US-Sanktionen gegen Russland EU droht den USA mit Gegenmaßnahmen

Mit einer deutlichen Mehrheit stimmt das Repräsentantenhaus für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau. Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das Kapitol, der Sitz des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika. In ihm finden die Sitzungen des Senats und des Repräsentantenhauses statt. Quelle: dpa

Das US-Repräsentantenhaus hat mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzentwurf zu neuen Sanktionen gegen Russland verabschiedet. Die Abgeordneten stellten damit am Dienstag (Ortszeit) auch sicher, dass US-Präsident Donald Trump die Strafmaßnahmen gegen Moskau nicht ohne Zustimmung des Kongresses aufheben kann. Auch der Iran und Nordkorea sollen mit weiteren Sanktionen belegt werden. Nach dem Repräsentantenhaus muss noch die zweite Kammer des Kongresses, der Senat, über den Entwurf abstimmen. Dann muss Trump ihn unterzeichnen.

Die USA planen Sanktionen gegen Russland, die die Öl- und Gasversorgung Europas gefährden könnten. Energieunternehmen und die Bundesregierung sind alarmiert.

Das Ergebnis war ein deutliches überparteiliches Signal der Abgeordneten, Moskau klare Kante zu zeigen und dem Präsidenten in seiner Russland-Politik Grenzen zu setzen. 419 der Parlamentarier stimmten für den Entwurf, drei votierten dagegen. Demokraten, aber auch Republikaner sehen eine zu große Nähe Trumps zu Russland. Die Konservativen vertreten traditionell eine harte Linie gegenüber Moskau.

Die auf den Weg gebrachten neuen Sanktionen gegen Russland verhindern nach Ansicht der Regierung in Moskau eine Verbesserung der Beziehungen beider Länder. Für eine Entspannung ließen die vom US-Repräsentantenhaus verabschiedeten Strafmaßnahmen auf absehbare Zeit keinen Raum, sagte der Vize-Außenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Vielmehr betrete man durch die Sanktionen in den bilateralen Beziehungen völliges Neuland. Man werde nicht länger "Perlen vor die Säue werfen", sagte Rjabkow. Russland habe den USA zudem wiederholt mit Konsequenzen gedroht.

Nach dem Votum des US-Repräsentantenhauses für neue Sanktionen gegen Russland droht die EU-Kommission erneut mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die USA. Der amerikanische Gesetzentwurf sei zwar nachgebessert worden, könnte aber immer noch Auswirkungen auf europäische Unternehmen haben, die an russischen Energieprojekten beteiligt sind, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch.

„Das US-Gesetz könnte unbeabsichtigte einseitige Effekte mit Auswirkungen auf die Energiesicherheitsinteressen der EU haben“, erklärte Juncker. „Deshalb hat die Kommission heute beschlossen, dass - sollte unseren Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen werden - wir bereit sind, innerhalb von Tagen adäquat zu reagieren. Amerika zuerst kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen.“ Wie Gegenmaßnahmen aussehen könnten, blieb offen. Kritiker und Experten werfen dem US-Kongress vor, mit dem Vorgehen gegen russische Energieunternehmen wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Die EU-Kommission zeigte sich am Montag besorgt über mögliche Auswirkungen auf europäische Unternehmen und drohte mit Gegenmaßnahmen.

Die USA setzen Russland wegen der Übergriffe auf die Ukraine unter Druck. Auf eine neue Runde von Strafmaßnahmen reagiert Moskau nicht nur mit Worten.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die bestehenden Sanktionen gegen Russland punktuell erweitert werden und Gesetzeskraft erhalten. Die Abgeordneten haben es dabei etwa auf den russischen Energiesektor abgesehen, einen Schlüsselsektor der Wirtschaft des Landes. Die Strafmaßnahmen waren wegen der Rolle Russlands im Ukrainekonflikt sowie der mutmaßlichen Einmischung des Kremls in die US-Präsidentschaftswahl 2016 verhängt worden. Neue Sanktionen sollen wegen Moskaus Vorgehen in Syrien erlassen werden. Beim Iran geht es um den Dauerstreit über das Raketenprogramm des Landes. Im Fall von Nordkorea zielen die Strafmaßnahmen auf die Schifffahrtindustrie des Landes ab.

Der Entwurf schränkt den Handlungsspielraum Trumps in Bezug auf eine Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau ein. Der Präsident muss künftig in einem Bericht an den Kongress seine Gründe für einen solchen Schritt darlegen. Die Abgeordneten haben dann 30 Tage Zeit zu entscheiden, ob sie dem zustimmen.

