Ukrainische Schuldenkrise Die Angst vor der Pleite

Damoklesschwert über Kiew: Schon im Sommer kann die Ukraine möglicherweise ihre Schulden nicht mehr bedienen. Es droht eine Staatspleite – und noch mehr Chaos. Aber auch für Investoren hätte das massive Folgen.

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Mehrere hundert Demonstranten protestierten Ende der Woche in Kiew gegen die von der Regierung geplanten Reformen. Quelle: AFP

Kiew Jetzt auch noch die Schulden. Als hätte die Ukraine mit dem Bürgerkrieg im Osten, hartnäckigen Oligarchen und immer neuen Drohungen aus Russland nicht schon genug Sorgen, steht das Land inzwischen auch kurz vor dem Staatsbankrott.

Alleine in den kommenden vier Jahren muss die Ukraine vier Jahren 30 Milliarden US-Dollar an Auslandsgläubiger zahlen, dazu kommen 17 Milliarden US-Dollar an Inlandsschulden. Lediglich 15 Milliarden Dollar davon kann das Land derzeit aufbringen, es klafft eine Lücke von 32 Mrd. US-Dollar.

Das sind zumindest die offiziellen Zahlen, die von der Regierung verbreitet werden. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew präsentierte Anfang der Woche eine neue Rechnung. Demnach schulde die Ukraine alleine russischen Privatbanken 25 Mrd. US-Dollar. Auch die Gläubiger aus dem Westen, vornehmlich Investmentfonds aus den USA, drängen die Ukraine, ihre Schulden zurückzuzahlen.

„Wir wären glücklich, wenn wir unsere Schulden zurückzahlen könnten“, sagte Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk diese Woche in Kiew. Und fügte hinzu, er hoffe auf Kooperation der internationalen Gläubiger. Es gehe auch um Gerechtigkeit, die Ukraine befinde sich im Krieg mit der Atommacht Russland.

Solche Rahmenbedingungen hätten andere internationale Geldempfänger nicht. Es gebe da zum Beispiel ein Land, dessen Bevölkerungszahl zwar viermal niedriger als die der Ukraine sei, jedoch hätten die Regierungen des Lands etwa 300 Mrd. US-Dollar an Hilfen bekommen.

Gemeint ist Griechenland, für viele Mitglieder des ukrainischen Kabinetts das absolute Negativbeispiel, das man lieber gar nicht in den Mund nimmt. Auch die großen Zeitungen wie etwa die russischsprachige „Segodna“ versuchen alles, damit die Ukraine ja nicht mit Griechenland in Verbindung gebracht wird.


Staatsbankrott mit schlimmen Folgen

Eine Pleite will die Regierung mit allen Mitteln verhindern. „Ein Staatsbankrott hätte für unser Land die schlimmsten Folgen: Mit einem solchen Schritt drohen Massenarmut, Bankenpleiten sowie die Isolation der Ukraine als Handels- und Investitionsplatz“, sagte der Finanzanalyst Alexander Okchrimenko der „Segodna“. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, schätzt der Analyst auf 20 bis 50 Prozent. Kritisch seien vor allem die kommenden Monate und der Spätsommer.

Okchrimenko fürchtet vor allem den schlechten Ruf, den das Land nach einer Pleite am Finanzmarkt hätte. „Sollten wir dieses Jahr pleite gehen, bräuchte es mindestens sieben bis zehn Jahre, bis unsere Wirtschaft sich davon erholt hat“, erklärt der Experte. Deshalb gebe es keine Alternative zur disziplinierten Umsetzung des von der Regierung auf den Weg gebrachten Reformpakets. Aber auch die Gläubiger sieht er in der Pflicht. Die sollten sich darauf einstellen, mindestens zehn Prozent ihrer Schulden abzuschreiben und die Rückzahlung auf die nächsten zehn bis 20 Jahre zu strecken.

Anders sieht es Ivan Nikitschenko, Analyst bei „Prostobank Consulting“ Für ihn wäre ein Staatsbankrott die bessere Lösung für die Ukraine. Mit einem solchen Schritt könnte das Land mittelfristig wieder Kredite auf dem freien Kapitalmarkt aufnehmen. „Zu deutlich besseren Konditionen“, glaubt Nikitschenko. Die Gelder, die sonst zur Kredit-Tilgung gebraucht würden, könne man in die Entwicklung der Wirtschaft investieren. In einem ist er sich mit anderen Experten einig: „An der unverzüglichen Umsetzung von Reformen kommen wir auch bei einer Staatspleite nicht vorbei. Ein ,Weiter wie bisher‘ wird es nicht geben“, ist sich der Bankenfachmann sicher.

 Die Regierung in der Ukraine steht heftig unter Druck. Alte und neue Oppositionsparteien nutzen die Schieflage des Landes, um mit populistischen Parolen Stimmung gegen die Reformen zu machen. Auch zum Ausklang der Woche zogen wieder mehrere hundert Demonstranten vor das Parlament in Kiew. Sie forderten mehr soziale Ausgeglichenheit bei den Reformen.

Am Ende brannten alte Autoreifen vor dem Parlamentsgebäude. Für Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk stehen die Urheber dieser Proteste fest: „Es handelt sich dabei um die gleichen Leute, die 2005 gegen Reformen und Veränderungen waren. Doch dieses Mal wird es ihnen nicht gelingen, die Regierung von ihrem Reformkurs abzubringen.“

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