Ungarn und Russland Orban pflegt Sonder-Verhältnis zu Putin

Putin und Orban teilen viele Gemeinsamkeiten. Regierungspraktiken und Demokratiedefizit lassen Ungarn dem russischen Modell näher erscheinen, als man es von einem EU-Land erwarten würde.

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Der russische Präsident Wladimir Putin (r.) und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Quelle: dpa

Budapest Großes Gefolge, das in mehreren Flugzeugen anreist; hermetische Abriegelung des Budapester Regierungsviertels durch die Anti-Terror-Einheit TEK: der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin am Donnerstag beim ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird als großes Kino inszeniert.

Ungetrübt durch Ukraine-Konflikt und Krim-Annexion pflegt das EU- und Nato-Land Ungarn unter dem rechts-konservativen Orban ein ungewöhnlich inniges Verhältnis zu Putins Russland. Ein Mal im Jahr besuchen die Lenker der beiden Staaten einander. 2015 war Putin in Budapest, im vergangenen Jahr besuchte ihn Orban in Moskau.

Orban, in früheren Jahren ein glühender Anti-Kommunist mit Aversion gegen jegliche russische Expansionsambitionen, hat sein Land enger an Russland gebunden als irgendeiner seiner Vorgänger seit der demokratischen Wende vor 27 Jahren. Anfang 2014 unterzeichnete er mit Putin ein Abkommen, das den Bau zweier neuer Reaktorblöcke im ungarischen AKW Paks durch die russische Rosatom vorsieht.

Was die Abhängigkeit Ungarns von Moskau erhöht: die Kosten in Höhe von 12 Milliarden Euro werden zu 80 Prozent durch Kredite russischer Staatsbanken finanziert. Die Bauarbeiten haben noch nicht begonnen. Beide Seiten warten auf einen positiven Bescheid der EU-Kommission. Die muss noch prüfen, ob die staatliche Finanzierung des Vorhabens nicht den europäischen Strommarkt verzerrt.

Bei den diesjährigen Gesprächen zwischen Orban und Putin geht es auch um Gaslieferungen an Ungarn. Die Abhängigkeit der Mitteleuropäer von Russland ist in den letzten Jahren durch die Diversifizierung des europäischen Gasmarktes zurückgegangen. Orban erhofft sich jedoch von Moskau Sonderkonditionen. Staatlich gesenkte Gaspreise sollen ihm 2018 – wie schon 2014 – die Wiederwahl erleichtern.

Im Gegenzug setzt sich Orban in der EU für die Aufhebung der wegen des Ukraine-Konflikts gegen Moskau verhängten Sanktionen ein. Ihre Blockade durch ein Veto im Europäischen Rat war für Orban bislang keine Option. Bewegung erhofft sich Budapest allerdings vom neuen US-Präsidenten Donald Trump, dem eine pro-russische Haltung zugeschrieben wird.

„Immer, wenn wir unsere bilateralen Beziehungen (zu Russland) zu verbessern trachteten“, meinte Orbans Außenminister Peter Szijjarto letzte Woche in Moskau, „kam Druck aus Amerika, dass wir es nicht tun mögen, kam Druck aus Europa. Jetzt wird es keinen amerikanischen Druck mehr geben.“


„Spezielles internationales Umfeld“

„Dieses Treffen findet tatsächlich in einem speziellen internationalen Umfeld statt“, sagt der ehemalige ungarische Außenminister Peter Balazs. „Es ist ein Umfeld nach der Wahl von Donald Trump, nach dem Brexit.“

Orban liebe die Rolle des „enfant terrible“, er möge es, den Mainstream mit ungewöhnlichen Aussagen – Stichwort „illiberale Demokratie“ – und Handlungen zu schockieren, so Balazs. „Er will damit seinen eigenen politischen Spielraum vergrößern. Er will verhindern, dass ihm andere bei seinem Tun und Handeln dreinreden.“

Tatsächlich konnte Orban seit seinem Amtsantritt 2010 – wie Kritiker meinen – die Demokratie in Ungarn abbauen, die Medienfreiheit einschränken, ein System von Oligarchen installieren, denen so gut wie alle öffentlichen Aufträge zufallen. Es ist eine Politik der Konzentration der Macht in den eigenen Händen, die auch seinem russischen Gast nicht fremd ist.

So geht es in Ungarn neuerdings gegen regierungskritische Zivilorganisationen, vor allem die, die Gelder von Stiftungen des US-Philanthropen George Soros erhalten. „Niemand hat diesen Organisationen ein Wählermandat gegeben, dass sie die Interessen der Menschen vertreten“, ereiferte sich Außenminister Szijjarto ausgerechnet im russischen Auslands-Propagandasender Russia Today.

Orban wiederum kündigte an, dass 2017 das „Jahr der Verdrängung“ von Soros-finanzierten Organisationen sein werde. Auch hier könnte der Ungar bald dem russischen Vorbild folgen und zur offenen Repression schreiten, meint der Budapester Politologe Peter Kreko.

„Auch andere EU-Länder wie Zypern, Griechenland oder die Slowakei unterhalten freundschaftliche Beziehungen zu Russland“, so Kreko. „Aber Ungarn ist das einzige EU-Land, das in praktisch jedem Bereich dem russischen Modell folgt: Ideologie, Wirtschaft, Regierungspraktiken.“

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