Trump und Pence Washington im „Krieg gegen die Frauen“

Es war eine von Trumps ersten Amtshandlungen: Wer Abtreibungen auch nur erwähnt, bekommt kein Steuergeld mehr. Das konservative Washington will zurück in die Vergangenheit, auch gegen den Willen der eigenen Bürger.

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„Lasst unsere Bewegung bekannt sein für Liebe.“ Quelle: AP

San Francisco Mike Pence ist charmant. Er wirkt nicht aufgesetzt, mit einem gequälten Lächeln, wie sein Präsident Donald Trump. Er lacht offen und freundlich, ehrlich. Die Menge dankt es mit aufmunternden Rufen. Der Vizepräsident der USA malt in verbindlichem Ton, mit gesetzten Worten das freundliche Bild eines gewinnenden Amerika. Ein helles Amerika, mit Chancen für jedermann und triefend vor Nächstenliebe. Ein Amerika, das Abtreibung endgültig vom Angesicht der Erde tilgen wird.

Die Rollen sind gut verteilt im Weißen Haus. Trump hat die Aufgabe, knochentrocken mit einem Federstrich Familien und Kindern aus Krisengebieten die rettende Einreise in die USA zu verweigern, Immigranten auszuschließen und die Terrorangst zu schüren. Er ist der Law-and-Order-Präsident. Pence versöhnt. Er ruft in die jubelnde Menge in Washington „Leben gewinnt wieder in Amerika!“ Tausende konservative Teilnehmer hatten sich Freitag zum 44. „March of Life“ versammelt, um die Wiederauferstehung der Anti-Abtreibungsbewegung in den USA zu feiern.

Trump und vor allem der bibelfeste Pence sind mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, den Frauen das Recht über ihren Körper wieder wegzunehmen und der Religion und Parteimoral unterzuordnen. Für Pence, der sich extra die Zeit genommen hat, um an diesem kalten Morgen zu der Menge zu sprechen, ist das nicht der Fall. „Lasst unsere Bewegung bekannt sein für Liebe“, ruft der erste US-Vizepräsident, der jemals auf dieser Veranstaltung aufgetreten ist, „nicht für Wut. Wir wollen bekannt sein für Leidenschaft, nicht für Konfrontation.“

Doch so konziliant im Ton, so hart ist Pence in der Sache. Weltweit werden Frauen die harte Hand des Weißen Hauses zu spüren bekommen. Nicht nur die Finanzierung der einheimischen „Planned Parenthood“-Organisation, einer landesweit operierenden Kette von Beratungsstellen und Abtreibungskliniken, steht auf der Streichliste. Der Plan ist, weltweit konservativ-religiösen Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Als erstes wird in dem, was Kommentatoren in den USA den „Krieg gegen die Frauen“ bezeichnen, das sogenannte „Mexiko-Gesetz“ wieder in Kraft gesetzt.

Zuerst eingeführt von Ronald Reagan verbot es jegliche finanzielle Unterstützung von humanitären Organisationen weltweit, die praktisch das Wort „Abtreibung“ als Möglichkeit der Familienplanung auch nur erwähnen. Ein religiös getriebener Zwang, der vor allem in Ländern der Dritten Welt die Situationen der Frauen und ungewollt schwangeren Teenagern massiv verschärfte. Studien zeigen eine erhöhte Sterblichkeit von Schwangeren, wenn sie keinen legalen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen mehr bekommen und wieder auf dubiose Ärzte oder „Engelmacher“ angewiesen sind.

Daneben wird der Zugang zu bezahlbaren Verhütungsmitteln vor allem für arme Frauen und Jugendliche deutlich erschwert. In reichen Industrie- und Schwellenländern, die nicht auf amerikanische Finanzhilfe angewiesen waren, verharrten die Abtreibungszahlen dagegen auf ihrem Niveau, wenn das Gesetz in Kraft war.

Unter den Präsidenten Bush war es wieder aktiv, unter Obama war das Gesetz wieder aufgehoben. Eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Trump an seinem ersten Arbeitstag war nun die erneute Aktivierung. Diese Woche ist zudem die Einsetzung eines Richters für den obersten Gerichtshof angekündigt, der die „fundamentalen konservativen Werte“ Amerikas repräsentieren soll.

Das Ganze ist eingebettet in eine generelle Neuorganisation der Gesundheitsversorgung, die mit der Abschaffung der allgemeinen Krankenversicherung, auch „Obamacare“ genannt, gerade erst begonnen hat. Das Repräsentantenhaus hat vergangene Woche quasi nebenbei ein Gesetz verabschiedet, das jegliche Finanzierung von Abtreibungen oder Abtreibungsberatungen durch Steuergelder verbietet („H.R.7“).

Die New York Times berichtet zudem von einer neuen Präsidialorder Trumps, die in Kürze herausgegeben werden könnte. Sie geht wesentlich weiter als das alte Mexiko-Gesetz und soll allen UN-Organisationen die finanziellen Mittel entziehen, die Abtreibungen oder Sterilisation als Familienplanung erwähnen oder anbieten. Das wäre eine wesentliche Erweiterung und würde wiederum die ärmsten Staaten und Frauen treffen. Das Weiße Haus hat zu den Berichten keine Stellung genommen.

Dabei ist mehr als fraglich, ob wenigstens Amerika wirklich den Kurs von Trump, Pence und Teilen der konservativen Partei mittragen will. In einer Umfrage der Quinnipiac Universität sprach sich mit 62 Prozent die Mehrheit der Befragten dafür aus, die Finanzierung von „Planned Parenthood“ beizubehalten. Nur neun Prozent sprachen sich dafür aus, Schwangerschaftsabbrüche unter allen Umständen zu verbieten. Ein klarer Gegensatz zur offiziellen Politik von Weißem Haus und republikanischem Congress, die geschlossen hinter den Pländen stehen, die Macht über die Frauen wiederzuerlangen.

Das sollte durchaus ein Grund für Trump sein, seine Einstellung noch einmal zu überdenken. Nicht zuletzt, weil sich auch nur knapp 33 Prozent der Befragten zufrieden mit den Kandidaten zeigten, die Trump für seine Regierungsmannschaft ausgewählt hat. 45 Prozent sind der Meinung, er hat die Falschen ausgewählt. Stürmische Zeiten kündigen sich an.

Und internationaler Widerstand gleich mit: Die Niederlande haben nach Informationen des britischen „Guardian“ bereits einen Fonds angekündigt, der weltweit die Lücke von rund 600 Millionen Dollar schließen soll, die der Rückzug der USA hinterlassen wird. Damit sollen Nichtregierungs-Organisationen vor allem in der dritten Welt in die Lage versetzt werden, weiterhin ihre Türen offenzuhalten. Rund 20 Länder sollen ihre Bereitschaft signalisiert haben, mitzumachen, sagte die niederländische Entwicklungsministerin Lilianne Ploumen. Ein Weg, den Einfluss der USA in der Welt weiter einzudämmen. Und zur Not können dann irgendwann auch amerikanische Frauen nach Afrika oder auch nach Mexiko reisen.

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