US-Politik nach Comey-Rauswurf Schräger als „House of Cards“

Solcherlei Plots überholen die Fantasie: Trump feuert und beleidigt den Mann, der ihm zum Wahlsieg verholfen hat. Die Demokraten verteidigen den Mann, den sie zuvor für ihre Niederlage verantwortlich machten.

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New York Als Netflix Anfang Februar 2013„House of Cards“ auf den Markt brachte, erschien die Serie über den ehrgeizigen, mitunter hinterhältigen US-Präsidenten und seine ebenso schillernde First Lady zwar realistisch, aber auch ein bisschen übertrieben. Sieht man von dem einen oder anderen Mord ab, dann bleibt „House of Cards“ aber doch erheblich gegenüber der Show zurück, die Washington zurzeit der eigenen Nation und der staunenden Welt darbietet.

US-Präsident Donald Trump hat seinen Wahlsieg in erster Linie dem mittlerweile gefeuerten FBI-Chef James Comey zu verdanken. Das sagt Hillary Clinton. Grund dafür waren nach ihrer Ansicht Comeys Äußerungen über die Ermittlungen gegen sie selbst wegen der Nutzung eines privaten E-Mail-Accounts in ihrer Zeit als Außenministerin.

Nun behauptet Trump, er habe Comey gefeuert, weil er den Fall Clinton nicht ordentlich gehandhabt hat. In Wahrheit hat Trump das aus Wut darüber getan, dass Comey intensiv in Trumps Umgebung ermittelte und mögliche Kontakte nach Russland untersuchte. Das sagen US-Medien unter Berufung auf zahlreiche Leute, die ihm nahestehen. Die Medien berichten auch, dass Comey kurz vor seinem Rauswurf mehr Mittel für diese Russland-Ermittlungen gefordert hat.

Russland hatte nichts mit seinem Wahlsieg zu tun. Sagt Trump. Dagegen sagen fast alle außer Trumps engsten Verbündeten – und den Russen – Russland habe sich in die Wahl eingemischt und mit der gezielten Veröffentlichung von peinlichen Details aus dem Alltag des Teams von Clinton deren Gegenspieler Trump geholfen.

Trump habe Comey auf Veranlassung von Justizminister Jeff Sessions und dessen Vertreter Rod Rosenstein gefeuert. Das sagt Trumps Sprecher Sean Spicer. Trump wollte Comey ohnehin feuern, egal was Sessions und sein Vize dazu meinen. Das sagt Trump selber, allerdings erst einen Tag später.

Offenbar hatten sich die "Fakten" in der Zwischenzeit geändert. Trump hat Session und Rosenstein quasi diktiert, wie sie den Rauswurf Comeys begründen sollen. Rosenstein war kurz davor, sein Amt niederzulegen, als man ihm die Verantwortung für den Rauswurf zuschob. Das sagen die US-Medien.

Comey ist ein „ein Blender, ein Großkotz“, sagt Trump. Doch Comey ist auch nach seinem Rauswurf im FBI hoch angesehen. Das sagt sein bisheriger Stellvertreter, Andrew McCabe, der zurzeit das FBI führt, vor einem Senats-Ausschuss.

Comey habe Trump dreimal versichert, dass er selbst nicht Gegenstand von Untersuchungen sei, sagt Trump. McCabe sagt dazu gar nichts.


Welche politischen Folgen die Comey-Affäre haben könnte

Plötzlich wirkt es, als würde Comey eine Art Held der Demokraten, also von Clintons Partei, nachdem er zuvor zu Recht beschuldigt wurde, mit seinen Äußerungen zur so genannten E-Mail-Affäre kurz vor der Wahl einen unheilvollen Einfluss ausgeübt zu haben.

Wie geht es weiter? Das ist genauso ungewiss wie bei jeder neuen Episode von „House of Cards“. Aber die Rufe nach einem unabhängigen Ermittler in der Russland-Affäre werden lauter. McCabe hat dem Senat versprochen, ihn bei jedem Versuch des Weißen Hauses, sich einzumischen, zu unterrichten.

Außerdem beginnt die Suche nach einem Nachfolger von Comey. Möglicherweise wird es dabei zunächst einen Übergangskandidaten geben, vielleicht führt aber auch McCabe die Polizeibehörde weiter, bis die Stelle dauerhaft besetzt werden kann.

Politisch gesehen ist jetzt vor allem die Frage interessant, ob die so genannten gemäßigten Konservativen im Zuge dieser Affäre ihre Ergebenheit gegenüber dem Präsidenten aufgeben und stärker als bisher eine eigenständige Rolle spielen. Anders gefragt: Gibt die Comey-Affäre den Anstoß dafür, dass die Republikaner sich aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit und Abhängigkeit von den Rechtspopulisten befreien? Amerika wäre es zu wünschen.

Ach ja, es gibt noch einen Unterschied zwischen Fiktion und Realität, auch wenn beides immer schwerer auseinander zu halten ist. In einer Episode pinkelt Frank Underwood, der Präsident in „House of Cards“, gegen den Grabstein seines Vaters. Das würde Donald Trump niemals tun.

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