Überraschung in Genf Krisengipfel beschließt Friedensfahrplan für Ukraine

Kein Durchbruch, aber eine Überraschung: Der Gipfel zur Krise in der Ostukraine hat eine Agenda für eine friedliche Lösung hervorgebracht – und Russland trägt den Plan mit. Daraus resultieren klare Handlungsaufträge.

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow: Kein Interesse, Truppen in die Ostukraine zu entsenden. Quelle: AFP

Genf Der Genfer Krisengipfel zur Ukraine hat sich überraschend auf einen Friedensfahrplan geeinigt, der eine Entwaffnung aller illegalen Kräfte vorsieht. Demnach müssen die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine ihre Waffen niederlegen und die besetzten Gebäude verlassen. Dies teilten US-Außenminister John Kerry, sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach dem Treffen mit, an dem auch der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza teilnahm.

Den Beteiligten an bewaffneten Aktionen und Besetzer staatlicher Gebäude in der Ostukraine soll eine Amnestie gewährt werden, außer in Fällen von Kapitalverbrechen. Eine Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll die Umsetzung der Vereinbarung begleiten und überprüfen.

Wörtlich hieß es in der gemeinsamen Erklärung: „Alle rechtswidrig besetzten Gebäude müssen ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden, alle rechtswidrig besetzten Straßen, Plätze und anderen öffentlichen Orte in ukrainischen Städten und Orten müssen verlassen werden.“ Die USA erwarteten, dass prorussische Kräfte die Waffen niederlegten, betonte Kerry.

Die Formulierungen des Abkommens zielen nach Ansicht von Beobachtern aber auch auf die Unterstützer der prowestlichen Regierung in Kiew. Lawrow erwähnte ausdrücklich die ultranationalistische Gruppe Rechter Sektor. Schließlich müssten die Ukrainer die Probleme miteinander lösen, sagte der russische Chefdiplomat.


Kerry mahnt Russland zur Einhaltung der Pläne

Russland habe deutlich gemacht, dass es seine Truppen von den Grenzen der Ukraine zurückziehen werde, wenn der Friedensfahrplan nachvollziehbar umgesetzt wird, sagte Kerry auf eine entsprechende Frage vor Reportern. Im Gegenzug würden die USA die Aufhebung von Sanktionen gegen einzelne Russen prüfen. Jedoch sei keiner dieser Schritte in naher Zukunft zu erwarten. Kiews Außenminister Deschtschiza machte deutlich, dass es zwischen der Ukraine und Russland weiterhin Probleme gebe.

Lawrow betonte, dass der international umstrittene Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland bei den Gesprächen keine Rolle gespielt habe. „Die Krim hat ihre Wahl getroffen. Wir haben diese Wahl anerkannt“, sagte er. Russland habe aber nicht vor, seine Armee in die Ost- und Südukraine zu schicken.

Kerry sagte, das Problem der Krim bleibe weiter bestehen. Zudem warnte er Russland, dass es die Vereinbarung umgehend umsetzen müsse. Ansonsten kämen „weitere Kosten“ auf Moskau zu.

„Wir waren heute hierhergekommen, um die Spannungen zu reduzieren und die Gefahr einer totalen Explosion einzudämmen“, sagte der US-Außenminister. Dies sei gelungen. „Das eröffnet dem Volk der Ukraine die Möglichkeit, einen Weg zur friedlichen Lösung seiner Probleme zu finden.“

Die Grundsatzerklärung fordert alle Seiten zum Verzicht auf Gewalt und jegliche Provokationen auf. Die Teilnehmer verurteilen darin alle Formen von Extremismus, Rassismus und religiöser Intoleranz, darunter auch Antisemitismus in der Ukraine.


Unterstützung für ukrainisches Militär

Die USA unterstützen das Militär der Ukraine derweil mit weiteren „nicht tödlichen“ Hilfsmitteln. Das Pentagon werde Medikamente, Helme, Schlafmatten und mobile Unterkünfte an die dortigen Truppen senden, sagte Verteidigungsminister Chuck Hagel am Donnerstag nach einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Tomasz Siemoniak in Washington. Auch Wasseraufbereitungsanlagen, Handpumpen und kleine Stromgeneratoren sollen in das osteuropäische Land geschickt werden.

Damit reagieren die USA auf wiederholte Hilfsgesuche der Ukraine. Mitte März hatte das Pentagon bereits angekündigt, 25 000 Pakete mit Fertiggerichten, sogenannte „Meals, Ready-to-Eat“ (MREs), für den Versand vorzubereiten.

Zu möglichen Militärhilfen wie Waffen und Munition äußerte sich Hagel nicht. Während etwa Senator John McCain wiederholt Waffenlieferungen an die frühere Sowjetrepublik forderte, lehnt die US-Regierung solche Maßnahmen bislang ab - auch, um das Nachbarland Russland nicht zu provozieren.

„Dies ist eine kritische Zeit für das Bündnis“, sagte Hagel mit Blick auf die Nato, die im Zuge des Konflikts in der Ukraine ihre Präsenz in Osteuropa zuletzt verstärkt hatte. „Diese Maßnahmen sind nicht dazu gedacht, Russland zu provozieren oder zu bedrohen“, erklärte Hagel. Die Nato-Raketenabwehrbasen in Rumänien und Polen, die bis 2018 einsatzfähig sein sollen, dienten ausschließlich der Verteidigung.

Hagel und Siemoniak einigten sich darauf, dass die zwölf F16-Kampfjets, die das Pentagon Anfang März nach Polen beordert hatte, dort noch mindestens bis Ende dieses Jahres bleiben sollen. Siemoniak dankte Hagel und sagte, die Bürger Polens hätten das Bündnis wegen der „aggressiven Politik Russlands“ schätzen gelernt. Polen solle durch die Zusammenarbeit mit den USA und der Nato „so nah wie möglich“ an den Westen heranrücken.

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