Umstrittene Lobby-Studie Trump pickte sich das schlimmste Szenario heraus

Greenpeace-Aktivisten haben auf die US-Botschaft eine Trump-Silhouette und den Spruch:

Als wichtigste Grundlage für seinen Ausstieg aus dem Klimaschutz-Vertrag von Paris wählt US-Präsident Donald Trump eine höchst einseitige Studie. Auf die Details hat er lieber verzichtet – stattdessen griff er sich aus den spekulativen Schätzungen noch die drastischste heraus.

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Formell kann man den Beratern der Washingtoner Agentur Nera Consulting keine Vorwürfe machen. Auf die zweite Seite, noch vor die Einleitung ihrer Studie über die Folgen der weltweiten Klimaschutzpolitik auf den industriellen Sektor, stellen sie eine allgemeine Erklärung.

Es handele sich hier um „Projektionen basierend auf gegenwärtigen und historischen Daten“, die deshalb natürlich risikobehaftet seien. Die „Verantwortung für tatsächliche Ergebnisse oder zukünftige Entwicklungen könne man daher nicht übernehmen“.

US-Präsident Donald Trump scheint diese Seite überblättert zu haben. Als er am Donnerstagabend (MEZ) im Rosengarten des Weißen Hauses vor ein kleines Publikum und die Mikrofone der Welt trat, machte er die Berater Paul Bernstein, David Montgomery, Bharat Ramkrishnan und Sugandha Tuladhar zu den Kronzeugen seiner bisher weitreichendsten Entscheidung.

Das Pariser Klimaabkommen

Er, Donald Trump, müsse „die Interessen der amerikanischen Bürger stets an erster Stelle vertreten“. Deshalb bleibe ihm kaum etwas anderes übrig, als hier und heute das Pariser Klimaabkommen zu verlassen. Denn, so zeige eben jene Studie: „Würden wir die Pariser Vereinbarungen umsetzen, würde das die Vereinigten Staaten bis 2025 2,7 Millionen Jobs kosten, 440.000 davon allein in der Industrie.“

Trump ist in der US-Klimapolitik nicht der einzige Akteur

Bei Nera dürfte man sich verwundert die Augen gerieben haben. Einerseits, weil die Studie, die bereits im März im Auftrag der US-Handelskammer und eines Thinktanks erstellt wurde, plötzlich so viel Aufmerksamkeit findet. Als Nera sie vor drei Monaten veröffentlichte, interessierte sich kaum jemand für die Schätzung. Schließlich wusste die amerikanische Öffentlichkeit, was von solchen Zahlen zu halten ist.

Nera hat in der Vergangenheit oft für amerikanische Industrieverbände gearbeitet. Auch wenn die Studien meist methodisch solide daher kommen, so ist sich der Leser doch stets bewusst: Hier wird ein Interesse vertreten. So weit, so bekannt. Wenn in Deutschland die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine Studie zum Nutzen der Deregulierung veröffentlicht, weiß auch jeder, zu welchem Ergebnis sie wohl kommen wird.

Zahlen beruhen auf vielen Annahmen

So ist es auch in dieser Studie. Nur, dass die diesmal nicht als Basis für eine Lobbykampagne dienen soll, sondern als möglichst objektive Grundlage für einen grundsätzlichen politischen Kurswechsel, wie ihn die USA lange nicht gesehen haben.

Wie wenig das Papier dafür geeignet ist, zeigt sich schon an den wichtigsten Zahlen, die Trump in seiner Rede zitiert. Die 440.000 Industriejobs, die ohne einen Politikwechsel in Gefahr seien, benennen die Nera-Berater als maximales Szenario. Sollten die Folgen weniger drastisch ausfallen, könnten es auch nur 280.000 Jobs sein.

Und selbst diese Zahl, so räumen die Forscher ein, basiert auf einer ganzen Reihe von Annahmen. Denn die Forscher unterstellen nicht nur, dass die von Ex-Präsident Barack Obama eingeführten Gesetze zum Klimaschutz in Kraft blieben. Sie gehen sogar davon aus, dass sie noch verschärft würden, um die Ziele des Abkommens tatsächlich und aufs Jahr exakt zu erreichen. Dabei legen die Berater zugrunde, dass die Regierung wie bisher über direkte Markteingriffe vorgehen werde.

Sie schließen deshalb eine Reihe von Einschränkungen an: Sollte die Regierung anders handeln und zum Beispiel einen Handel mit Emissionszertifikaten einführen, könnte der Effekt durchaus geringer ausfallen. Vor allem aber setzen sie in die Fußnote den Hinweis: „Diese Studie betrachtet nur die Kosten der Emissionsreduktion. Mögliche Verbesserungen, die sich aus der Verminderung der Emissionen ergeben, werden nicht einbezogen.“

Auf diese Details hat auch Trump lieber verzichtet. Stattdessen griff er sich aus den spekulativen Schätzungen noch die drastischste heraus. Bis 2040 würde der Klimaschutz die USA „bis zu drei Billionen Dollar im Jahr kosten, 6,5 Millionen Jobs, 7000 Dollar an Einkommen pro Haushalt“. Wer könnte so ein Abkommen wollen?

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