Türkei-Wahlen Özdemir vergleicht Erdogan mit Putin

Vor der Wahl in der Türkei übt Grünen-Chef Özdemir harsche Kritik an Präsident Erdogan. Der türkische Staatschef gehe mit der „Abrissbirne“ gegen die Demokratie vor – und trage „putineske Züge“.

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Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat den türkischen Präsidenten Erdogan scharf kritisiert und ihn mit dem russischen Präsidenten Putin verglichen. Beide gingen demokratische Institutionen mit der „Abrissbirne“ vor. Quelle: ap

Berlin Vor der Parlamentswahl in der Türkei hat Grünen-Chef Cem Özdemir den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin verglichen. „Erdogan verwandelt sich zunehmend zu einem autoritären Herrscher mit putinesken Zügen“, sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. Erdogans Türkei erinnere ihn inzwischen an „Putins Russland“. Gegen demokratische Institutionen gehe das türkische Staatsoberhaupt mit der „Abrissbirne“ vor.

Özdemir kritisierte, dass Erdogan vor der Wahl am 7. Juni offen die Opposition angreife und damit aktiv Wahlkampf betreibe. „Von richtig fairen Ausgangsbedingungen kann man da nicht wirklich sprechen.“ Nach der türkischen Verfassung ist der Präsident zur Neutralität verpflichtet. Erdogan wirbt aber immer wieder indirekt für die Wahl der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. An diesem Samstag ist ein gemeinsamer Auftritt Erdogans mit dem Ministerpräsidenten und AKP-Chef Ahmet Davutoglu in Istanbul geplant.

EU-Minister Volkan Bozkir wies am Freitag Vorwürfe zurück, Erdogan würde sich verfassungswidrig in den Wahlkampf einmischen. „Auch im Wahlkampf hat er alles Recht dazu, zum Volk zu sprechen, das ihn als Präsidenten gewählt hat“, sagte der AKP-Politiker am Freitag in Istanbul bei einem Treffen mit ausländischen Korrespondenten. Erdogan habe bereits beim Präsidentenwahlkampf im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass er sich nicht auf protokollarische Aufgaben beschränken werde.

Özdemir sagte, Erdogans Verhalten lasse erahnen, was der Türkei drohe, wenn die AKP ausreichend Sitze für eine Verfassungsänderung erhalte. Dann will die AKP ein Präsidialsystem mit Erdogan an der Spitze einführen. „Das, was sich Präsident Erdogan vorstellt, hätte mit einer präsidialen Demokratie, wie wir sie aus den USA oder Frankreich kennen, nicht mehr viel gemein“, sagte Özdemir.

Die Grünen haben Türken in Deutschland zur Wahl der pro-kurdischen HDP aufgerufen. Sollte die HDP die Zehnprozenthürde überwinden, dürfte eine verfassungsändernde Mehrheit für die AKP kaum realistisch sein. „Einzug und Nicht-Einzug der HDP wird über den weiteren Verlauf der Türkei entscheiden. Aber eben auch darüber, welche Stellung Erdogan und die AKP künftig noch haben“, sagte Özdemir.

Das Ergebnis der Wahl sei auch für Deutschland von hoher Bedeutung, sagte der Grünen-Chef. „Eine positive, demokratische Entwicklung der Türkei hat natürlich auch einen Einfluss auf das Zusammenleben hier von Menschen türkischer Herkunft und der Mehrheitsgesellschaft.“ Noch bis Sonntag können rund 1,4 Millionen türkische Staatsangehörige in Deutschland ihre Stimme abgeben.

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