Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten bedeutet für die Europäische Union und die Nato vor allem: Unsicherheit. Letztlich weiß in Brüssel kaum jemand, was vom künftigen Staats- und Regierungschef für die transatlantische Politik der Vereinigten Staaten zu erwarten ist. Doch dürften schwierige Zeiten anstehen zwischen den lange so engen Partnern USA und Europa. Denn Trumps Maxime lautet: „Amerika zuerst“.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Welchen US-Präsidenten haben sich EU und Nato gewünscht?
Auch wenn nicht jeder seine Meinung öffentlich äußerte: In Brüssel ist kein Spitzenpolitiker bekannt, der Trump am Dienstag die Daumen gedrückt hätte. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte es mit den Worten seiner Frau: „Ein Donald ist genug“. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ging inhaltlich auf Distanz zu Trump. Noch deutlicher wurde vor der Wahl EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: „Trump ist nicht nur für die EU ein Problem, sondern für die ganze Welt.“
Was bedeutet seine Wahl für die Nato?
Europäische Nato-Partner wie Deutschland müssen sich wohl darauf einstellen, deutlich mehr Verantwortung zu übernehmen. Trump kritisierte im Wahlkampf, Amerika trage eine zu große Last, er werde von den Verbündeten verlangen, mehr für die eigene Verteidigung zu tun - vor allem finanziell. Dies hat zwar auch Barack Obama getan. Trump tritt jedoch entschiedener auf. Spannend ist vor allem die Frage, ob der 70-Jährige die Abschreckungspolitik der Nato gegenüber Russland unterstützt. Die Signale im Wahlkampf waren gemischt. Zur laufenden Aufrüstung in Osteuropa wegen der Ukraine-Krise fragte Trump unter anderem: „Warum sind immer wir diejenigen, die in der Führung sind?“
Welche Politik hat die EU von Präsident Trump zu erwarten?
Trump hat dazu wenig gesagt und man kennt ihn in Brüssel auch nicht: Nach Angaben der EU-Kommission gab es im Wahlkampf keine Kontakte zum Kandidaten. Der Politikwissenschaftler Thomas Wright attestiert Trump aber tiefe Skepsis gegen die bisherige Außen- und Bündnispolitik der USA. US-Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg haben die EU als großes Einigungsprojekt gewürdigt und gefördert. Trump ätzte im Juli, die Gemeinschaft sei nur gegründet worden, um „die USA beim Geldverdienen auszustechen“. Insgesamt dürfte die Distanz zu Europa wachsen. Der Republikaner formulierte seine Priorität in einer Grundsatzrede ganz klar: „Amerika zuerst wird das große und überragende Thema meiner Regierung sein.“
Wie steht es nun um das Handelsabkommen TTIP?
Trump lehnt Globalisierung und Freihandel grundsätzlich ab, und das bedeutet wohl: TTIP ist tot. Allerdings spielte das geplante US-Freihandelsabkommen mit der EU, das 45 Prozent des globalen Handels und ein Drittel der globalen Wirtschaftskraft umfassen würde, im Wahlkampf fast keine Rolle, wie die Denkfabrik European Policy Centre analysiert. Anders als Freihandelszonen mit Niedriglohnländern tauge der geplante Pakt mit Europa nicht zur „Dämonisierung“. Es gibt also keine wirklich eindeutige Festlegung und somit Hintertürchen für TTIP - allerdings wohl nur theoretisch.
Gibt Trumps Wahl europäischen Rechtspopulisten Auftrieb?
Das wird zumindest befürchtet. Die Rückbesinnung aufs Nationale, auf Eigen- und Einzelinteressen treibt auch in europäischen Ländern große Minderheiten um, so etwa in den Niederlanden, Frankreich, Italien, Ungarn und auch in Deutschland. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber wertete die US-Wahl deshalb als Weckruf. „Wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen stärker aufnehmen und seriös und sachlich darauf reagieren. Wir dürfen das Feld nicht den Radikalen in aller Welt überlassen.“ Doch gilt auch: Wenn die US-Regierung unter Trump weltweit weniger aktiv ist, wächst der EU global mehr Gewicht zu. Und das könnte ein Anreiz sein, sich zusammenzuraufen, ob nun in Verteidigungs-, Wirtschafts- oder Migrationsfragen.
Wann kommt Trump zum ersten Mal nach Europa?
Zur Eröffnung des neuen Nato-Hauptquartiers in Brüssel soll es in der ersten Hälfte 2017 ein Gipfeltreffen geben. Seine Teilnahme könnte Trump mit Besuchen in anderen EU-Hauptstädten verbinden.