TV-Duell zur Wahl Keiner wird gewinnen

Zum Abschluss der Schlammschlacht in Österreich versuchen sich die Wahlkämpfer in der Elefantenrunde des ORF mit gespielter Höflichkeit. Die Alpenrepublik steht vor einem Rechtsrutsch.

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Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) (l-r) und der ÖVP-Chef Sebastian Kurz beim ORF. Quelle: dpa

Wien Die Sehnsucht nach einem Ende des Wahlkampfs in Österreich stand den fünf Spitzenkandidaten ins Gesicht geschrieben. „Diesen Wahlkampf hätten wir uns sparen können“, sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) gleich zum Auftakt der Elefantenrunde im ORF am Donnerstagabend – dem Höhepunkt des Wahlkampfes vor dem Urnengang am Sonntag. Tatsächlich haben die Kandidaten einen Marathon im Fernsehen hinter sich. Rund 50 Duelle und Runden haben die Parteichefs in den vergangenen Wochen hinter sich gebracht.

Zum Abschluss des schmutzigsten Wahlkampfes seit Jahrzehnten haben sich alle Kandidaten mit ausgesuchter Höflichkeit geübt. Der liberale Parteichef Matthias Strolz lieh dem rechtspopulistischen Konkurrenten, FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache, seinen Kugelschreiber. Kanzler Kern und sein Herausforderer Sebastian Kurz unterbrachen niemanden und gaben sich als gute, freundliche Zuhörer, selbst wenn die farblose Grünen-Chefin Ursula Lunacek ihre Geduld herausforderte. Und natürlich gab es Versprechen über Versprechen: Kern will die Vollbeschäftigung und Kurz das Sozialsystem sichern. FPÖ verlangt die Zuwanderungswende, die Neos die Bildungswende, die Grünen die Klimawende. Für jeden Wähler war am Donnerstagabend etwas dabei.

Einen eindeutigen Gewinner gab es in der eineinhalbstündigen ORF-Elefantenrunde aber nicht. Aus Vorsicht vermieden die Spitzenkandidaten neue Positionen. Die Redebeiträge waren nichts anderes als das Aneinanderketten von bekannten Wortbausätzen. Koalitionsaussagen vermieden die Parteichefs wie der Teufel das Weihwasser. Und abermals konnte sich Kurz ohne Widerspruch wie ein Oppositionspolitiker inszenieren. Dabei gehört er seit sechs Jahren als Integrationssekretär und seit 2013 als Außenminister der rot-schwarzen Regierung an. Er ist Teil der alten Zeit, obwohl er eine neue Zeit verspricht. Ein Phänomen.

Die Scheinheiligkeit war in der Elefantenrunde groß, auch bei Kanzler Kern. Schließlich stellten die gefälschten Facebook-Seiten im Auftrag der SPÖ mit teils antisemitischen Inhalten den absoluten Tiefpunkt der Schlammschlacht dar. Dem 51-jährigen Kern kam auch zum Abschluss des Wahlkampfes kein Wort der Entschuldigung über die Lippen. Das hatte abermals FPÖ-Chef Strache vor laufender Kamera gefordert. Und Kurz: Er verlangt ganz bigott ein gesetzliches Verbot des „Dirty Campaigning“. Was der ehemalige Jura-Student verschweigt, Lügen und üble Nachrede sind in Österreich bereits verboten.
Der 43-jährige Neos-Chef Strolz will die Parteienförderung um die Hälfte kürzen, um derartige Schlammschlachten in Zukunft finanziell trocken zu legen. „Inhalte statt Intrigen ist mein Programm“, sagte der frühere Unternehmer. In der Wirtschaft sind viele von der Verwahrlosung im Wahlkampf genervt oder gar angewidert. „Ich bin sehr viel im Ausland unterwegs – in Zeiten wie diesen Gott sei Dank, um ehrlich zu sein“, sagte Wolfgang Eder, CEO des Stahlkonzerns Voestalpine, vor wenigen Tagen beim Handelsblatt-Wirtschaftsklub.

Nach letzten Meinungsumfragen wird es in Österreich einen Rechtrutsch geben. Sebastian Kurz wird offenbar bei der Wahl am Sonntag als klarer Sieger hervorgehen. Voraussichtlich wird er zusammen mit der rechtspopulistischen FPÖ eine Mehrheit zum Regieren erhalten. Den Sozialdemokraten droht hingegen der Absturz. Die Strategie von Kurz und Strache, Migranten und Flüchtlinge in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes zu stellen, scheint sich auszuzahlen. Diese Linie setzte Kurz auch in der Elefantenrunde fort. „Es muss die Zuwanderung in unser Sozialsystem gestoppt werden“, forderte Kurz abermals. In Wien sei jeder zweite Sozialhilfeempfänger ein Ausländer. Sein möglicher Koalitionspartner bläst in das gleiche xenophobe Horn. Er verlangt Sach- statt Geldleistungen für Ausländer, die Sozialhilfe in Anspruch wollen.
Auffällig in der Debatte: In der Wirtschaftspolitik wollen alle großen Parteien unternehmerfreundlicher werden und der für Österreich byzantinischen Bürokratie den Marsch blasen. „Für mich ist entscheidend, dass wir uns über ideologische Dogmen hinwegsetzen“, sagte Kern. „Wir müssen ein Bündnis mit der Wirtschaft schaffen.“ Mit der Maschinensteuer hat der Kanzler, seit 15 Monaten im Amt, allerdings viele Unternehmer vor den Kopf gestoßen. Mit der Erhöhung der Forschungsprämie stärkte die rot-schwarze Koalition allerdings den Innovationsstandort. Bei den Unternehmen hat Kurz zuletzt gepunktet. Allerdings sind hinter vorgehaltener Hand bei etlichen Managern auch die Befürchtungen groß, dass der ÖVP-Chef ohne einen erlernten Beruf in der politischen Praxis überfordert sein könnte. Doch eine Antwort wird es erst nach der Wahl am Sonntag geben.

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