Türkei Die nächste Entlassungswelle

Schluss mit Wikipedia und Dating-Shows: Die Türkei schränkt Internetnutzer und TV-Zuschauer ein. Außerdem werden erneut Tausende Staatsmitarbeiter entlassen. Kritiker sprechen von Zensur.

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Etwa zwei Wochen nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei hat es eine erneute Entlassungswelle bei Staatsbediensteten gegeben. Quelle: dpa

Istanbul Mit einer neuen Verordnung hat die Türkei mehr als 4000 Mitarbeiter aus dem Staatsdienst entlassen. Darunter sind fast 500 Akademiker und mehr als 1000 Mitarbeiter des türkischen Militärs, wie am Samstagabend aus dem offiziellen Amtsblatt der Türkei hervorging. 236 Menschen durften ihre Arbeit demnach wieder aufnehmen. Mit einem zweiten Erlass wurden unter anderem TV- und Radiosendungen zur Partnersuche vorläufig gesperrt. Die Shows mit zuletzt hohen Einschaltquoten hatten bereits länger für Aufruhr gesorgt.

In Petitionen etwa war verlangt worden, dass die Sendungen blockiert werden. Politiker aller Parteien hatten den schlechten Einfluss der Shows auf Familien kritisiert. Der stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmus erklärte, die Aufzeichnungen ständen im Gegensatz zu türkischen Sitten und der Religion. Unter anderem wurden die Sendungen nun mit Kennzeichen zur Altersfreigabe versehen, um den Schutz von Kindern zu garantieren. Ohne die Bewertungssymbole dürfen die Shows künftig nicht mehr ausgestrahlt werden.

Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, dass türkischen Internetnutzern der Zugang zur Online-Enzyklopädie Wikipedia verweigert worden sei. Grund sei, dass die Türkei auf der Plattform mit Terrororganisationen gleichgesetzt worden sei und dass Wikipedia solche Formulierungen nicht gelöscht habe, hieß es in einer Erklärung des zuständigen Ministeriums, aus der Anadolu zitierte. Die Seite sei damit Teil einer „Hetzkampagne gegen die Türkei auf der internationalen Bühne“.

Die türkische Telekommunikationsbehörde BTK gab in einer Erklärung keine genauen Gründe für die Sperre bekannt. Sie teilte mit, es handle sich um eine Schutzmaßnahme, um mutmaßliche Internetverbrechen zu verhindern.

Kritiker sprachen von Zensur. Auch Wikipedia-Gründer Jimmy Wales schrieb auf Twitter: „Zugang zu Information ist ein grundlegendes Menschenrecht. Türkisches Volk, ich werde immer zu euch stehen, um für dieses Recht zu kämpfen.“

Die türkische Regierung soll die Betreiber von Wikipedia aufgefordert haben, ein Büro im Land zu eröffnen und sich an geltendes Recht zu halten. Wenn diese Forderungen erfüllt seien, werde die Sperre wieder aufgehoben.

Seit dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Sommer hat die Türkei den Ausnahmezustand verhängt, der der Regierung erlaubt, mit Anordnungen zu regieren. Mehr als 47.000 Menschen wurden seither festgenommen, 100.000 müssten ihre Behördenposten räumen, weil sie mutmaßlich in Verbindung mit Terrororganisationen stehen sollen.

Die Türkei macht den im Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich, dieser weist die Vorwürfe zurück.

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