Clinton vs. Trump Der Krieg der Worte

Amerika im rhetorischen Ausnahmezustand. Die beiden Kandidaten haben sich gegenseitig beschimpft und verunglimpft. In den Echokammern der sozialen Medien verschwimmt die Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahn.

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"Ich werde eine Mauer bauen - niemand baut Mauern besser als ich"
TV-debate Quelle: REUTERS
Donald-Trump Quelle: AP
Letter-from-FBI Quelle: AP
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Donald-Trump Quelle: AP
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Hillary-Clinton Quelle: AP

Das Phänomen ist aus Hirnforschung und Werbepsychologie bekannt: Man muss nur oft und laut genug ein Wort, einen Satz wiederholen, damit er sich festsetzt und einbrennt in den Köpfen des Publikums. Damit er heimisch wird in den neuronalen Schaltkreisen. Schwarze sind faul zum Beispiel und Mexikaner Vergewaltiger. Amerika ist heruntergekommen und Washington korrupt. Bernie Sanders spinnt und Hillary Clinton lügt. Lauter Sätze des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, die dem Publikum in Serie eingehämmert werden, in Interviews, Reden und Tweets.

Mehr als 200 Mal hat Donald Trump seine Konkurrentin auf dem Kurznachrichtendienst Twitter geschmäht: „Crooked Hillary“, „betrügerische Hillary“. Das Wort ist zum rhetorischen Fallbeil geworden im Wahlkampf der Republikaner, zu einem Gladiatorenurteil, das keine Argumente und Gründe braucht – zum Vehikel eines Hasses, der sich seine eigene, binäre Wirklichkeit schafft.

Hillary, so versichert der New Yorker Immobilientycoon in Tausenden von Tweets, sei nicht nur „sehr dumm“, sondern auch eine „pathologische Lügnerin“, eine „Heuchlerin“ und „Betrügerin“ – „crooked Hillary“. Das hässliche Epitheton soll sich der Antipodin wie ein Stigma aufprägen, nicht durch den Nachweis ihrer Unglaubwürdigkeit, sondern durch schiere Wiederholung. Eine simple, aber wirkungsvolle Manipulation, die wie ein unbewusster, gegen jeden Einwand immunisierter Sprachreiz funktioniert und berechenbare Reflexe auslöst. Jedenfalls bei den Trump-Anhängern, die sich Clinton gar nicht mehr anders denken können als „crooked“. Und siehe da, sie skandieren: „Sperrt sie ein!“ und „Tötet sie!“.

Das Wahlrecht und Wahlsystem der USA

Sogar für Viertklässler verständlich

Trumps Wut-Vokabeln zielen auf die Ausschaltung der Vernunft. Er will starke Emotionen wecken, die die Realität außer Kraft setzen. Er will von politischen Fakten nichts wissen, damit Stimmungen zum politischen Faktor werden. Zu den unschlagbaren Vorteilen von Trumps aggressiver Schlagwort-Rhetorik gehört ihre Eingängigkeit, seine Lust an der hohlen Phrase. Amerikanische Linguisten haben festgestellt, dass Trumps Sprache, sein bei öffentlichen Auftritten herausgeschleudertes Stakkato kurzer, einfacher Sätze, bei weniger Gebildeten besser ankommt als bei College-Absolventen. Mehr noch: Sie wird sogar von Viertklässlern verstanden.

Die Konkurrenten sind Trump zwar auf den Fersen, vor allem die aus der eigenen Partei. So kommunizierte der Chirurg Ben Carson, einer von Trumps republikanischen Widersachern im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur, bereits auf Sechstklässler-Niveau. Doch tiefer als Trump reicht keiner herunter. Um Hillary Clinton zu verstehen, muss man schon Achtklässler sein. Und für die Botschaften des zornigen Antikapitalisten Bernie Sanders sind Amerikaner erst ab 16 empfänglich. Und selbst das ist nichts im Vergleich zum amerikanischen Gründervater George Washington, der sich mit seiner „Farewell Address“ von 1796 auf schwindelerregendem Hochschulniveau bewegte.

Die Bilder des Wahlkampf-Endspurts
Hillary Clinton (ca. 1,65 Meter) an der Seite von Basketball-Superstar Lebron James (2,03 Meter) bei einem Auftritt am Sonntag in Cleveland, Ohio. Quelle: REUTERS
Wenige Stunden zuvor: Clinton besucht eine Kirche im Bundesstaat Pennsylvania. Quelle: REUTERS
Donald Trump bei einem Stopp in Minneapolis, Minnesota, am Sonntag. Quelle: REUTERS
Am Samstag moderierte Melania Trump ihren Ehemann bei einer Veranstaltung in Wilmington, North Carolina, an. Danach gab es Küsschen. Quelle: AP
In Berwyn, Pennsylvania, hatte Melania Trump vergangene Woche eine Rede gehalten – recht hölzern vom Teleprompter abgelesen. Sie sprach sich für einen besseren Umgangston in sozialen Netzwerken aus. Es war ihr zweiter bedeutender Auftritt im Wahlkampf ihres Mannes. Quelle: AP
Am Samstag gab der Popstar ein Konzert und präsentierte einen Mantel: „Ich unterstütze Madam President.“ Quelle: REUTERS
Der Song „Roar“ der 32-Jährigen wird regelmäßig auf Clinton-Wahlkampfveranstaltungen gespielt. Quelle: REUTERS

Ein Indiz für den Verfall der politischen Rhetorik? Im Zeitalter der Massendemokratie wirkt Politik nur, wenn sie in klarer, verständlicher Sprache vorgebracht wird. Darin setzt Donald Trump empirisch belegbare Maßstäbe: Keiner brauchte weniger Zeichen, weniger Silben pro Wort in seiner Antrittsrede als Kandidat, schreibt der „Boston Globe“. Keiner sprach kürzere Sätze. Keiner benutzte so häufig Imponier-Wörter wie „gewaltig“, „schrecklich“ oder „großartig“. Und natürlich fertigte auch keiner seine politischen Gegner bisher brutaler ab als Donald Trump, zum Beispiel auf Twitter (@realDonaldTrump). Der Republikaner Jeb Bush? „Low-energy“, „lahm“. Der „sogenannte“ Präsident Barack Obama? „Failed“, „gescheitert“. Der Kurznachrichtendienst ist wie geschaffen für den Rüpel-Stil: „140 Zeichen – mehr bedarf es für Donald Trump nicht, um ein weiteres Mal die Welt zu erklären“, so der Politikwissenschaftler Torben Lütjen, „um die Empörungsschraube noch eine Windung weiterzudrehen.“

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