US-Haushalt Trumps Quadratur des Kreises

Trump muss heute dem Kongress erklären, warum das Militär so viel Geld bekommen soll wie nie zuvor und gleichzeitig viele Amerikaner auf ihre Krankenversicherung verzichten müssen. Der Tag der Wahrheit – für seine Wähler.

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Der US-Präsident stellt am Dienstag dem US-Kongress seinen Haushalt für 2018 vor. Das Budget für Militär und Grenzschutz sollen gigantisch aufgestockt werden. Quelle: AP

San Francisco Er nennt sich selbst den „größten Dealmaker aller Zeiten“ und brüstet sich damit, niemand könne so gut verhandeln wie er. Am heutigen Dienstag werden die Fähigkeiten des früheren Immobilienentwicklers und heutigen Präsidenten der USA einem Test unterzogen werden, wie nie zuvor. Er muss in seiner ersten Ansprache vor dem versammelten US-Kongress seinen Bundeshaushalt für das Jahr 2018 verkaufen. Ihm gegenüber sitzen keine Farmer aus North Carolina oder verrentete Trump-Fans aus Florida. Der Saal wird gefüllt sein mit Berufspolitikern, die jede Wahlkampfphrase schon hundertmal gehört oder selbst benutzt haben.

Der Satz „Glauben Sie mir“ ist ihnen egal. Sie verlangen harte Fakten und klare Ansagen, wie ein gigantischer Haushalt mit beispiellosen Ausgabensteigerungen für das Militär gegenfinanziert werden soll und was sie ihren Wählern sagen können. Trump selbst, der zu diesem historischen Termin mit verheerenden Umfragewerten für seine Amtsführung antritt, hatte noch vergangenen Freitag auf der Konferenz CPAC in Washington getönt: „Die Zeit der leeren Versprechungen ist vorbei. Es ist Zeit, zu handeln.“

Der Bundeshaushalt der USA soll 2018 über 1000 Milliarden Dollar hoch sein. Wie hoch genau, das weiß man nicht. Was man weiß ist, dass Militär und Grenzschutz 603 Milliarden Dollar erhalten sollen. Das wären beispiellose 54 Milliarden mehr als im laufenden Jahr. Es ist die größte Haushaltssteigerung für das Militär in der Geschichte der USA, wie Mick Mulvaney vom Budget-Büro des Weißen Hauses vor Journalisten zugibt. Die Gegenfinanzierung soll aus Einsparungen in anderen Bereichen möglich gemacht werden. Aber wie? Trump sieht sich der Quadratur des Kreises gegenüber.
Streichungen von Ausgaben im Ausland, speziell Entwicklungshilfen oder Ausgaben für die Vereinten Nationen waren im Wahlkampf bewährte Themen, um frenetische „USA, USA“-Sprechchöre aus tausenden Republikaner-Kehlen zu provozieren. Das ist „America first“ nach dem Sinn der Massen. Doch Entwicklungshilfe stellt gerade einmal ein Prozent des Haushalts dar, laut Reuters stehen 30 Prozent davon auf der Streichliste.

Weitere Einsparungsquellen sind das Umweltministerium EPA, das von einem ausgewiesenen Leugner des Klimawandels geführt wird und bald völlig im Energieministerium aufgehen könnte. Damit würden acht Milliarden Dollar Budget „frei“. Ziemlich sicher ist die Streichung der Mittel für Familienplanung und Abtreibungen, so wie bei „Planned Parenthood“. Das ist in Prozenten der Gesamtsumme praktisch nicht messbar. Aber es beruhigt die ultra-konservativen Christen.


Trump fehlen ein paar Milliarden

In der harten Realität würde das alles nicht einmal zu Finanzierung eines einzigen Flugzeugträgers der Nimitz-Klasse reichen, die 13 Milliarden Dollar pro Stück kosten. Dazu muss Trump irgendwo noch geschätzte 23 Milliarden Dollar für seine Grenzmauer auftreiben.

In der Vergangenheit haben die Republikaner in solchen Situationen regelmäßig Rentnern und Kranken der staatlichen Seniorenversicherung Medicare in die Taschen gegriffen und ihnen Leistungen gekürzt. Das sind nach dem Militär die größten Ausgabenblöcke im Haushalt, und damit war das Problem elegant erledigt.

