Börse und Zinsen Womit die Börse nach der US-Präsidentenwahl rechnet

Wenn die größte Volkswirtschaft der Welt ihre neue Regierung wählt, merken Anleger auf. Womit Investmentbanker rechnen und wie sie sich auf Clinton oder Trump vorbereiten.

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Quelle: REUTERS

Das Brexit-Votum vom Juni hat es gezeigt: Wahlprognosen können daneben liegen und endet eine Wahl anders als vorhergesagt, sind die Kursbewegungen an den Kapitalmärkten heftig. Als die Briten tatsächlich für den Austritt aus der EU stimmten, wurde es an der Börse hektisch. Die Kurse von Pfund, Euro und Dollar schlugen aus, die US-Indizes Dow Jones und S&P 500 gaben sämtliche in 2016 bislang aufgelaufenen Gewinne wieder ab, der Technologieindex Nasdaq Composite verzeichnete mit einem Minus von vier Prozent den höchsten Tagesverlust seit 2011.

Ähnliches steht Anlegern nun durch die US-Präsidentschaftswahl ins Haus. Die Zuspitzung der E-Mail-Affäre kurz vor dem Wahltag gab einen Vorgeschmack: Plötzlich konnte Donald Trump in den Umfragen wieder deutlich zulegen, der schon sicher geglaubte Sieg Hillary Clintons schien wieder unsicher. Und weil Investoren nichts mehr hassen als Unsicherheit, schickten die neuen Umfragewerte die Börsen rund um den Globus auf Talfahrt. Der Dow Jones beschleunigte seinen Abwärtstrend und rutschte erstmals sein Juli wieder unter 18.000 Punkte, der Dax sank in den Folgetagen von mehr als 10.700 Punkten auf nur noch wenig mehr als 10.200 Punkt. Der Goldpreis erreichte erstmals seit Juni wieder mehr als 1300 Dollar je Feinunze.

Welche Staaten tendieren zu welchem Kandidaten

Als das FBI wegen der Clinton-E-Mailaffäre am vergangenen Wochenende wieder Entwarnung gab, ging es sogleich wieder in die entgegengesetzte Richtung. Am Dienstag schloss der Dow Jones mehr als zwei Prozent im Plus bei 18.259 Punkten, die Technologiebörse Nasdaq schaffte sogar ein Plus von 2,4 Prozent. Der Rückenwind für Clinton schob auch gleich den Dax an. Der deutsche Leitindex kletterte 1,9 Prozent nach oben auf 10.457 Punkte. Gold hingegen verlor deutlich und sank mit 1279 Dollar je Feinunze wieder unter die 1300-Dollar-Marke. Der Euro gab bis auf 1,1030 Dollar nach. Die Schaukelbörse zeigt deutlich, dass sich die Kapitalmarktakteure mit Hillary Clinton als US-Präsidentin deutlich wohler fühlen würden - vor allem, weil sie eine bekannte Größe im Politikgeschäft ist.

Blick nach vorn

Was erwartet Anleger nun nach dem Wahlkrimi in den USA? Weil der Wahlausgang noch immer recht unsicher ist, stellen sich die Investmentbanker an der Wall Street in New York bereits auf eine Nachtschicht im Anschluss an den Wahltag ein, um schnell reagieren oder für Kunden agieren zu können. Hier die wesentlichen Einschätzungen der Anlageprofis, unterschieden nach Wahlausgang.

Szenario 1: Clinton gewinnt

- Die Börse rechnet mit einem Wahlsieg Clintons. Schafft sie den Einzug ins Weiße Haus, fühlen sich Investoren bestätigt, die Marktreaktionen dürften weniger heftig ausfallen. Nach den jüngsten Kursverlusten ist vielmehr mit einer kurzen „Erleichterungsrally“ zu rechnen.

- Wegen ihrer Außen-, Sicherheits- und Sozialpolitik dürften besonders Rüstungs- und Gesundheitstitel von Clintons Wahl profitieren.

