Der ehemalige Marineinfanterist Jim Mattis ist so ziemlich das Gegenteil dessen, wofür die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump steht: Der Verteidigungsminister gilt als belesen, guter militärischer Führer, Freund der Nato und Warner vor Russland. Angesichts der Schimpftiraden Trumps gegen Freund und Feind scheint er aus einer anderen Welt zu kommen.
Kein Wunder, dass sich seine deutsche Kollegin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in den USA sichtlich angetan vom zeigt. Für sie dürfte Mattis auf absehbare Zeit zum wichtigsten Verbündeten in Washington werden. Doch der ehemalige General hat mächtige Gegenspieler im Weißen Haus. Es ist nicht ausgemacht, dass er seine Positionen gegen sie durchsetzen kann - und damit bleiben für Deutschland trotz Mattis' warmer Worte in der Sicherheitspolitik der Amerikaner viele Unbekannte.
Zunächst aber ist es Balsam auf die Seele der verunsicherten Europäer, wie Mattis seinem ersten Gast vom alten Kontinent begegnet: "Ich hätte gern Ihren Rat und möchte wissen, wie Sie die Dinge sehen", begrüßt er seine Kollegin und setzt sich damit vom aggressiven Tonfall ab, dessen Trump sich zuletzt bediente. Was die Ministerin später aus dem Gespräch berichtet, wäre früher als Floskel kaum erwähnt worden. Doch unter Trump bekommt es Nachrichtenwert, wenn sich ein US-Verteidigungsminister klar zur Nato bekennt und die Einhaltung internationalen Rechts von Russland fordert. Im Gegenzug signalisiert von der Leyen Deutschlands Bereitschaft, mehr Lasten in der Nato zu schultern.
Donald Trump: Ein Kurzporträt des 45. US-Präsidenten
Donald Trump wurde am 14. Juni 1946 im New Yorker Stadtteil Queens geboren.
Im Alter von 13 Jahren wurde er von seinen Eltern aufs Internat geschickt. Später folgte er dem Vater ins Immobilienmetier und machte auch mit Misswahlen und Spielcasinos Geld. Trump hatte unter anderem mit der Fernsehshow „The Apprentice“ Erfolg, sie machte „The Donald“ als Reality-TV-Star einem großen Publikum in den USA bekannt.
Trumps Erfolge als Unternehmer sind umstritten. Wie reich er wirklich ist, bleibt Spekulation. Bis heute weigert sich der Unternehmer, seine Steuererklärung offenzulegen.
Wegen seiner zahllosen Ausfälle wurde Trump heftig angegangen und vielen zum Feindbild. Trump wird oft parodiert, anderen ist er Idol. Seinen Anhängern steht er - getreu dem Motto„Make America Great Again“ für Neuanfang, ein Aufbrechen verkrusteter Strukturen, eine Rückbesinnung auf Amerika und einen radikalen Abschied von der politischen Agenda Barack Obamas.
Tabubrüche waren und sind typisch für Trump. Er hetzte gegen Ausländer, verhöhnte Behinderte, sagte skandalöse Dinge über Frauen. „Ich könnte jemanden auf der Straße erschießen und würde trotzdem keinen einzigen Wähler verlieren“, sagte er einmal.
Trump, dem viele Affären nachgesagt wurden, ist zum dritten Mal verheiratet. Mit seiner ersten Frau Ivana hat er die Kinder Donald (39), Eric (33) und Ivanka (35). Die zweite Frau, Marla Maples, brachte die gemeinsame Tochter Tiffany (23) zur Welt. Mit seiner dritten Frau, dem aus Slowenien stammenden Model Melania, hat er den zehnjährigen Sohn Barron. Die Familie gehört für den Baulöwen zu den bei weitem wichtigsten Konstanten.
So weit, so harmonisch. Doch Mattis hat von Trump den ambitionierten Auftrag erhalten, binnen 30 Tagen eine Strategie gegen die Extremistenmiliz IS auszuarbeiten. Wie der neue Plan aussehen wird, lässt sich nicht abschätzen. Militärische Himmelfahrtskommandos sind mit Mattis, der Truppen im Irak und Afghanistan führte, wohl nicht zu erwarten. Gut möglich auch, dass seine Strategie nicht ganz so kriegerisch und global wird, wie Trumps Forderungen zunächst klangen. Vorstellbar ist aber, dass Mattis von den Nato-Partnern einen stärkeren Beitrag im neuen, wie auch immer gearteten Kampf der USA gegen den IS fordert. Denn Trump kritisierte die Militärallianz vor allem deshalb als überholt, weil sie nicht gegen den Terror gekämpft habe.
Forderungen nach Erhöhung des Wehretats reißen nicht ab
Forderungen nach einem größeren Beitrag im Kampf gegen den IS könnten auch die Deutschen treffen, von denen die USA seit langem ein stärkeres Engagement in Kampfeinsätzen verlangen. Deutschland scheue noch immer Einsätze, in denen Menschen erschossen und Ziele bombardiert würden, bemängeln US-Militärs. Sie hätten sich mehr davon versprochen, als die Bundesregierung 2014 ankündigte, militärisch mehr Verantwortung in der Welt übernehmen zu wollen. Mit der neuen US-Regierung könnte es für Deutschland nun zum Schwur kommen - sei es bei einem Einsatz gegen den IS oder anderswo.
Auch die Forderungen nach einer Erhöhung des Wehretats dürften nicht abreißen, obwohl Deutschland die Ausgaben zuletzt deutlich nach oben fuhr. Um das Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen, müsste von der Leyen die Investitionen in die Bundeswehr allerdings fast verdoppeln - auch für ein wirtschaftlich starkes Land ein Herkules-Akt, der einige Zeit brauchen dürfte.
So bekennt sich die Bundesregierung zwar seit der Ukraine-Krise mit einer neuen Ernsthaftigkeit zu dem Ziel, vermeidet es aber sorgfältig, einen Zeitrahmen zu nennen.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
Wie heftig die Forderungen der USA an Deutschland ausfallen werden, dürfte maßgeblich davon abhängen, wer den Kurs der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik bestimmt. Setzen sich Mattis und Außenminister Rex Tillerson mit ihren gemäßigteren Vorstellungen durch, wird die Bundesregierung wohl einen Kompromiss finden. Einiges spricht für diese Variante, zumal Trump Mattis in höchsten Tönen lobt und ihm bereits beim Thema Folter - die der ehemalige General im Gegensatz zu Trump ablehnt - das letzte Wort gelassen hat.
Im Kampf um die Deutungshoheit gegenüber dem Präsidenten hat Mattis jedoch etliche Rivalen in dessen engstem Zirkel, darunter den Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn und Trumps Chefstrategen Steve Bannon. Schwenkt der Präsident auf deren radikaleren Kurs ein, könnte Deutschland in schwierigeres Fahrwasser geraten. Wo die Reise für die USA hingehen wird, ist noch nicht absehbar. Erst Konturen des Richtungskampfes dürften sich am kommenden Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz abzeichnen, wo neben Mattis etliche weitere prominente US-Politiker erwartet werden.