Gegen diesen Teil hatte es in den vergangenen Wochen Kritik der Regierung gegeben. Das Weiße Haus argumentierte, dass Trump Flexibilität brauche, etwaige Sanktionen mit seinen diplomatischen Initiativen abzustimmen. Auch sah ein Berater eine Beschneidung der Befugnisse des Präsidenten. Trumps Sprecherin Sarah Huckabee Sanders wollte am Montag nicht sagen, ob der Präsident das Gesetz unterschreiben oder sein Veto dagegen einlegen wolle. Am Dienstag erklärte sie, das Weiße Haus sei dabei, den Entwurf durchzugehen.

Deutsche Wirtschaft schlägt Alarm

Ein Veto würde den Eindruck erwecken, dass Trump Russland zu große Zugeständnisse macht. Der Kreml hatte die geplante Verschärfung der Sanktionen kritisiert. Angesichts der Ermittlungen in der Russland-Affäre würde ein solcher Schritt auch den Kritikern des Präsidenten neue Nahrung geben. Es wird erwartet, dass neben dem Repräsentantenhaus auch im Senat eine Zweidrittel-Mehrheit für das Gesetz zustande kommt. Damit könnte ein Veto überstimmt werden. Die Pläne des Kongresses könnten aber für Differenzen mit europäischen Ländern sorgen, darunter auch Deutschland.

Wegen Geschäften mit dem russischen Rosneft-Konzern muss der US-Ölriese ExxonMobil eine Millionenstrafe zahlen. Das US-Finanzministerium bestraft eine „rücksichtslose Missachtung“ des Sanktionsrechts.

Kritiker unterstellen den USA, mit dem Vorgehen gegen russische Gasexporte Marktanteile für eigenes Flüssiggas sichern zu wollen. In dem Gesetzentwurf drücken die Abgeordneten etwa ihre Ablehnung der geplanten Gasleitung Nordstream 2 aus, die von Russland nach Deutschland führen soll. Auch sprechen sie sich dafür aus, den Export amerikanischer Energieressourcen zur Priorität zu machen.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte im Juni die Sanktionspläne des Senats mit den Worten kommentiert: „Es kann nicht sein, dass die Sanktionen jetzt dazu missbraucht werden, russisches Gas zu verdrängen, um amerikanisch verkaufen zu können."

Damals hatte der Senat gerade einen ersten Entwurf verabschiedet. Weil aber zwischen den beiden Kammern Unstimmigkeiten über Verfahrensfragen herrschten und es darüber hinaus auch Kritik an einigen Punkten des Senatsentwurfs gab, einigten sich die Abgeordneten am Wochenende auf einen Kompromiss. Dieser sah vor, dass zunächst das Repräsentantenhaus über einen neuen Entwurf abstimmt und dann der Senat folgt. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Kammer bald darüber abstimmt. Einen Termin gab es aber zunächst noch nicht.

Zum zweiten Mal muss Jared Kushner Rede und Antwort vor dem US-Kongress stehen. Nach einer nichtöffentlichen Befragung im Senat zur Russland-Affäre geht es jetzt vor ein Gremium des Repräsentantenhauses.

Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert von US-Plänen für schärfere Sanktionen gegen Russland. Das Gesetzesvorhaben sei so angelegt, dass sich die Strafmaßnahmen auch auf nicht-amerikanische Firmen auswirken könnten, erklärte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, am Mittwoch. Die Folge sei, dass wichtige Projekte zur Sicherung der hiesigen Energieversorgung zum Stillstand kommen könnten, etwa wenn es deutschen Unternehmen nicht mehr erlaubt wäre, gemeinsam mit Russland an Gaspipeline-Projekten zu arbeiten. "Davon wäre auch die deutsche Wirtschaft empfindlich getroffen."

Treier forderte die EU-Kommission auf, gegenüber den USA für Klarheit zu sorgen. Die Wirkung der neuen Regeln auf Unternehmen aus anderen Ländern müsse verhindert werden. "Es bleibt der Eindruck, dass die US-Seite eigene wirtschaftliche Interessen betont", fügte Treier mit Blick auf die amerikanische Öl- und Gasbranche hinzu.

Der Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele, hatte unmittelbar vor dem Votum des US-Repräsentantenhauses gewarnt, dass die gewachsenen deutschen Energiekooperationen mit Russland in Gefahr kommen könnten. Bedroht sei nicht nur der Bau neuer Pipelines wie Nordstream2 oder Blue-Stream, auch die Instandhaltung bestehender Pipelines gerate in Gefahr.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%