Ukraine Neue Sanktionen gegen Russland

Die Lage in der Ukraine spitzt sich zu. Ministerpräsident Jazenjuk wirft Moskau vor, es wolle einen Krieg vom Zaun brechen. Offenbar halten Separatisten deutsche OSZE-Beobachter fest.

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Ein ukrainischer Soldat steht in der Nähe des Flughafens Kramatorsk Wache. Quelle: REUTERS

Eine Woche ist es her, dass in Genf eine Vereinbarung zur Lösung der Ukraine-Krise getroffen wurde. Nun scheint es, als würde Moskau den Konflikt noch mal mehr anheizen. Denn an diesem Freitag müssen wir leider erneut auf einen Tag der Konfrontationen zurückblicken. Prorussische Separatisten haben der ukrainischen Regierung zufolge in Slawjansk einen Bus mit OSZE-Militärbeobachtern in ihre Gewalt gebracht, darunter auch drei Deutsche. Ein Grund mehr, dass die Sorge umgeht, Russland und der Westen könnten wegen der immer weiter eskalierenden Ukraine-Krise auf einen Wirtschaftskrieg zu steuern.

Bundesaußenminister Steinmeier mahnt, den "Irrsinn" schnell zu beenden. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow vertrete die Ansicht, dass der Einsatz der Armee und bewaffneter Nationalisten im Südosten des Landes gestoppt werden müsse. Zweifelhaft ist allerdings, ob Putin sich derartige Forderungen zu Herzen nehmen wird. Sicher hingegen wird sein, dass die geplante Gegenstrategie der USA und den großen EU-Staaten mehr Eindruck schinden wird. Gezielte Sanktionen gegen Russland scheinen der letzte Ausweg.

Angela Merkel ist ohnehin der Meinung, dass Putin zu wenig getan habe, um eine Deeskalation herbeizuführen und forderte den Kremlchef gezielt auf, sich um eine Reduzierung der Spannungen zu bemühen. Auch US-Präsident Barack Obama teilt diese Meinung und macht nur allzu deutlich, dass die USA und Europa die Grundlage für Sanktionen für bestimmte Bereiche der russischen Wirtschaft legen, sollte Moskau militärisch in der Ukraine eingreifen. Bei einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und weiteren EU-Regierungschefs will er am Freitag über schärfere Sanktionen gegen Russland beraten. Denn inzwischen hat sich die Zuspitzung der Lage auf die Aktienmärkten ausgewirkt. Dax und EuroStoxx50 verloren jeweils etwa ein Prozent auf 9440 und 3159 Punkte.

Als am Freitag auf einem Flugplatz nahe der Stadt Slawjansk ein Hubschrauber der ukrainischen Armee in Brand geschossen wurde, warf der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Russland vor, es wolle mit einem Einmarsch in der Ukraine den Dritten Weltkrieg vom Zaun brechen. Der Ort im Osten der Landes ist eine Hochburg der Separatisten und soll nun von der ukrainischen Armee eingekesselt werden.

"Die Welt hat den Zweiten Weltkrieg noch nicht vergessen, da will Russland schon den Dritten Weltkrieg anzetteln", sagte Jazenjuk bei einer Kabinettssitzung. Russland wolle die Präsidentenwahl am 25. Mai in der Ukraine aus dem Gleis werfen, die pro-westliche Regierung stürzen und das Land "mit politischen und militärischen Mitteln" besetzen. Der Versuch einer militärischen Einmischung in der Ukraine werde jedoch zu einer bewaffneten Auseinandersetzung in Europa führen, warnte Jazenjuk in seinen bisher schärfsten Kritik an Russland. Die Nato schließt allerdings ein militärisches Eingreifen in der Ukraine aus, die nicht Teil der westlichen Militärallianz ist.

Eckpunkte der Genfer Erklärung zur Ukraine-Krise

Die russischen Streitkräfte halten nahe der ukrainischen Grenze Manöver ab, für das das Außenministerium in Kiew bis Samstag eine Erklärung fordert. In den vergangenen Tagen hätten sich russische Truppen bis auf einen Kilometer der Grenze genähert, diese aber nicht überschritten, hieß es in Kiew.

Die USA haben deutlich gemacht, dass sie eher auf wirtschaftlichen Druck als auf militärische Gewalt setzen. Sie werfen Russland vor, gegen das Genfer Abkommen zur Entschärfung der Ukraine-Krise zu verstoßen, und drängen deshalb auf rasche wirtschaftliche Strafmaßnahmen. Vor allem Deutschland und Italien stünden dagegen auf der Bremse, hieß es. An der Telefonkonferenz mit Obama sollen nach US-Angaben Merkel, der britische Premierminister David Cameron, Frankreichs Präsident Francois Hollande und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi teilnehmen.

Hubschrauber beschossen, Pilot verwundet

Die USA können Wirtschaftssanktionen zwar auch im Alleingang verhängen, wollen aber lieber den Schulterschluss mit der EU. Die hat in der Ukraine-Krise bisher lediglich Einreiseverbote und Kontosperren verhängt. Mit Wirtschaftssanktionen droht die Gemeinschaft für den Fall, dass sich ein Einmarsch Russlands im Osten der Ukraine abzeichnet. Die Europäer sind ökonomisch weit enger mit Russland verflochten als die USA und zudem bei den Energielieferungen von dem großen Nachbarn im Osten abhängig. Russland hat mit einer Aussperrung ausländischer Firmen gedroht, die sich wegen Sanktionen aus dem Land zurückziehen.

Auch ohne neue Sanktionsrunde hinterlässt die Krise schon Spuren in der Wirtschaft im Westen wie im Russland. Der weltgrößte Kreditkartenkonzern Visa erklärte, bereits die bestehenden US-Sanktionen gegen Russland drückten die grenzüberschreitenden Umsätze. Visa hat in Russland 100 Millionen Kreditkarten ausgegeben. Im März stellte der Konzern ebenso wie sein Konkurrent MasterCard das Geschäft mit zwei russischen Banken ein, die US-Sanktionen unterliegen. Die schwedische Großbank SEB sorgt sich wegen des Ukraine-Konflikts um ihre Geschäfte in den baltischen Staaten.

Auch die Kapitalflucht aus Russland hat sich seit Beginn der Krise drastisch verschärft. Die Rating-Agentur S&P stufte daher die Kreditwürdigkeit des Landes herunter. Die Bewertung für die Kreditfähigkeit Russlands in Auslandswährungen liegt nun nur noch eine Stufe über Ramschniveau. Laut Weltbank flossen allein im ersten Quartal des Jahres knapp 64 Milliarden Dollar aus Russland ab, so viel wie im gesamten vergangenen Jahr.

In der Ukraine reißt die Gewalt unterdessen nicht ab. Ein Pilot der ukrainischen Armee wurde in Kramatorsk bei Slawjansk verwundet, als sein Hubschrauber am Boden beschossen wurde. Nahe der Hafenstadt Odessa wurden bei der Detonation einer Bombe an einem ukrainischen Kontrollposten sieben Menschen verletzt, wie die Polizei mitteilte. Bewohner Odessas haben mehrere dieser Posten um die Stadt eingerichtet, um das Einsickern pro-russischer Separatisten aus dem benachbarten Transnistrien zu verhindern. In der Region, die sich Anfang der 90er Jahre von der Republik Moldau losgesagt hat, sind russische Soldaten stationiert.

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