Innen eng und von außen sichtbar altersschwach – der Kleinbus der ukrainischen Marke „Etalon“ ist beileibe nicht das, was ich mir unter einem modernen Verkehrsmittel vorstelle. Aber sei's drum. Wer schert sich schon um Beinfreiheit, wenn die Fahrt mitten ins Kriegsgebiet geht. Zwei Fernbusse fahren jeden Morgen von Dnjepropetrowsk in die umkämpfte Stadt Donezk in der Ost-Ukraine. WiWo-Fotograf Nils Bröer und ich haben ein Ticket ausgerechnet für jene Schrottkarre gekauft, die auf den Weg in die alte Industrieregion „Donbass“ in fünf Städten hält.
Sechs Stunden im klapprigen Überlandbus liegen vor uns. Dabei würde uns der Busfahrer mit Blick auf die klobige Kamera am liebsten rauswerfen, bevor wir überhaupt eingestiegen sind. „Sind eure Papiere in Ordnung?“ - „Klar, in Ordnung.“ - „Ich will keinen Ärger wegen euch Ausländern.“ Angenehm, der Service hier. Die übrigen Passagiere sind freilich freundlicher als der Ganztags-Morgenmuffel am Lenkrad. Wir finden heraus, dass fast alle in Donezk wohnen und während der schlimmsten Kämpfe zu Bekannten geflüchtet sind. Jetzt holen sie am Dnjepr vor allem Geld, denn im besetzten Gebiet sind die Bankautomaten nicht mehr munitioniert. Im Bus sitzt außerdem ein Mann mit verbundenem Auge, sowie eine Frau mit ihrem am Down-Syndrom leidenden Kind. In Donezk sind die meisten Krankenhaus außer Betrieb oder verletzten Söldnern vorbehalten.
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Bald nach der Abfahrt bietet uns die nette Buchhalterin auf der Rückbank Äpfel an. Rasch kommen wir mit allen Passagieren in der hinteren Bushälfte ins Gespräch. „Warum wollt ihr über die Wirtschaft in Donezk schreiben?“, fragt Igor vom Nebensitz. „Da gibt es doch keine Wirtschaft mehr.“ Igor muss es wissen. Er ist Gebrauchtwagenhändler, der keine Gebrauchtwagen mehr verkauft. „Die Leute haben kein Geld mehr für ein Auto.“ Im schlimmsten Fall klauen sie eines. Erstaunlich bequem sind die Polstersitze im alten „Etalon“. Das macht die Schlaglöcher erträglich, über die der griesgrämige Busfahrer mit Tempo achtzig heizt. Ständig blickt er in den Rückspiegel auf unseren Fotografen, wie er Fotos durchs Fenster macht. Einmal verzieht er das Gesicht, als er dabei den Blick nach vorne vergisst und prompt ein besonders tiefes Schlagloch übersieht.