Trumps neuer Stabschef Kelly Himmelfahrtskommando im Weißen Haus

Das Amt als Stabschef unter Donald Trump ist ein Abenteuer, das nur übel enden kann. Denn weder der US-Präsident noch die Republikaner haben Konzepte. Und wo kein Konzept ist, kann auch niemand führen. Ein Kommentar.

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Der hochdekorierte General übernimmt einen schwierigen Job. Quelle: Reuters

New York John Kelly war gewarnt. Sein Vorgänger als Stabschef im Weißen Haus, Reince Priebus, bekam außer einem Dankeschön per Twitter kurz nach seinem Rauswurf keine Belohnung dafür, einen beinahe unmöglichen Job ein paar Monate lang wenigstens versucht zu haben. Sean Spicer, der kürzlich gefeuerte Pressemann von US-Präsident Donald Trump, kann jetzt vielleicht ein Buch über seine Monate im Amt schreiben. Ansonsten wurde seine Loyalität, die bis zur Verbiegung des moralischen Rückgrats führte, ebenfalls nicht belohnt. Und Jeff Sessions, der Justizminister, muss jetzt entscheiden, ob er nach den täglichen Beschimpfungen durch Trump von alleine geht oder abwartet, bis er ebenfalls gefeuert wird.

Es ist ein Himmelfahrtskommando, für Trump zu arbeiten. Er verlangt absolute Loyalität, aber selbst diese Loyalität schützt nicht vor einem Rauswurf. Das zeigt das Beispiel Spicer. Er interessiert sich nicht dafür, ob jemand an Regeln gebunden ist, wie der Justizminister, als der sich von Ermittlungen wegen unsauberen Russland-Kontakten aus dem Spiel genommen hat. Er sieht nicht seine eigenen Fehler, wenn nichts funktioniert, sondern braucht jemanden, den er dafür feuern kann. Das zeigt das Beispiel Priebus.

Warum also hat John Kelly, ein altgedienter, hochdekorierter General, der einen Sohn bei einem Militäreinsatz verloren hat, sich breitschlagen lassen, dieses Amt als Stabschef zu übernehmen und seinen Kabinettsposten als Chef der inneren Sicherheit aufzugeben? Aus Pflichtbewusstsein seinem Land gegenüber? Das wäre ein Irrtum. Im Weißen Haus unter Trump zählt die Loyalität zum Präsidenten, nicht zu den USA. Aus Loyalität Trump gegenüber? Dafür kann er sich nichts kaufen, wenn Trump mit ihm unzufrieden ist. Weil er glaubt, es besser zu können als sein Vorgänger? Das wäre eine schwere Verkennung der tatsächlichen Gründe dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Weißen Haus und den Republikanern im Kongress so schlecht funktioniert hat.

Priebus war einer der wenigen Leute im Weißen Haus mit politischer Erfahrung. Sein Job war es, Kontakte zu republikanischen Politikern zu unterhalten und dafür zu sorgen, dass es politisch vorwärts geht. Den Erfolg ist er schuldig geblieben. Jetzt glaubt Trump offenbar, dass Politik ganz ohne politische Erfahrung besser funktioniert. Er lobt Kellys Führungsstärke. Aber Kelly ist ein General. Und Generäle können nur führen, wenn sie wissen, was das Ziel ist – das zeigt sich in jedem Krieg und ist oft ein entscheidender Grund für das Scheitern militärischer Einsätze.

Das eigentliche Problem im Weißen Haus sitzt im Chefsessel und ist daher nicht lösbar. Deswegen ist der Job des Stabschefs ein Himmelfahrtskommando – ein Abenteuer, das nur übel enden kann. Weder Trump noch die Republikaner im Parlament haben Konzepte. Wo kein Konzept ist, kann auch niemand führen.

In der Gesundheitspolitik sind die Republikaner sich nicht einmal über die grundlegende ethische Frage einig, ob arme Leute das Recht auf eine anständige medizinische Versorgung haben. So lange das nicht geklärt ist, wird es kein klares Konzept geben. Hinzu kommt, dass die Republikaner bis auf wenige Ausnahmen nicht verstehen wollen, dass Krankenversicherung nur funktionieren kann, wenn sich möglichst viele Gesunde versichern. Ohne Einigung über die Grundlagen und ohne Verständnis für die Funktionsweise lässt sich kein System sanieren.

In der Steuerpolitik hat Trump ein Konzept, das zu viel zu hohen Schulden führen würde. Die Republikaner hatten ein Konzept, das eine Kopfgeburt war und nie eine echte Chance hatte. Immerhin: Wenn Kelly Glück hat, lassen die Republikaner die Gesundheitsreform links liegen und reden über die Steuerreform. Das ist zwar schwierig genug, aber vielleicht doch etwas leichter.

Glück kann Kelly auch haben, wenn es um die Auflagen für Banken geht. Die Vorschläge, die Finanzminister Stephen Mnuchin hierzu gemacht, müssen nicht jedem gefallen. Aber sie sind auch kein Unsinn und nicht völlig unpraktikabel.

Kelly kann also Glück haben, dass er etwas weiter kommt in seinem Job als sein Vorgänger. Aber die Grundprobleme, die Zerstrittenheit der Republikaner untereinander, die Konzeptlosigkeit seines Präsidenten und dessen Versuche, per Twitter zu regieren, sind nicht verschwunden – und auch mit Führungsstärke nicht zu lösen.

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