Börse nach der US-Wahl Warum Anleger trotz Trump cool bleiben sollten

Nach dem Brexit waren die Märkte jetzt besser auf eine Überraschung vorbereitet. Trump hat sie nicht kalt erwischt. Nur Anfänger schichten um.

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Aktiendepot: Märkte waren nach Brexit auf Trump-Schock vorbereitet. Quelle: REUTERS

Paul Markham wollte ausgeruht in diesen Tag starten. Der Fondsmanager mit dem kantigen Kopf und dem kurzen grauen Haar hielt es nicht für nötig, sein Team zur Nachtschicht zu verdonnern. Zwar saß Markham am Mittwoch bereits um sechs Uhr am Schreibtisch im Londoner Büro. Aber statt umgehend auf die Nachrichten zu reagieren, beobachtete er entspannt, wie Trump den Sieg einfuhr.

Valium? Nein. Sein Rezept beschreibt Markham so: „Wir haben in den Wochen immer wieder diskutiert, welche Branchen profitieren können, wenn Trump gewinnt oder Clinton gewinnt.“ Schließlich entschieden sich die Geldverwalter dazu, möglichst weit gestreut zu investieren, um beide Varianten abzudecken. „Wir hatten“, sagt Markham, „auch gar keine andere Wahl: Trump hat nie wirklich erläutert, wie sehr er die USA von anderen Märkten abschotten will.“

Nullsummenspiel im Dax

Wer als Anleger so entspannt wie der Brite sein wollte, musste in Deutschland nur lang genug schlafen an diesem 9. November: Sah es am frühen Morgen noch nach einem Mini-Crash aus, als in Tokio das Börsenbarometer Nikkei mit fünf Prozent im Minus schloss, kam vom Dax schnell Entwarnung: Er robbte sich nach spürbaren Verlusten gegen 11 Uhr schon wieder an die Nulllinie heran, beendete den Tag sogar im Plus. Verluste in Einzeltiteln, wie etwa bei den Banken, glichen Gewinne bei anderen Aktien aus.

Die Ausschläge einzelner Branchen, die unterm Strich zu einem Nullsummenspiel führen, bestätigen das, was Investoren sowieso kennen: Hin und Her macht Taschen leer, lautet ihr Spruch für diese Fälle. Karsten Friebe, Leiter Aktienresearch beim größten deutschen Vermögensverwalter Flossbach von Storch (FvS), ist „nur aufgestanden, weil meine kleine Tochter um halb vier Uhr morgens schrie, und da habe ich mir die ersten Ergebnisse angeschaut“. Gehandelt haben sie bei FvS mit ihren rund 25 Milliarden Euro Kundengeldern deshalb nicht.

"Gebt ihm eine Chance"
Siemens-Chef Joe Kaeser über Trump Quelle: AP
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz Quelle: REUTERS
Olaf Berlien, Vorstandsvorsitzender von Osram Quelle: dpa
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender von Bayer Quelle: dpa
Peter Terium, Vorstandsvorsitzender von Innogy"Ich bin ein großer Freund von Wettbewerb und fairem Wettkampf – aber diesen US-Wahlkampf empfand ich persönlich als sehr hart und stellenweise auch als unerträglich. Jetzt herrscht Klarheit. Wir Europäer brauchen ein starkes Amerika an unserer Seite, denn die globalen Probleme lösen wir nicht allein", sagt Terium über den Wahlkampf. Doch er hofft weiter auf eine Energiewende in den USA: "Was die Energiewelt betrifft, glaube ich nicht, dass der Ausgang der US-Wahl große Auswirkungen etwa auf die Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien hat. Das UN-Abkommen von Paris verpflichtet ja jede US-Regierung zum Klimaschutz. Und eine Revolution geht nie vom König aus. Die zahlreichen Initiativen für erneuerbare Energien oder auch Elektromobilität, die es in den USA auf regionaler und lokaler Ebene gibt, lassen sich nicht einfach so von Washington aus stoppen. Und im Silicon Valley ist es der Business Community ohnehin weitgehend egal, wer an der Ostküste im Weißen Haus regiert." Quelle: dpa
Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Quelle: dpa
Dieter Zetsche, Vorstandschef Daimler Quelle: REUTERS

