Umstrittene Justizreform Polen muss vorerst keine EU-Sanktionen fürchten

Die EU-Kommission sorgt sich nach einer umstrittenen Justizreform um den Rechtsstaat in Polen. Seit mehr als einem Jahr läuft ein Verfahren. Sanktionen stehen aber offenbar nicht zur Debatte.

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Brüssel Polen muss wegen seiner umstrittenen Justizreform vorerst keine EU-Strafmaßnahmen befürchten. Zwar befasste sich am Dienstag in Brüssel erstmal ein Ministerrat mit dem Verfahren, doch nach offiziellen Angaben drängte eine Mehrheit der 28 Länder den zuständigen EU-Kommissar Frans Timmermans, keine Sanktionen zu verhängen, sondern weiter im Dialog mit Warschau zu bleiben.

Reformen der Regierungspartei PiS haben aus Sicht der EU-Wächter das polnische Verfassungsgericht als Kontrollorgan eingeschränkt und den Rechtsstaat in Gefahr gebracht. In dem laufenden Rechtsstaatsverfahren forderte die Kommission von Polen immer wieder Korrekturen. Doch die polnische Regierung blieb bei ihrer Linie. Auch am Dienstag beteuerten ihre Vertreter zwar eine Dialogbereitschaft, wie ein EU-Beamter sagte. Doch im selben Atemzug hätten sie die Souveränität des Parlaments und der verfassungsmäßigen Ordnung Polens betont.

Aus Diplomaten-Kreisen verlautete, neben Deutschland hätten sich unter anderem auch Belgien, Frankreich und die Niederlande eindeutig auf die Seite der Kommission gestellt. Doch eine weitere Gruppe – darunter etwa Ungarn und Tschechien – habe die polnische Sichtweise vertreten.

Der deutsche Staatsminister Michael Roth sagte: „Wir haben zum einen deutlich gemacht: Die EU ist eine Wertegemeinschaft und diese Werte binden EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten gleichermaßen.“ Allerdings hatte Roth schon vorab betont, dass Sanktionen gegen Polen jetzt nicht zur Debatte stünden. Theoretisch denkbar wäre in einem Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge in letzter Konsequenz der Entzug von Stimmrechten im Kreise der EU.

Laut Roth soll der Rat in der zweiten Jahreshälfte erneut von der Kommission über den Stand der Gespräche informiert werden. „Ich habe aber den Eindruck, dass es noch eine Reihe von Punkten gibt, wo man sich aufeinander zu bewegen muss“, sagte er.

Kommissionsvizepräsident Timmermans sagte, er fühle sich nach der Debatte ermutigt. Er werde sich darauf konzentrieren, eine Lösung zu finden. „Es hilft mir nicht beim Dialog, wenn ich diesen starte und jetzt schon Fristen vorgebe oder Drohungen ausspreche“, fügte er hinzu. Allerdings verfüge die Kommission über Instrumente, die, falls nötig, auch eingesetzt werden könnten.

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