre gab es tatsächlich die Hoffnung, dass es mit dem grausamen Geschäft der Henker bald einmal vorbei sein könnte. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Das hat auch mit dem Erstarken des islamistischen Terrorismus zu tun, aber nicht nur.

Pakistan zum Beispiel beendete im Dezember 2014 ein sechsjähriges Moratorium für die Todesstrafe, nachdem Taliban-Milizen beim Angriff auf eine Schule 150 Menschen ermordet hatten. Zunächst wurden mutmaßliche Terroristen wieder gehenkt, dann auch andere Verurteilte – außer Bahadur im Lauf des Jahres noch 325 weitere Menschen. In der Henkerstaaten-Statistik 2015 liegt Pakistan damit auf Platz drei.

Den Spitzenplatz als „Top-Henker der Welt“ (Amnesty) hält jedoch weiterhin China. Die genaue Zahl an Hinrichtungen wird von der Volksrepublik nach wie vor als Staatsgeheimnis behandelt, weshalb auch Amnesty seit ein paar Jahren keine Zahl nennt. Die Menschenrechtler schätzen aber, dass sie immer noch „in die Tausende“ geht. Amnesty-Experte Oliver Hendrich sagt: „Wir vermuten, dass China wieder mehr hinrichten ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen.“


China, Malediven, Iran

Andere Experten gehen für das vergangene Jahr von schätzungsweise 2400 Exekutionen im Reich der Mitte aus. Die renommierte Duihua-Stiftung in den USA vermutet, das sich die Zahl nach einem deutlichen Rückgang vor ein paar Jahren auf dieser Höhe stabilisiert hat. Der rückläufige Trend in einigen Bereichen sei seit 2014 durch eine verstärkte Anti-Terror-Kampagne aufgefangen worden.

Weltweit würde dies dann eine Mindestzahl von etwa 4000 Hinrichtungen bedeuten. Das hält man auch bei Amnesty für realistisch. Nicht überall hat der Anstieg allerdings seinen Grund im Kampf gegen den Terrorismus. Die Todesstrafe wird in manchen Ländern neben Kapitalverbrechen wie Mord auch wegen Korruption (China), Ehebruch (Malediven) oder Beleidigung des Propheten (Iran) verhängt.

Der Iran lag 2015 mit mindestens 977 Hinrichtungen – die meisten davon wegen Drogen-Delikten – auf Platz zwei. Saudi-Arabien ließ mindestens 158 Menschen exekutieren – so viele wie seit 1995 nicht mehr. Dort gibt es auch noch öffentliche Enthauptungen, und Leichen werden auch heute noch öffentlich ausgestellt.

Von den großen Industrienationen ließen die USA (28) und Japan (3) noch exekutieren. Zu den insgesamt 25 Staaten, die hinrichten ließen, gehörten zum Beispiel auch noch Indien, der Irak, Ägypten, Afghanistan und Nordkorea. Weltweit sitzen derzeit mehr als 20.000 Menschen in der Todeszelle. In Europa vollstreckt als letztes Land nur noch Weißrussland die Todesstrafe. Im vergangenen Jahr gab es dort aber keine Hinrichtungen.

Trotz allem gab es für die Gegner der Todesstrafe aber auch gute Nachrichten. Vier weitere Staaten schafften die Strafe endgültig ab: die Republik Kongo, Madagaskar, Surinam und die Fidschi-Inseln. Von den 193 Uno-Mitgliedern verzichten darauf nun 102 Staaten komplett – mehr als die Hälfte der Welt.

In Deutschland liegt die letzte Exekution schon mehr als 30 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR den Stasi-Hauptmann Werner Teske wegen „Hochverrats“ hinrichten. Die Bundesrepublik hatte im Grundgesetz von 1949 gleich zu Beginn auf die Todesstrafe verzichtet. In Artikel 102 heißt es ganz knapp: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“

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