US-Regierung Der Wahnwitz regiert

Trumps neuer Kommunikationschef rastet aus, beleidigt einen Präsidenten-Mitarbeiter nach dem anderen und die republikanische Gesundheitsreform scheitert: In der Hauptstadt des mächtigen Landes ist alles möglich.  

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Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses in Washington ist es offenbar gewohnt, kräftig auszuteilen. Quelle: Reuters

Berlin Der „Mooch“, so nennt sich der neue Kommunikationschef der US-Regierung gern selbst, hat ein Problem mit Washington. Die Leute seien erstmal furchtbar nett, weiß er zu berichten. „Aber dann rammen sie dir eine Machete in den Rücken.“ Solche Umgangsformen kennt der Mooch nicht. Anthony Scaramucci, so heißt er eigentlich, kommt aus New York, hat an der Wall Street Karriere gemacht. Rücksichtslosigkeit ist ihm nicht fremd, Gewalt auch nicht. Aber: „Ich bin eher einer, der von vorne zusticht.“

Und das soll auch so bleiben. Zumindest so viel hat der Mooch in seiner ersten Woche im Weißen Haus eindrucksvoll unter Beweis gestellt und damit aller Welt gezeigt: Der Irrsinn der Trump-Präsidentschaft ist steigerungsfähig, die Chaos-Skala nach oben offen, und jede Niveaulosigkeit noch zu unterbieten.

Scaramucci hat in einem Gespräch mit einem Journalisten des Magazins „New Yorker“ sehr viele Dinge gesagt, die eigentlich nicht zitierfähig sind, an dieser Stelle aber wohl zitiert werden müssen. Er zog über einen „Schwanzlutscher“ und einen „verfickten paranoiden Schizophrenen“ her und meinte damit nicht etwa Demokraten oder missliebige Journalisten. Das wäre zwar unanständig, aber zumindest politisch opportun. Nein, Scaramucci griff die eigenen Leute an. Nicht irgendwen aus dem Apparat, sondern das Führungsteam des Weißen Hauses: Trumps Chefstrategen Steve Bannon, der „Schwanzlutscher“, und Stabschef Reince Priebus, der „Schizophrene“.

Scaramucci ist gläubiger Katholik. Er wird wissen, dass sich solche vulgären Ausraster nicht gehören. Aber er wähnt sich auf dem Pfad der Gerechten. Gegen Verräter meint er zu Felde zu ziehen, Intriganten, die Regierungsinterna an die Presse durchstechen, um ihre Machtspielchen auszutragen. Und er glaubt, Priebus als obersten Übeltäter identifiziert zu haben. Die Fernsehsender freuen sich, für Unterhaltung ist gesorgt, auch wenn Berichte aus dem Weißen Haus nur noch Jugendschutzhinweise versendet werden können.

Und immerhin: Dem cholerischen Kommunikationsdirektor ist es mit seinen Schimpftiraden gelungen, das Debakel der Republikaner im Senat in den Hintergrund zu drängen. Dort ist nämlich auch der dritte Versuch gescheitert, die Gesundheitsreform von Ex-Präsident Barack Obama zurückzudrehen.

Die entscheidende Nein-Stimme lieferte ausgerechnet John McCain, der schwerkranke Senator aus Arizona, der mit einer überraschenden Rückkehr vor ein paar Tagen den Abstimmungsmarathon über Obamacare überhaupt erst ermöglicht hatte. Warum dieses Hin- du Her? Das bleibt McCains' Geheimnis.

Der Wahnwitz regiert in Washington, nichts geht mehr. Der heißblütige Scaramucci wird sich in den nächsten Tagen sehr zusammenreißen müssen. Zumindest bei Twitter hat er dies bereits angekündigt.

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