Es ist der Montagabend dieser Woche, und Elizabeth Warren soll der Frau, deren Ziele sie bisher bekämpft hat, ihre Unterstützung aussprechen.
Eine Halle in Philadelphia, eine Bühne ausgestattet mit all den Devotionalien, die das amerikanische Präsidentschaftsbewerbetheater vorsieht. Und Elizabeth Warren, demokratische Senatorin aus Massachusetts, hat ihre Rolle gut gelernt. Also ruft sie in die Menge der Parteianhänger: „Wir haben am 8. November die Wahl zwischen einem Egoisten, der an jedem Tag jede Minute nur an sich denkt, und einer Frau, die für uns alle kämpfen wird.“ Hillary Clinton sei schlau und durchsetzungsstark, die viel bessere Präsidentin als Donald Trump. Deswegen, und Warren bebt jetzt fast: „Ich kämpfe für Hillary.“
Die Menge mag der 67-Jährigen nicht so recht folgen. Der Jubel ist verhalten. Aber an diesem ersten Tag der Krönungsmesse der Demokraten für ihre Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton ist es schon Erfolg genug, dass es keine offenen Unmutsbekundungen gegen Clinton gibt. Nicht gebuht ist schon genug gelobt. So präsentieren sich Amerikas Demokraten nach einem Vorwahlkampf, der tiefe Gräben in der Partei aufgerissen hat. Clinton gegen Sanders, Establishment gegen Aktivisten, Pragmatiker gegen Linke. Und am Ende Elizabeth Warren auf der Bühne des Parteitags, die diese Gräben zuschütten soll.
Die Zweifel an Clinton in der eigenen Partei sind vor den Wahlen am 8. November groß. Viele Wähler halten die 68-Jährige für wenig vertrauenswürdig. Die Frau hat dem neuen linken Zeitgeist unter Amerikas Demokraten bisher wenig entgegenzusetzen. Zu eng sind für viele noch immer die persönlichen Beziehungen Clintons zur Wall Street, zu Großkonzernen, zu jenen Spendern, die die Wahlkampfkassen der Demokratin füllen. Deswegen haben so viele Demokraten in den Vorwahlen für den Altlinken Bernie Sanders gestimmt. Dass der, wie diese Woche bekannt wurde, offenbar nur mithilfe unfairer Tricks der Partei-Oberen gebremst wurde, hat die Partei weiter gespalten.
Partnerin und Kontrolleurin
Elizabeth Warren nun, eine dezidiert wirtschaftskritische Linke, soll Clinton den Vertrauensvorschuss in dem widerspenstigen Teil der Partei geben, den die ehemalige Außenministerin so dringend braucht: Ohne Warren und ihre Anhängerschaft sinken Clintons Chancen dramatisch, Donald Trump zu schlagen.
Linke Wirtschaftspolitik statt Trump
Dieses Geschäft hat für Clinton aber einen Preis: Die Harvard-Professorin und Senatsabgeordnete Warren wird Clintons wichtigste Partnerin, sollte die Demokratin Mitte Januar ins Weiße Haus einziehen. Und ihre strengste Kontrolleurin. Mit ihren populären, manche sagen auch populistischen, Attacken gegen Finanzindustrie und Freihandel hat Warren seit ihrem Einzug in den Senat vor dreieinhalb Jahren ihre Partei dahin manövriert, wo sie sie haben will: nach links. Clinton, ehemals Befürworterin des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP, sieht den freien Warenverkehr inzwischen kritisch. Und Warrens Pläne, die Wall Street zu regulieren, gehen weit über das hinaus, was US-Präsident Barack Obama bisher erreicht hat. Wer also ist diese Frau, die einerseits helfen könnte, der Welt eine Regentschaft Donald Trumps zu ersparen, andererseits die USA in der Wirtschaftspolitik nach links rückt?