Viel Reisschnaps und einen frühen Feierabend. So kann man sich zuletzt die Tage im chinesischen Propagandaministerium vorstellen. Oder Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit, wie es mittlerweile charmant auf Englisch heißt. Erst läutet Großbritannien mit dem Brexit das Ende der Europäischen Union ein. Und dann wählen die Amerikaner einen Verrückten zum Präsidenten. Besser hätten es sich Chinas Machthaber nun wirklich nicht ausdenken können.
Seit des Wahlsiegs der Republikaner sinnieren chinesische Staatsmedien dementsprechend genüsslich über die Krise der westlichen Demokratien. Schon im Vorfeld sollen die chinesischen Zensoren die Redaktionen angewiesen haben, ausführlich über die (zahlreichen) Skandale und Eklats des amerikanischen Wahlkampfs zu berichten. In der Wahlnacht erklärte Chinas wichtigste Zeitung People's Daily dann in ihrem Leitartikel, dass der Wahlkampf „unbestreitbar die dunkelste Seite der so genannten Demokratie in den USA“ hervorgebracht hätte.
Die Diskussion in Europa, um die Zukunft der transatlantischen Beziehungen, die unter anderem durch den Gastkommentar von Barack Obama und Angela Merkel in der aktuellen Ausgabe der Wirtschaftswoche mitbestimmt wurde, wird indes wenig Platz eingeräumt. Denn politisch betrachtet ist Trump aus chinesischer Sicht ein Hauptgewinn. Er erscheint nicht nur wie der lebende Beweis für die Unterlegenheit der westlichen Demokratien. In China ist man beispielsweise stolz darauf, dass neue Parteimitglieder an den Unis und Schulen nur unter den besten Schülern und Studenten rekrutiert werden.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Zudem bedeutet die Wahl Trumps mehr Spielraum für die aufsteigende Supermacht. Das prognostiziert auch der Politikwissenschafter Mei Xinyu in einem Artikel in der staatlichen Global Times. Denn während Obama beispielsweise im Konflikt um die Bebauung von Inseln im Südchinesischen Meer China wiederholt vor einer weiteren Ausdehnung gewarnt hatte. Und Clinton vor der Wahl erklärt hatte, die Ausweitung durch eine größere militärische Präsenz eindämmen zu wollen, lassen Trumps Ankündigungen in Peking auf das Gegenteil hoffen.
Der amerikanische Botschafter Max Baucus in Peking versuchte zwar verzweifelt Schadensbegrenzung zu betreiben. So erklärte er, die „wichtigsten Beziehungen der Welt” würden unter der Präsidentschaft Trumps nicht leiden. Änderungen in der Klimapolitik oder der Haltung gegenüber Nordkorea seien nicht zu erwarten. Zudem sei die Forderung Trumps, Produkte aus China mit einer Einfuhrsteuer von 45 Prozent zu belegen, „in einem hitzigen Wahlkampf“ gefallen und würde sich so gar nicht durchführbar lassen.
Auf Weibo, der sozialen Plattform, wo das Propagandaministerium sonst politische Kommentare gerne verschwinden lässt, kennt der Spott aber keine Grenzen. Die angeblich größte Nation der Welt werde nun von dem größten Spinner regiert, kommentiert ein Nutzer. Ein anderer schreibt, dass die Wahl für ihn keine Überraschung sei. In den USA würde sowieso das Geld die Demokratie regieren.
Erst am Wochenende wurden die Tiraden für einen kurzen Moment von einer anderen Nachricht verdrängt. Es tauchte ein Video von Trumps vierjähriger Enkeltochter auf, die auf Chinesisch ein Gedicht aus der Tang-Dynastie rezitierte. Auf Weibo gab man sich daraufhin erleichtert. Trump habe zwar keine Ahnung von China, aber dann könnte ihn zumindest seine Enkeltochter ab und zu beraten.