Trauer um Elie Wiesel Merkel ehrt Wiesel als "Stimme der Humanität"

Elie Wiesel überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Der Friedensnobelpreisträger kämpfte gegen das Vergessen des Holocaust. Mit ihm stirbt einer der letzten großen Zeitzeugen.

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Elie Wiesel Quelle: AP

Der Tod des Friedensnobelpreisträgers und Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel hat weltweit Trauer und Bestürzung ausgelöst. Wiesel starb am Samstag im Alter von 87 Jahren in den USA, wie israelische Medien und die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem berichteten. Wiesels Sohn Elisha bestätigte den Tod seines Vaters, wie der US-Radiosender NPR meldete. Nach Informationen der „New York Times“ starb der Schriftsteller in seinem Haus in Manhattan. US-Präsident Barack Obama nannte Wiesel „Gewissen der Welt“, Bundeskanzlerin Angela Merkel „eine Stimme der Moral und der Humanität“.

Der 1928 in Rumänien geborene Wiesel überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Seine Eltern und seine jüngste Schwester waren von den Nationalsozialisten getötet worden. Über Jahrzehnte hinweg hatte sich der in New York lebende Schriftsteller („Die Nacht“, „Jude heute“) für die Erinnerung an den Holocaust eingesetzt.

Nach 1945 kam Wiesel über Straßburg nach Paris. Dort studierte er an der Sorbonne Philosophie und Literatur und arbeitete später als Journalist. Zum Schreiben fand Wiesel durch die Begegnung mit dem französischen Dichter François Mauriac. 1956 wechselte er als UN-Berichterstatter nach New York. Später bekam er eine Professur für Literatur, Philosophie und Judaismus am New Yorker City College. 1986 erhielt Wiesel den Friedensnobelpreis.

Als „Wortkünstler“ beschrieb Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu den 87-Jährigen, der „mit seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit und seinen faszinierenden Büchern den Sieg des menschlichen Geistes über die Grausamkeit und das Böse verkörpert“ habe. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin ehrte Wiesel als Kämpfer gegen jegliche Form von Hass. „Elie Wiesel verkörperte die Entschlossenheit des menschlichen Geistes, die dunkelsten Teufel zu bezwingen und allen Widrigkeiten zum Trotz zu überleben.“

Wiesels Tod löste nicht nur in Israel und der jüdischen Weltgemeinde große Trauer aus. US-Präsident Barack Obama würdigte Wiesel als „eine der großen moralischen Simmen unserer Zeit“ und „Gewissen der Welt“. Wiesel sei nicht nur einer der prominentesten Holocaust-Überlebenden gewesen, hieß es in einer ungewöhnlich ausführlichen Erklärung des Präsidenten. „Er war ein lebendes Denkmal.“ Auch Hillary und Bill Clinton äußerten sich „zutiefst traurig“ über Wiesels Tod.

In einem Kondolenzschreiben an die Witwe Wiesels sprach Bundespräsident Joachim Gauck von einem großen Verlust. „Wir haben einen großartigen Menschen und außerordentlichen Gelehrten und Schriftsteller verloren“, schrieb Gauck in dem vom Bundespräsidialamt in der Nacht zum Sonntag verbreiteten Schreiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte Wiesel als Mahner und Versöhner. Mit ihm sei „eine der markantesten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts“ gegangen - „eine Stimme der Moral und der Humanität ist verstummt“, hieß es in einer Mitteilung der Bundesregierung. Wiesel habe den Deutschen die Hand ausgestreckt und unermüdlich daran gearbeitet, eine bessere Welt zu ermöglichen.

"Lehrer der Menschheit"

Bundestagspräsident Norbert Lammert äußerte sich zu dem Vermächtnis des Friedensnobelpreisträgers. „Elie Wiesel war überzeugt, dass jeder, der heute einem Zeugen zuhört, selbst ein Zeuge wird. In diesem Gedanken liegt sein Auftrag an die Nachwelt, ihm sehen wir uns bleibend verpflichtet“, hieß es in einer Presseerklärung Lammerts im Namen des Deutschen Bundestags.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte: „Mit Elie Wiesel geht nicht nur ein großer Autor, Philanthrop und Gelehrter von uns, sondern vor allem ein unermüdlicher Streiter gegen Hass, Intoleranz und Gewalt“. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, mit Wiesel gehe eine authentische Stimme verloren. Ohne diese Zeitzeugen müssten andere Formen der Erinnerung gefunden werden. Ramelow verwies in diesem Zusammenhang auf die neu gestaltete Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte in Buchenwald

Elie Wiesel (Mitte) mit US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2009 Quelle: dpa

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte laut einer Mitteilung vom Sonntag: „Obwohl er seine ganze Familie in der Shoa verloren hatte und trotz allem, was er selbst erlitten hatte, stiftete er durch sein Wirken Frieden und Versöhnung. Er gab den Opfern der Shoa eine Stimme, die weltweit gehört wurde. Seine Werke werden bleiben und noch vielen weiteren Generationen vermitteln, warum wir die Erinnerung an die Shoa immer bewahren müssen.“

Oscar-Preisträger George Clooney rief nach Wiesels Tod dazu auf, den humanitären Kampf des Holocaust-Überlebenden fortzusetzen. Wiesel habe „unseren Schmerz, unsere Schuld und unsere Verantwortung“ über Generationen hinweg auf seinen Schultern getragen, sagte Clooney. Nun sei es unsere Aufgabe, für die Entrechteten zu kämpfen und die Wahrheit zu sprechen.

Das Internationale Auschwitz-Komitee bezeichnete den Auschwitz-Überlebenden als „Lehrer der Menschheit“. „Elie Wiesel war kein Weg zu weit und kein Anlass zu gering, Menschen über die Schrecken und Verbrechen von Auschwitz zu informieren“, sagte Christoph Heubner, der Vize-Exekutivpräsident der Überlebendenorganisation.

Der Friedensnobelpreisträger Schimon Peres erinnerte an Wiesel als Menschen, der sich stets gegen das Vergessen eingesetzt habe. „Wiesel hat seine Spuren in der Menschheit hinterlassen durch das Erhalten und Hochhalten des Vermächtnisses des Holocausts.“

Der jüdische Weltkongress zeigte sich bestürzt über den Tod Wiesels. „Elie Wiesel war einer der großen jüdischen Lehrer und Denker der vergangenen 100 Jahre“, sagte Präsident Ronald S. Lauder in Brüssel.

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