Neil Gorsuch, der Wunschkandidat von US-Präsident Donald Trump für den vakanten Posten am Obersten Gerichtshof, hat bei seiner Bestätigungsanhörung einige unerwartete Spitzen gegen Trump verlauten lassen. Er habe Trump keine Versprechen dazu gemacht, wie er bei umstrittenen Themen wie Abtreibung abstimmen würde, betonte Gorsuch bei einer Bestätigungsanhörung vor dem Justizausschuss. Als Richter habe er kein Problem damit, jeden zur Rechenschaft zu ziehen - auch nicht den Präsidenten, der ihn ausgesucht habe.
Zudem kritisierte er erstmals öffentlich die Verbalattacken Trumps gegen einen Bundesrichter. Die Zweifel an der Ehrlichkeit, der Integrität und der Beweggründe von Bundesrichtern sei „entmutigend“ und „demoralisierend“, sagte Gorsuch bei einer Bestätigungsanhörung . „Ich kenne diese Menschen und ich weiß, wie anständig sie sind.“
Trump hatte im Februar den Richter, der das erste Einreiseverbot der US-Regierung außer Kraft gesetzt hatte, James Robart, auf Twitter als „sogenannten Richter“ bezeichnet. Gorsuch hatte dies bereits zuvor in einem privaten Treffen mit dem demokratischen Senator Richard Blumenthal kritisiert. Er hatte es bisher aber nie öffentlich kommentiert.
Wie die Richterposten am Supreme Court besetzt werden
Seit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika hat der Senat 124 Richter für den Obersten Gerichtshof bestätigt. Der 49-jährige Neil Gorsuch soll nun auf Wunsch von US-Präsident Donald Trump das neueste Mitglied in der relativ kleinen Gruppe von neun Männern und Frauen werden, die die Justiz der Nation leitet.
Der Bestätigungsprozess heutzutage ist mühsam, mit Dutzenden Eins-zu-Eins-Gesprächen zwischen den Kandidaten und Senatoren in den vergangenen Wochen und einer Anhörung, die am (heutigen) Montag mit Eröffnungserklärungen beginnt. Am Dienstag und Mittwoch wird Gorsuch vor dem Senat befragt, andere Zeugen sind am Donnerstag vorgesehen. Die eigentliche Abstimmung über seine Ernennung dürfte dann Anfang April erfolgen.
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Nur mit wenigen Worten regelt die Verfassung die Entscheidung: Sie stellt fest, dass der Präsident den Kandidaten „mit dem Rat und der Zustimmung des Senats“ nominieren soll. Die Vorschriften und Traditionen des Gremiums regeln den Rest. Präsident Donald Trump nominierte den in Denver ansässigen Gorsuch, der derzeit am zehnten Bundesberufungsgericht als Richter arbeitet. Mit der Bekanntgabe am 31. Januar setzte Trump das Bestätigungsverfahren in Gang.
Seitdem hat Gorsuch sich mit 72 von 100 Senatoren getroffen und an von der Trump-Regierung gestalteten, intensiven Probebefragungen teilgenommen, die ihm die eigentliche Anhörung erleichtern sollen. Am Montag muss Gorsuch nun zunächst jeweils zehnminütige Ansprachen von den 20 Mitgliedern des Justizausschusses hören, was insgesamt mehrere Stunden dauern wird. Danach wird er schließlich eine Rede halten - ebenfalls zehn Minuten lang.
In früheren Anhörungen haben die Fragen auf die Qualifikation des Kandidaten, seine Entscheidungen als Richter, politische Standpunkte, Interpretationen der Verfassung und allgemeine juristische Richtlinien sowie aktuelle Kontroversen abgezielt. Das Risiko ist bei jeder Richterwahl hoch, besonders aber jetzt, da eine Bestätigung Gorsuchs einen Vorteil für die Konservativen am Supreme Court sichern würde. Er selbst wird dem Dilemma ausgesetzt sein, das bereits viele vor ihm ertragen mussten: Wie soll man klar und präzise auf Fragen antworten, ohne seine Meinung zu Themen zu äußern, die vor Gericht landen oder ihm politischen Ärger einhandeln könnten? Demokraten dürften versuchen, ihn zu provozieren, falls er sich zurückhaltend gibt. Der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kritisierte Gorsuch bereits für sein Verhalten bei ihrem Eins-zu-Eins-Treffen: Er habe ausweichend auf die Frage geantwortet, ob Trumps Einreiseverbot verfassungsgemäß sei.
Am Donnerstag, dem vierten und letzten Tag der Anhörung, kommen Zeugen von außen zu Wort - für gewöhnlich frühere Kollegen und Interessensvertretungen, die für oder gegen den Kandidaten aussagen. In der Vergangenheit war einer der ersten Zeugen oft ein Vertreter des amerikanischen Verbands von Rechtsanwälten und Richtern, ABA. Die Gruppe hat Gorsuch bereits eine einstimmige Empfehlung gegeben.