- Auch wenn Clinton an der Börse als Wahlsiegerin eingepreist ist, muss ihr Einzug in den Oval Office langfristig kein Segen für Aktionäre sein. Mit ihr als Präsidentin steigt die Wahrscheinlichkeit einer Leitzinserhöhung im Dezember. Das führt zu einer flacheren Zinskurve für lang laufende US-Staatsanleihen, das heißt, langfristig in US-Staatsanleihen zu investieren wird unattraktiver. Dann würden vor allem riskantere Anlagen steigen, da diese mehr Rendite versprechen – also beispielsweise Unternehmensanleihen oder Technologieaktien.

- Gewinnt Clinton die Wahl, könnte Trump versuchen, das Ergebnis als „manipuliert“ vor Gericht anzufechten. Dann würde sich die Unsicherheit an den Märkten noch länger fortsetzen. Die Folge: Die Börsenkurse stehen unter Druck, die Schwankungen bei Aktien und Anleihen bleiben groß

Szenario 2: Trump gewinnt

- Kapitalflucht: Anleger könnten ihr Kapital aus den USA abziehen und so die Aktienkurse kurzfristig nach unten drücken. Exportstarke US-Unternehmen könnten Gewinneinbußen erleiden, wenn Trump seine „America’s first“-Ankündigung wahrmacht, Zäune baut, Zölle erhebt und Einwanderer vergrault.

- Trump gilt als unberechenbar. Bis Anleger einschätzen können, wie ein Präsident Trump tatsächlich agiert, bleibt eine gewisse Unsicherheit bestehen. Sichere Häfen wie Gold oder Anleihen bleiben daher gefragt. Andere Rohstoffe dürften eher unter Druck geraten, da Trump den globalen Handel bremsen möchte. Treibt Trump den Kampf gegen den Terrorismus wie angekündigt mit harter Hand voran, könnte das die Ölproduktion im Nahen Osten dämpfen und so den Ölpreis nach oben treiben.

von Silke Fredrich, Nora Jakob, Katharina Matheis, Nico Hornig, Jana Reiblein

- Trump hat kein Problem mit hohen Staatsschulden. Vielmehr deutete er an, die hohen Staatsschulden der USA durch Einsatz der Notenpresse abbauen zu wollen. Deswegen mehren sich auch die Stimmen, die mit einem Rücktritt von US-Notenbankchefin Janet Yellen rechnen, sollte Trump der nächste Präsident werden. Trump würde die Rückkehr zu normalen Zinsen gerne radikaler angehen, Yellen agiert hier bislang sehr behutsam - einige nennen es zögerlich, die anderen besonnen.

- Steigende Zinsen stärken den Dollar. Das aber wäre schlecht für exportstarke US-Unternehmen, weil deren Produkte im Ausland teurer werden. Umgekehrt wäre es gut für europäische Exportunternehmen, zumal die Europäische Zentralbank von einer Zinserhöhung noch weit entfernt ist. Ob Trump aber Zinserhöhungen tatsächlich durchsetzen kann, ist zumindest unsicher. Der Dollar dürfte daher anfangs weiter schwanken.

- Banken und Finanzunternehmen könnten steigende Kurse verzeichnen – etwa, weil Trump das Eigenhandelsverbot für Banken wieder aufhebt oder die Bankenregulierung schleifen lässt.

Das versprechen die Präsidenten-Anwärter
Figuren von Trump und Clinton Quelle: dpa
Donald Trump Quelle: REUTERS
Hillary Clinton Quelle: AP
Donald Trump Quelle: AP
Clinton Quelle: AP
Figuren von Trump und Clinton Quelle: dpa
Hillary Clinton Quelle: REUTERS

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Wahlergebnisse oder politische Ereignisse zwar kurzfristig in den Kursen niederschlagen, die Märkte sich von solchen Schocks jedoch zumeist in wenigen Tagen oder Wochen wieder davon erholen.

Viele Marktbeobachter sind sich einig darin, dass es unter dem Strich für die Finanzmärkte kaum einen Unterschied macht, ob Trump oder Clinton die Wahl gewinnen. Vor allem mittel- bis langfristig müssen sich Anleger darauf einstellen, dass die Börsen seitwärts laufen und dabei auch mal stark schwanken. Auf die Zunahme der Volatilität, also der Schwankungsbreite in den Börsenkursen, sollten sich Anleger unbedingt einstellen.

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