Türkei Akademiker dürfen das Land nicht mehr verlassen

Nachdem bereits Tausende Lehrer und Professoren ihren Job verloren haben, hat Ankara am Mittwoch ein Ausreiseverbot für Akademiker verhängt. Wer im Internet Kritik an Erdogan übt, muss mit Besuch der Polizei rechnen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei hat das Bildungsministerium landesweit 15.200 Staatsbedienstete aus seinem Verantwortungsbereich vom Dienst suspendiert. Quelle: dpa

Istanbul Nach dem gescheiterten Militärputsch hat die Türkei allen Akademikern bis auf weiteres die Ausreise verboten. Aus Behördenkreisen verlautete am Mittwoch zu einem entsprechenden Bericht des amtlichen Senders TRT, es handele sich um eine vorübergehende Maßnahme. Damit solle verhindert werden, dass mutmaßliche Mitverschwörer an Universitäten ins Ausland fliehen könnten. Akademiker hätten bei Militärputschen in der Türkei schon immer eine Schlüsselrolle gespielt. TRT zufolge waren allein an der Universität Istanbul 95 Wissenschaftler betroffen.

Die Hochschulverwaltung hatte am Dienstag die Demission von 1577 Dekanen an allen Universitäten des Landes angeordnet. Seit dem Putschversuch am Freitag hat die Regierung etwa 50.000 Soldaten, Polizisten, Richter und Lehrer festgenommen oder suspendiert. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht für den gescheiterten Putsch Anhänger des Predigers Fethullah Gülen verantwortlich. Gülen, der im selbstgewählten Exil in den USA lebt, hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Am Mittwoch berät Erdogan das weitere Vorgehen mit dem nationalen Sicherheitsrat. Dabei würden wichtige Entscheidungen getroffen, hat er angekündigt.

Gegner des türkischen Präsidenten müssen dieser Tage bei entsprechenden Einträgen in sozialen Medien mit Besuch der Polizei rechnen. In mehreren türkischen Städten seien sieben Personen festgenommen worden, die entweder den Putschversuch gelobt oder Erdogan kritisiert hatten. Dies meldete unter anderem „CNN Türk“ in der Nacht zum Mittwoch.

Den Festgenommenen werde unter anderem vorgeworfen, mit Einträgen in sozialen Medien „die verfassungsmäßige Ordnung gestört“, „Kriminelle gelobt“ oder Erdogan beleidigt zu haben. Die Zeitung „Cumhuriyet“ berichtete, dass im nordwesttürkischen Tekirdag ein 18-Jähriger nach angeblicher Beleidigung des Präsidenten verhaftet worden sei.

Nach dem Putschversuch hatte die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu von einer Aufforderung der Polizeidirektion Ankara berichtet, Profile zu melden, die „terroristische Aktivitäten“ unterstützten und „schwarze Propaganda“ betrieben. Bürgern wurde empfohlen, Screenshots (Bildschirmfotos) anzufertigen und die Profilinformationen der verdächtigen Nutzer weiterzugeben. Unklar war, ob die jüngsten Festnahmen auf die erbetenen „Meldungen“ zurückzuführen sind.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%