Traditionell ist vorgesehen, dass der Justizausschuss des Senats die Abstimmung an den Senat weitergibt, auch wenn er zuvor mehrheitlich gegen den Kandidaten gestimmt hat. Damit soll der gesamte Senat die abschließende Entscheidung treffen. Statt den Kandidaten also zu billigen oder abzulehnen, verweist der Ausschuss lediglich mit einer positiven Empfehlung, einer Negativ-Empfehlung oder neutral - ohne Empfehlung - weiter. Von den vergangenen 15 Kandidaten wurden 13 mit Empfehlung zur Abstimmung an den Senat weitergegeben. Robert Bork, dessen Nominierung später durch den Senat abgelehnt wurde, bekam 1987 eine Negativ-Empfehlung. Clarence Thomas, der sich im Bestätigungsprozess 1991 durchsetzte, war zuvor ohne Empfehlung vom Ausschuss an den Senat gereicht worden. In dem von Republikanern dominierten Ausschuss dürfte Gorsuch empfohlen werden.
Der Senat dürfte Gorsuch eigentlich mit mehr als der Hälfte aller Stimmen unterstützen, doch bei der Abstimmung werden mehrere taktische Manöver nötig sein. Einige Demokraten haben nämlich bereits angekündigt, das Verfahren durch lange Debattenbeiträge - so genannten Filibuster - verzögern und damit aufschieben zu wollen. Dies kann der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, nur verhindern, wenn er 60 Stimmen findet, die dagegen votieren - damit die Abstimmung fortgesetzt und abgeschlossen werden kann. Da die Republikaner nur eine Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen im Senat haben, müssten mindestens acht Demokraten und Unabhängige mit ihnen stimmen. Es ist unklar, ob die Republikaner dies erreichen. Was im Umkehrschluss heißt: Die Demokraten hätten tatsächlich die Fähigkeit, die Abstimmung zu blockieren. Dann könnte McConnell als weitere Option eine Abstimmung darüber abhalten, ob die Zahl der benötigten Stimmen für eine Bestätigung Gorsuchs auf eine einfache Mehrheit (51 Stimmen) herabgesenkt wird. Der frühere demokratische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Harry Reid, machte 2013 etwas Ähnliches, um eine Nominierung für eine niedrigere Gerichtsinstanz durchzusetzen. McConnell sah diesen Schritt extrem kritisch, doch könnte er ihn nun vielleicht selbst als notwendig erachten, wenn es seine letzte Möglichkeit wäre, Gorsuch zum Richter des Supreme Courts zu machen.
Ist der Senat einmal durch die formellen Abstimmungen durch, kann er Gorsuch mit einfacher Mehrheit für den Posten bestätigen. In jüngeren Jahren saßen die Senatoren bei der Abstimmung für den Supreme Court an ihren Tischen und erhoben sich jeweils einzeln für ihr Votum. Über die Jahre hinweg ist dieses immer parteiischer ausgefallen: Die letzte einstimmige Wahl von Republikanern und Demokraten gab es 1987 für Richter Anthony Kennedy.
Gorsuch sagte zudem, er und Trump hätten das Thema Abtreibung bei einem Gespräch vor der Nominierung diskutiert. Dabei sei es aber nur darum gegangen, wie stark umstritten es sei. Viele Fragen drehten sich darum, wie Gorsuch zu Schwangerschaftsabbrüchen steht. Trump hatte vor der Nominierung eines Richters angekündigt, er werde Richter aussuchen, die Abtreibungen durchweg ablehnen.
Zu dem nun zum zweiten Mal vorerst außer Kraft gesetzten Einreiseverbot der Trump-Regierung für Bürger aus mehreren mehrheitlich muslimischen Ländern äußerte sich Gorsuch nicht. Zu einer Positionierung zur Frage gedrängt, ob Trump Folter als Verhörmethode seines Landes wiedereinführen könnte, sagte er: „Niemand steht über dem Gesetz.“
Der Justizausschuss entscheidet bei Nominierungen für den Obersten Gerichtshof traditionell darüber, ob er den Kandidaten empfiehlt oder nicht. Die endgültige Entscheidung liegt dann beim kompletten Senat. Republikaner haben erklärt, dass sie Gorsuch gerne vor einer zweiwöchigen Pause des Kongresses am 7. April bestätigt sähen. Die Anhörung Gorsuchs ist auf vier Tage angesetzt.
Sollte Gorsuch bestätigt werden, würde er den Posten des im Februar 2016 verstorbenen Richters Antonin Scalia einnehmen. Die höchsten Richter werden praktisch auf Lebenszeit berufen, weshalb der frühere US-Präsident Barack Obama noch vor dem Ende seiner Amtszeit einen Nachfolger für den konservativen Scalia einsetzen wollte. Das hätte die politische Ausrichtung des höchsten US-Gerichts vermutlich auf Jahrzehnte hinaus beeinflusst.
Die mehrheitsführenden Republikaner hatten das damals verhindert, was den Demokraten bis heute sauer aufstößt. Allerdings sind sie sich uneins, wie sehr sie die Bestätigung Gorsuchs bekämpfen sollen.