Wer wie der Fondsmanager aus London oder der fürsorgliche Vater unabhängig von politischen Entscheidungen einer simplen Strategie folgt, der kann Marktchancen nutzen und Risiken begrenzen. Die WirtschaftsWoche hat die Strategie mehrfach vorgestellt, zuletzt nach dem Brexit. Mit einem vernünftigen Mix aus Aktien, Anleihen, Gold und Tagesgeld (Anteil 30, 30, 25 und 15 Prozent) erzielten Investoren trotz eines an Turbulenzen reichen Börsenjahres bisher ein Plus von 7,4 Prozent. Am Morgen des Trump-Triumphs, als vom mexikanischen Peso über die Goldman-Sachs-Aktie bis hin zum Kaffeepreis viele Assets abstürzten, verlor das Mischdepot gerade einmal 0,5 Prozent.

Strategiewechsel? Fehlanzeige.

Mit der Beteiligung an Unternehmen haben Anleger – in 15-Jahres-Zeiträumen gedacht – seit gut 50 Jahren kein Geld mehr verloren; gemessen jeweils zum Einstiegspunkt Jahresende. Auch wer sich im Frühsommer nicht scheute, in die Brexit-Hysterie hinein Aktien zu kaufen, liegt bisher vorne. Dabei zahlt sich aus, auf heimische Papiere zu setzen, die wenig von politischen Entscheidungen im Ausland beeinflusst sind, etwa der Onlinebroker Comdirect oder die breit aufgestellte Siemens. Im Durchschnitt brachten die sieben Aktien im WirtschaftsWoche-Depot seit dem Sommer 6,5 Prozent Kurszuwachs, nur ein Papier – Beiersdorf – liegt leicht im Minus.

Dass der Wahlsieg Trumps die Finanzmärkte dennoch nicht kalt lässt, hat vor allem damit zu tun, dass er Fragezeichen hinter den künftigen Kurs der US-Notenbank Fed setzt. Bisher taxierten Profis wie Markham und Friebe die Wahrscheinlichkeit, dass die Währungshüter um Fed-Chefin Janet Yellen die Leitzinsen Mitte Dezember anheben, auf 70 Prozent. Nach dem Sieg Trumps ist die Wahrscheinlichkeit auf rund 30 Prozent gesunken. Die Fed, so das Kalkül der Börsianer, wolle nicht noch Öl ins Feuer der Unsicherheit gießen.

Für einen geldpolitischen Kurswechsel aber spricht, dass die Zeiten niedriger Inflation zu Ende gehen. Der Arbeitsmarkt für qualifizierte Arbeitskräfte droht schon jetzt heiß zu laufen, der Lohnanstieg beschleunigt sich. Auch wenn Trump tatsächlich Importzölle einführt, treibt das die Inflation. Die Ökonomen der Bank Sal. Oppenheim schätzen, dass die Strafzölle auf Einfuhren aus China und Mexiko die US-Importe um 15 Prozent verteuerten und die Inflation um drei Prozentpunkte steigen ließen.

Schönes Plus nach verdautem Brexit-Schock

Bei aller Unsicherheit cool bleiben

Trotz Unsicherheit über die Geldpolitik: Investorenlegenden wie Dr. Doom bleiben cool. Gemeint ist Marc Faber. Der Mann, der stets muskulös wie ein alter Boxer daherkommt, zuckt mit den Schultern angesichts des Wahlausgangs. Strategiewechsel? Fehlanzeige. Faber steckt ein Viertel seines Vermögens in Immobilien, vor allem in dividendenstarke Real Estate Investment Trusts (REITs) in Singapur und Hongkong sowie in Liegenschaften in Vietnam und Thailand. Ein Viertel legt er in Unternehmenspapieren an. Ein weiteres Viertel steckt in Anleihen und Bargeld. Den Rest hat er gebunkert in Edelmetallen: Gold, Silber und Platin. Für den Notfall. Auch ein Börsenguru weiß ja nie, was kommt.

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