TTIP-Verhandlungen Greenpeace warnt vor Freihandelsabkommen

Die Umweltschutzorganisation veröffentlicht geheime Dokumente zu TTIP. Daraus gehe hervor, dass europäische Umwelt- und Verbraucherschutzstandards sogar rückwirkend gekippt werden könnten, warnt Greenpeace.

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Die Verhandlungen über TTIP könnten durch die Veröffentlichung geheimer Dokumente einen Rückschlag erleiden. (Archivbild) Quelle: AFP

Berlin Greenpeace warnt die Öffentlichkeit – und bezichtigt die Politik indirekt der Lüge. Das Freihandelsabkommen TTIP könne „bestehende Standards und Regularien zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern kippen“, erklärte die Umweltschutzorganisation am Montag in einer Pressemitteilung. Dies sei aus den von Greenpeace Niederlande veröffentlichten Verhandlungstexten abzuleiten. Bundesregierung und EU-Kommission hätten diese Gefahr bisher bestritten.

Die USA plädierten für Mechanismen, „um etwa auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln oder Regeln zu Erneuerbaren Energien als Handelshemmnis einzustufen“. In der Pressemitteilung von Greenpeace steht weiter: „Im Kapitel zur regulatorischen Kooperation fordern die USA, dass Regularien, die den Handel hemmen, auch nachträglich zurück genommen werden dürfen.“

Die US-Seite werte etwa das europäische Verfahren zur Zulassung von Chemikalien (REACH) als Handelshemmnis. Setzten sich die USA mit ihren Forderungen durch, „könnten Maßnahmen zur Umsetzung von REACH auch rückwirkend durch TTIP ausgehebelt werden.“ Das Verfahren REACH ist 2007 in Kraft getreten und hat laut Greenpeace die Zulassung von mehreren Tausend gefährlichen Chemikalien verhindert.

„Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann. Dieses Geheimabkommen muss gestoppt werden“, fordert Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch.

Schon am Sonntagabend hatten Medien über die Greenpeace-Dokumente berichtet. „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR berichteten, aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente gehe hervor, dass die US-Regierung Europa bei den Verhandlungen deutlich stärker unter Druck setze als bisher bekannt. Greenpeace hatte den Medien insgesamt 240 Seiten zur Verfügung gestellt.

Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen hätten demnach bestätigt, dass es sich bei den vorliegenden Dokumenten um aktuelle Papiere handelt. Nach Angaben der französischen Zeitung „Le Monde“ stammen zumindest einige der Dokumente aus dem März. Greenpeace berichtete vorab, die Unterlagen zeigten, dass Europa durch das Abkommen deutlich schwächere Umweltstandards drohten.


Washington ist bei umstrittenen Schiedsgerichten hart

Das bislang in Europa geltende Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind, drohe durch das in den USA angewandte Risikoprinzip ersetzt zu werden, heißt es in den Medienberichten zu den Greenpeace-Dokumenten. Dadurch dürften in Europa auch umstrittene und bislang in vielen Ländern nicht zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel so lange angebaut und konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen sei. Unklar ist derzeit, ob dabei nur Forderungen oder der Stand der Verhandlungen wiedergegeben werden.

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ droht Washington damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Die Dokumente offenbaren den Angaben zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.

Die EU und die USA verhandeln seit Mitte 2013 über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP). Umwelt- und Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Sozialverbände befürchten eine Angleichung von Standards auf geringerem Niveau.

Die Verhandlungen sind geheim, allerdings muss die EU-Kommission am Schluss ein Ergebnis vorlegen, dass mehrheitsfähig ist. Wenn das EU-Parlament und die Regierungen in den EU-Mitgliedstaaten ihm nicht zustimmen, wird es kein Freihandelsabkommen mit den USA geben. Zudem gilt es als sicher, dass TTIP auch dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird.

Mit der Veröffentlichung der TTIP-Unterlagen würden die Bürger erstmals ungefiltert Einblick in die Verhandlungen zwischen USA und Europa erhalten, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA auf Geheimhaltung ihrer Positionen.

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten bei ihrem Treffen in Hannover am Sonntag vergangener Woche zur Eile bei den TTIP-Verhandlungen gemahnt. Merkel betonte, das Freihandelsabkommen sei aus europäischer Perspektive sehr wichtig für das Wirtschaftswachstum in Europa.

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