US-Wahlen Das Zweckbündnis

Seite 3/3

Jede Stimme zählt

Mit Obama legte sie sich öffentlich ebenso an wie mit Hillary Clinton.
In einem Buch aus dem Jahr 2004 klagte Warren die damalige Senatorin von New York an, die Wall Street hätte sie gekauft. Außerdem sei Clinton „herrisch“ und behandle ihre Mitarbeiter respektlos. Freunde sind Warren und Clinton nie geworden, die beiden arrangieren sich.

Warren wird im Senat gebraucht. Zeitgleich zur Präsidentschaftswahl werden einige Sitze neu vergeben; die Demokraten hoffen, die Mehrheit zurückzugewinnen. Auf jeden einzelnen Sitz kommt es an. Würde Warren in die Regierung wechseln, müsste sie ihren Senatsposten aufgeben, und der republikanische Gouverneur von Massachusetts könnte einen Parteifreund als Nachfolger bestimmen. „Wir können es uns nicht leisten, dass Warren den Senat verlässt – aus strategischen wie inhaltlichen Gründen“, sagt Dukakis.

Andere frisch gewählte Senatoren brauchen Jahre, um sich in Washington zurechtzufinden, sich Gehör in der Partei und den Medien zu verschaffen. Nicht so Warren. Vom ersten Tag an schien sie eine Agenda zu verfolgen, die sich alte Politikhasen nicht besser hätten ausdenken können. Seither kennt man sie in Washington als die Politikerin, die schneller als jeder andere durch die endlosen Flure des Parlamentsgebäudes saust und dabei pausenlos auf die Assistenten in ihrem Schlepptau einredet.

Banken spalten, Löhne anheben

Warrens liebste Rolle ist die der Verbraucherschützerin, die Amerikas Bürger vor der Wall Street in Schutz nimmt. Die US-Finanzindustrie wurde unter Obama gezwungen, sich auf weniger riskante Geschäfte zu konzentrieren und krisenresistenter zu werden, damit sie künftig nicht mehr vom Staat gerettet werden muss. Aus Sicht der Banken ist inzwischen alles im Lot – doch Warren gibt keine Ruhe. Sie erkennt Fortschritte an, aber es gebe noch „etliche unerledigte Angelegenheiten“, sagt sie. Dazu gehöre, „dass elf Banken immer noch so groß sind, dass sie die gesamte US-Wirtschaft mit sich in den Abgrund reißen können“. Es gebe darauf nur eine Antwort: „Die Aufspaltung.“ Wer staatlichen Schutz wolle, müsse sich auf das „langweile, normale Banking“ beschränken. Banken, die dagegen riskante Investmentgeschäfte tätigen wollten, müssten für ihren Schutz selbst sorgen.

Ihr zweites Anliegen: die Mittelschicht zu stärken und die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit im Land zu bekämpfen. Praktisch die gesamten Einkommenszuwächse seit den Achtzigerjahren wurden von den reichsten zehn Prozent der Gesellschaft abgesahnt. Dass sich mit Trump nun ausgerechnet ein Milliardär und Immobilientycoon anschickt, mit seinen Parolen gegen Freihandel die Stimmen der Arbeiter einzusammeln, macht Warren richtiggehend wütend.

Warren bietet Trump Paroli

Auf Twitter liefern sich die demokratische Senatorin und der republikanische Präsidentschaftskandidat seit Wochen leidenschaftliche Wortgefechte, oft am Rande des guten Geschmacks. Trump, der Warren als „dämlich“ und „eine Schwindlerin“ bezeichnete, sei ein „unsicherer Narzisst“, ein „miserabler und betrügerischer Geschäftsmann“ und ein „sexistischer Tyrann“, poltert Warren. Die linke Basis johlt und jubelt. Endlich gibt es jemanden, der Trump Paroli bietet und den Immobilienmogul mit seinen eigenen Waffen zu schlagen versucht. Während Clintons Attacken bisher verpufften, hat Warren das Zeug, Trump in die Enge zu treiben. Hillary Clinton schaut dem Treiben dankbar zu. Sie kann sich präsidial geben, solange Warren nun auch noch die Rolle des Wadenbeißers übernimmt.

So perfekt diese Arbeitsteilung ist, so bleibt dennoch die Frage, ob sie aufgeht. Als auf dem Parteitag am Montag zum ersten Mal der Name Clinton fällt, buhen viele Delegierte lautstark. Als Warren geendet hat, hat sich die Menge beruhigt. Offener Widerstand, so wirken die meisten, wird aus der Partei nun nicht mehr kommen. Ob aber all jene, die hinter Sanders und Warren stehen, am 8. November wirklich auch zur Wahl gehen, das ist eine ganz andere Frage.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%