Tschetscheniens Präsident versus Opposition Putins bester Freund

Er droht, er ätzt, er wütet: Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow wettert gegen Russlands Opposition – auch sein Gönner Putin schaltet sich ein. Dass der wochenlange Schlagabtausch jetzt eskaliert, ist kein Zufall.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Beginn eines eskalierenden Streits: Kadyrow wirft der außerparlamentarischen Opposition vor, die Wirtschaftskrise in Russland zu nutzen, um Wladimir Putins Politik zu kritisieren. Quelle: Imago

Moskau Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow erweist sich als treuer Unterstützer von Kremlchef Wladimir Putin – und teilt massiv gegen Russlands Opposition aus. Kadyrow hatte sich am Vorabend des „Tags der russischen Presse“ bei Journalisten in Grosny beklagt, dass die außerparlamentarische Opposition versuche, die Wirtschaftskrise in Russland zu nutzen, um Putins Politik zu kritisieren.

Derartige Oppositionelle seien als „Verräter und Volksfeinde“ zu behandeln, resümierte der Tschetschenen-Führer. Aus der Geschichte wissen die Russen, wie so eine Behandlung aussah: In der Stalin-Ära wurden „Volksfeinde“ standrechtlich erschossen. Die Opposition nahm die Äußerung daher als Drohung wahr und ging auf die Barrikaden. Doch Kadyrow legte nach: Er bot an, die „Psychosen“ der Kreml-Gegner in tschetschenischen Heimen mit Injektionen zu behandeln.

Kadyrow wurde von 2007 von Putin als tschetschenischer Präsident eingesetzt und regiert seitdem mit harter Hand. Menschenrechtler werfen ihm vor, für Folter, Morde und Korruption verantwortlich zu sein.

Bürgerrechtler forderten Kadyrows Ablösung, die russische Menschenrechtsbeauftragte Ella Pamfilowa kritisierte Kadyrows Wortwahl und ein oppositioneller Abgeordneter des Petersburger Parlaments klagte bei der Staatsanwaltschaft, weil er in der Äußerung einen Verfassungsbruch sah.

Die heftigste Reaktion kam jedoch aus Sibirien: Konstantin Sentschenko, Stadtratsmitglied von Krasnojarsk, fühlte sich persönlich verunglimpft und schoss verbal zurück. Er bezeichnete Kadyrow auf seiner Facebook-Seite als „Schande Russlands“. Der Statthalter in Grosny lasse sich als „Held Russlands“ und Mitglied der Akademie feiern, obwohl er einst gegen Russland kämpfte und nur drei Jahre Schulbildung besitze, wetterte Sentschenko.

Der Lokalpolitiker musste allerdings bald zurückrudern: Schon tags darauf entschuldigte sich der eingeschüchterte Sentschenko für seinen Ausfall. Er habe nicht gewusst, wie groß Kadyrows Autorität in Tschetschenien sei, räumte er ein, nachdem er einen Anruf von einer „sehr ehrenwerten Person“ bekam.

Derweil ging in Tschetschenien die Kampagne erst richtig los: Während Kadyrow die Entschuldigung „großzügig“ akzeptierte und zur Abschreckung und Erniedrigung auf seinem Account veröffentlichte, starteten seine Gefolgsleute den Twitter-Hashtag #KadyrowStolzRusslands. Der tschetschenische Duma-Abgeordnete Schamsail Saralijew forderte Pamfilowa brüsk auf, zur Beruhigung „Baldrian zu trinken“ und sich bei Kadyrow zu entschuldigen, was sie allerdings im Gegensatz zu Sentschenko ablehnte.


Ein Fraß für Kadyrows Hund

Tschetscheniens Parlamentschef Magomed Daudow verglich liberale Oppositionelle, Bürgerrechtler und Journalisten gar mit Straßenkötern und drohte ihnen, sie von Kadyrows Schäferhund „Tarzan“ zerfleischen zu lassen. Vor dem Kreml posierte dann auch noch Kadyrows engster Vertrauter Adam Delimchanow mit elf anderen Tschetschenen und schrie „Russland! Ramsan – die Stütze Russlands Allah Akbar“ in die Kamera. Als Standort für die Aufnahme hatten sich die Tschetschenen ausgerechnet den Ort ausgesucht, wo vor knapp einem Jahr der Kremlkritiker Boris Nemzow erschossen worden war.

Alexej Wenediktow, Chefredakteur bei Echo Moskaus, verbindet die Drohungen Kadyrows und seiner Getreuen daher auch mit den Untersuchungen des Nemzow-Mords. Die Spuren in dem Fall führen nach Tschetschenien in die direkte Umgebung Kadyrows. Bisher hat sich die Führung in Grosny aber lästigen Befragungen widersetzen können.

Auch im neuen Skandal drohen Kadyrow keine Konsequenzen, weshalb er nochmals gegen seine Feinde stichelte: Seine Äußerungen seien keine Drohungen gewesen. Wer sie so verstanden habe, gehöre ins Irrenhaus, er habe noch Gummizellen frei, ätzte er. „Mit Spritzen werden wir nicht geizen. Wo eine Injektion verschrieben ist, können wir zwei verabreichen“, sagte er.

Der Kreml gab Kadyrow Rückendeckung. Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte, die Lage nicht „weiter anzuheizen, sondern das Gesagte in Ruhe durchzulesen“. Putin sei im ständigen Dialog auch mit der Opposition. Wer Kadyrow aufmerksam zuhöre, verstehe, dass der Tschetschenen-Führer mit seiner Kritik diejenigen gemeint habe, die sich „außerhalb des legitimen politischen Feldes aufhalten“ – und diese Personen gefährdeten ja in der Tat die Sicherheit des Landes und dessen Aufblühen.

Damit bestätigte Peskow ein altes Kadyrow-Zitat: „Solange Putin mich unterstützt, kann ich machen, was ich will“, sagte der Tschetschenen-Chef schon vor Jahren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%