Doch Trump will das nicht, das hat er im Wahlkampf mehrfach ausdrücklich versprochen. Also werden praktisch alle anderen staatlichen Leistungen Einschnitte erleben, von der Arbeitslosenhilfe bis zu Lebensmittelmarken und Mietzuschüssen für arme Familien. Trump-Sprecher Sean Spicer: „Die Kürzungen werden mit Gefühl vorgenommen, aber spürbar sein.“

Trump wird sich nicht mehr um größte Herausforderung drücken können: Die Abschaffung der Pflicht-Krankenversicherung. Hier liegen einige Milliarden, die ihm helfen könnten. Nur ist nicht ansatzweise klar, wie das geschehen soll. „Niemand hätte geahnt“, so ein sichtlich ratloser Trump bei einem Treffen mit Vorstandschefs von Gesundheitsunternehmen, „dass das Gesundheitswesen so komplex ist.“

Sie und die Gouverneure der Bundesstaaten verließen nach einem Treffen mit Trump das Weiße Haus ohne klare Details. Senator Bernie Sanders, unterlegener Kandidat der Demokraten, ist schlicht fassungslos: „Wir diskutieren das Gesundheitswesen seit 30 Jahren und er sagt, das konnte doch keiner ahnen“, erklärte er bei einem Interview mit CNN am Montag sichtlich konsterniert.
Viel Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten, bleibt Trump aber nicht. Die Vorlage für den Staatshaushalt geht jetzt in die Ministerien. Das Haushaltsbüro des Präsidenten wird dann einen endgültigen Haushaltsvorschlag ausarbeiten, der am 16. März fertig sein soll. Der wird Anfang Mai dann vorgestellt und muss den Kongress passieren.


Kein Ersatz für Obamacare

Der Drahtseilakt: Ein Ersatz für Obamacare ist nicht in Sicht. Aber mit der Abschaffung zu warten, bis es einen gibt, würde bedeuten, Obamacare noch einmal bis Ende 2018 zu finanzieren. Trump deutete schon an, dass eine „Notfallsituation“ bestehe, in der man eine Kernschmelze des Systems vermeiden müsse, um den Bürgern zu helfen. Die Masse der Fraktion der Republikaner sieht das anders. Sie wollen es riskieren, die Finanzierung sofort aus dem Haushalt zu streichen, um bis 2018 dann die Lösung nachzuliefern. Oder auch nicht. Und hier liegt das größte Risiko. 2018 stehen die sogenannten Halbzeit-Wahlen an, bei denen viele Sitze in Senat und Repräsentantenhaus neu vergeben werden.

Republikanische Kandidaten fürchten die Rache der Wähler, wenn die glauben, ihr Kandidat habe sie verraten, um Flugzeugträger und eine Mauer zu bauen. Schon jetzt verlangen aufgebrachte Bürger auf politischen Veranstaltungen lauthals Rechenschaft. Am Dienstag muss Trump dem Kongress eine klare Linie aufzeigen, sonst verliert er die Deutungshoheit und sein „Macher“-Image.

Zumal der frisch gebackene Präsident von weiteren großen Zielen seines Wahlkampfs ebenfalls keinen Deut abweichen will. „Wir werden riesige Summen in die Infrastruktur investieren“, bekräftigte er am Montag erneut. Wie das geht? Trumps Credo: „Wir werden mehr mit weniger machen“, der Staat müsse „den Gürtel enger schnallen.“ So will er sein Versprechen halten, trotz massiver Sparrunden den Bürgern nichts zu streichen. Aber das ist nichts, was Parlamentarier beeindruckt.
Sie wollen Details zur Steuerreform sehen und Details zum Infrastrukturprogramm und weniger Fokus auf Mauer, „bad dudes“ und Krieg gegen die Medien.

Und auch Trumps Behauptungen, die USA „gewinnt keine Kriege mehr“, wird selbst auf republikanischer Seite mit Erstaunen vernommen. Panama, Ruanda, „Desert Storm“ werden in Amerika nicht als Niederlagen empfunden und die Alliierten haben den Terroristen von ISIS bereits ihr halbes Territorium abgerungen. So macht man sich keine Freunde.
Barack Obama hatte im ersten Monat seines Amts in 2009 ein 787 Milliarden Dollar schweres Stimulanzpaket für die Wirtschaft verabschiedet, den „American Recovery and Reinvestment Act“. Ihm verdankt Trump heute geringe Arbeitslosenzahlen und eine erholte Wirtschaft. Doch das trägt ihn keine vier Jahre.

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