Ukraine-Krise Merkel hält Russland-Sanktionen für notwendig

Der Beschluss über neue Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verzögert sich weiter. Dennoch spricht sich Bundeskanzlerin Angela Merkel klar für weitere Maßnahmen aus.

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Die Basilius-Kathedrale in Moskau: Bundeskanzlerin Merkel will die Sanktionen gegen Russland verschärfen. Quelle: dpa

Angesichts des weitgehend eingehaltenen Waffenstillstands in der Ukraine hat die Europäische Union (EU) am Montag ihre Entscheidung über neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland verschoben. Einige Länder wollten darüber beraten, wie die anvisierten Strafmaßnahmen wieder aufgehoben werden könnten, wenn der Waffenstillstand halte, hieß es in Brüssel. Bei einen Treffen der EU-Botschafter am Abend werde auch die Frage diskutiert, ob die Sanktionen zu diesem Zeitpunkt überhaupt in Kraft treten sollten. Russland hatte der EU mit scharfen Gegenmaßnahmen gedroht, sollte es zu neuen Sanktionen kommen. Ministerpräsident Dmitri Medwedew deutete die Verhängung von Überflugverboten gegen westliche Fluggesellschaften an. Von den geplanten EU-Sanktionen sollen Diplomaten zufolge auch die russischen Ölfirmen Rosneft, Transneft und Gazprom Neft betroffen sein.

Die Verschärfung der Sanktionen ist in der EU nicht unumstritten. Vor allem osteuropäische Staaten sind wirtschaftlich eng mit Russland verzahnt und fürchten Nachteile durch weitere EU-Handelsverbote und Gegenreaktionen Russlands.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich vor der Bundestagsfraktion der Union aber klar für weitere Sanktionen ausgesprochen. Sie müssten trotz des Waffenstillstands verschärft werden, weil Russland den Westen schon mehrfach getäuscht habe, sagte die Kanzlerin nach den Worten mehrerer Teilnehmer der Sitzung am späten Nachmittag. Russland verfolge eine Strategie zur Destabilisierung der Ukraine. Deshalb müsse die EU entschlossen handeln.

Medwedew sagte in einem Interview, dass sein Land "asymmetrisch" auf die EU-Sanktionen reagieren würde. Der Wirtschaftszeitung "Wedomosti" sagte er, Russland habe möglicherweise bislang zu zurückhaltend auf westliche Sanktionen reagiert. Dieser Fehler werde nicht wiederholt. Mit Blick auf ein mögliches Überflugverbot ergänzte er: "Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum umfliegen müssten, könnte dies mehrere angeschlagene Fluglinien in den Bankrott treiben. Diesen Weg sollten wir nicht gehen. Wir hoffen, dass unsere Partner dies verstehen." Die bislang verhängten Sanktionen des Westens bezeichnete Medwedew als "eine dumme Idee". Sie hätten nicht dazu beigetragen, die Krise in der Ukraine zu entschärfen.

Luftraum-Sperrung könnte Lufthansa betreffen

Schwer treffen würde die Sperrung des russischen Luftraums die Lufthansa. Sie überquert das Land im Schnitt 180 mal in der Woche. Alternativ könnte Russland südlich umflogen werden, allerdings würden damit auch die Flugdauer und der Spritverbrauch deutlich zunehmen. Für eine Fluglinie, die auf ein weltweites Netz von Zubringerflügen angewiesen ist, ist das schwer vorstellbar. Offiziell wollte sich die Lufthansa dazu nicht äußern. Allerdings würde Russland sich mit einem Überflugverbot auch selbst schaden, weil russische Fluggesellschaften wie Aeroflot Medienberichten zufolge selbst von den Gebühren profitieren.

Neben den Sanktionen gegen große Ölfirmen sieht die EU auch erweiterte Verbote für Produkte vor, die sowohl militärisch wie zivil genutzt werden können. Davon wären drei Rüstungsfirmen betroffen. Kontensperrungen und Einreiseverbote sollen mehreren EU-Diplomaten zufolge zudem für weitere 24 Personen gelten.

Ukraine erwartet Waffen von Nato-Staaten

Die am Freitag vereinbarte Feuerpause hält nach Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), sei aber instabil. Die Rebellen ließen nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko als Teil der Vereinbarungen aber 1200 gefangene Soldaten frei. Der Staatschef kündigte bei einem Besuch in Mariupol zugleich an, die zuletzt umkämpfte Hafenstadt mit mehr Panzern und Raketenwerfern zu verteidigen. "Dies ist unser ukrainisches Land und wir werden es niemanden überlassen", erklärte Poroschenko über den Kurznachrichtendienst Twitter nach seinem Eintreffen in der strategisch wichtigen Hafenstadt im Südosten der Ukraine. Er habe militärische Verstärkung zur Verteidigung der 500.000-Einwohner-Metropole angeordnet in Form von Panzern und Raketenwerfern. Außerdem werde der Luftraum überwacht. Mariupol ist eine der größten Städte in einem von den Separatisten beanspruchten Gebiet.

Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland

Die Ukraine erwartet für ihren Kampf auch direkte Waffenlieferungen von Nato-Staaten. Entsprechende Vereinbarungen seien mit mehreren Ländern getroffen worden, zitierte die Nachrichtenagentur Ria Novosti aus einer Erklärung des ukrainischen Präsidialamtes. Am Vortag war eine ähnliche Ankündigung eines Poroschenko-Beraters umgehend von den genannten Ländern dementiert worden. Die USA, Italien, Norwegen und Polen widersprachen der Aussage, sie würden Waffen liefern. Die französische Regierung lehnte eine Stellungnahme ab.

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