Treffen in Istanbul Putin und Erdogan wollen über Syrien und einen Gasdeal sprechen

Bei einem Treffen wollen Erdogan und Putin einen Gasdeal besiegeln. Nach dem Willen Moskaus soll Turkish Stream zu einer Energie-Lebensader Westeuropas werden. Weniger einig sind sich die Staatschefs beim Syrien-Krieg.

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Der russische Präsident Putin (rechts) und der türkische Präsident Erdogan wollen am Montag über Syrien und einen Gasdeal sprechen. Quelle: Reuters

Istanbul/Moskau Milliardenschwere Pipeline-Pläne, das Zerwürfnis mit den USA im Syrien-Krieg und ein Atom-Projekt: Wladimir Putin reist an diesem Montag mit großen Themen im Gepäck zum Besuch nach Istanbul. Das Wiedersehen des Kremlchefs mit Präsident Recep Tayyip Erdogan soll den begonnenen Neustart der belasteten Beziehungen zwischen Russland und der Türkei voranbringen. Doch die unterschiedlichen Strategien beider Länder im Syrien-Konflikt stellt das Verhältnis gleich wieder vor eine Bewährungsprobe.

„Ob die Wiederannäherung gelingen kann, ist bei allem demonstrierten Willen fraglich“, meint der Politologe Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie-Zentrum. Aus ihren Differenzen in der Syrien-Krise haben Putin und Erdogan nie einen Hehl gemacht. Trotzdem riefen beide zuletzt zur Deeskalation auf und sprachen sich bei einem Telefonat für einen politischen Friedensprozess aus. Während Ankara den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad will, unterstützt Moskau das Regime in Damaskus militärisch. Russlands Parlament beschloss am Freitag die unbefristete Stationierung von Kampfflugzeugen im Bürgerkriegsland.

Den Einmarsch türkischer Truppen in den syrischen Ort Dscharablus kritisiert Russland. Türkische Soldaten und Rebellen übernahmen die Grenzstadt zunächst von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), konzentrieren sich aber nun auf den Kampf gegen kurdische Rebellen.

Während Russland in Syrien mit den USA über Kreuz liegt, entsendet Washington auf türkische Bitte Spezialkräfte dorthin. Die Soldaten sollen die türkische Armee und moderate Rebellengruppen bei ihrem Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat unterstützen.

Auf Konfrontation mit Russland scheint das Nato-Land Türkei beim Thema Syrien aber nicht aus zu sein. Zu den Bombardierungen von Aleppo durch die syrische und die russische Luftwaffe bleibt Erdogan auffällig still. Dabei lässt der Präsident sonst keine Gelegenheit aus, um sich als Schutzherr des syrischen Volkes darzustellen.

Doch nach dem Putschversuch vom 15. Juli ist Ankara auf Verbündete angewiesen. Die EU und die USA sehen die anschließenden Maßnahmen der türkischen Regierung kritisch, Erdogan wiederum hatte sich wiederholt über zu wenig Solidarität aus dem Westen beschwert.

Mit der jüngsten Besuchserlaubnis für deutsche Abgeordnete auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik scheint es wieder eine leichte Annäherung in den deutsch-türkischen Beziehungen zu geben. Zuvor hatte Ankara den Besuch der dort stationierten deutschen Soldaten wegen der umstrittenen Armenier-Resolution des Bundestags untersagt.

Auf Putins Besuch und die russisch-türkische Annäherung angesprochen, reagierte Delegationsleiter Karl Lamers (CDU) gelassen. „Ich glaube, dass die Türkei sehr genau weiß, der Präsident und das Parlament, dass der Platz der Türkei in der Nato ist“, sagte er in Izmir.

Monatelang lagen die Beziehungen zwischen Putin und Erdogan nach dem Abschuss eines russischen Jets durch die Türkei im November 2015 auf Eis. Ein Treffen im August besiegelte den Neustart. Erdogan sagte damals, er hoffe auf neues Vertrauen mit seinem „geschätzten Freund“.

„Putin will die Beziehungen zur Türkei wieder völlig herstellen“, sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow. Er meint damit unter anderem das strategisch wichtige Atomkraftwerk Akkuyu, das Russland in der Türkei baut, und die geplante Gas-Leitung Turkish Stream. In Istanbul soll das Pipeline-Projekt mit der Unterzeichnung eines Regierungsabkommens besiegelt werden. Turkish Stream durch das Schwarze Meer, die Türkei und Griechenland soll zur zweiten Gas-Lebensader Westeuropas werden - nach der Ostsee-Pipeline Nord Stream.

Putin wirbt dafür, dass die Verlängerung von Turkish Stream dem klammen EU-Land Griechenland dauerhaft Einnahmen für den Transit sichert. Damit versucht der Kremlchef, Ängste im Westen vor einer zu großen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu zerstreuen. „Es geht auch darum, den wachsenden Bedarf der EU angesichts sinkender Fördermengen im Norden Europas zu decken“, meint Putin. Geld verdienen wollen die Russen mit dem Gasverkauf freilich auch.

Angesichts der politischen Ausgrenzung durch die EU und die USA versetzt das vorgesehene Regierungsabkommen über den Bau von Turkish Stream viele in Russland bereits in Hochstimmung. Sie feiern die in Istanbul geplante Unterzeichnung als starkes Signal in Krisenzeiten.

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