Donald Trump und Mexiko Wer hat die Absicht, eine Mauer zu bauen?

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Nur vier von zehn Erwachsenen haben ein Bankkonto

Martín Salas rechnet mit einer menschlichen Tragödie. Salas ist Chef der kleinen Finanzkooperative Red Eco, die in Gemeinden in Guerrero das Geld der Migranten verwaltet. Es ist so eine Art Raiffeisenbank, wie es sie auch in Deutschland gibt. In Mexiko haben nur vier von zehn Erwachsenen ein Bankkonto. „Auf dem Land so gut wie niemand“, sagt Salas. Und damit die Familien der schuftenden Verwandten in den USA die Pesos nicht nur in Kühlschränken, Plasmafernsehern und Tequila anlegen, bietet Red Eco Konten und Kredite für Hausbau und Aussaat.

Es lohnt sich, denn die Migranten schicken 400 bis 500 Dollar pro Monat an die Verwandten daheim in Huamuxtitlán – ein Viertel dessen, was sie im Schnitt in den USA verdienen.

„Von den 1500 Familien bei uns bekommen 1000 Remesas“, sagt Salas. Remesas nennt man in Mexiko die Auslandsüberweisungen, die so überlebenswichtig sind für Millionen von Menschen in dem Land. Viele Familien in Bundesstaaten wie Michoacán, Puebla, Guerrero, Oaxaca oder Chiapas, die zu den ärmsten Mexikos gehören, leben nur von den Überweisungen. In Guerrero tragen sie knapp acht Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Manche Dörfer Mexikos sind regelrecht entvölkert, weil die jungen Erwachsenen in den USA arbeiten.

Vergangenes Jahr überwiesen die im Ausland lebenden Mexikaner umgerechnet 23 Milliarden Euro an ihre Familien zu Hause – nach Erdöl und Tourismus die drittgrößte Devisenquelle des Landes.

Doch sie könnte bald versiegen, wenn Trump seine Drohungen wahr macht. Er will den Bau der Grenzmauer den Mexikanern in Rechnung stellen und kalkuliert die Kosten auf rund fünf bis neun Milliarden Euro. Da die Regierung in Mexiko-Stadt dafür nicht aufkommen wird, will Trump das Geld über die Remesas reinholen. „Die US-Regierung könnte die Überweisungen konfiszieren, was einer Enteignung gleichkäme, oder sie besteuern“, sagt Alfredo Coutiño, Lateinamerikadirektor bei der US-Ratingagentur Moody’s Analytics.

Erhöbe Trump Steuern von fünf Prozent nur auf die Überweisungen der Migranten ohne Papiere, würde er so pro Jahr 1,2 Milliarden Euro zurückstellen können. Geld, das den Familien daheim fehlt. Für die Menschen in Huamuxtitlán wäre das wie ein „Erdbeben“, sagt Salas. „Unser Ort und andere in der Umgebung sterben dann.“

Den Beginn der Massendeportation hat Trump bereits angekündigt. Zwei bis drei Millionen illegale Einwanderer „mit krimineller Vergangenheit“ wolle er zügig abschieben, sagte er in einem Fernsehinterview nach der Wahl. Abgesehen davon, dass es so viele kriminelle Einwanderer ohne Papiere laut offiziellen Statistiken gar nicht gibt, bleibt auch die Frage, was er mit den restlichen acht Millionen Immigranten vorhat. Dies entscheide er zu gegebener Zeit, wenn die Regierung „die Grenze gesichert“ habe. Zudem wolle Trump die Zahl der Grenzschutzbeamten aufstocken.

Barack Obama hatte in seiner Amtszeit 2,5 Millionen Illegale abgeschoben – mehr als jeder Präsident zuvor. Trump wird die Zahl locker toppen.

Auf der Columbia Road in Washington, D.C. herrscht wenige Tage nach der Wahl Hochbetrieb. Moras Anwaltskanzlei liegt mitten im Szeneviertel Adams Morgan mit zahlreichen Cafés und Restaurants in der Nähe. In der Imbissstube Super Tacos & Bakery sitzen zwei Bauarbeiter mit neongelben Westen. Sie essen Burritos und sprechen spanisch. Auf dem Fernseher an der Wand läuft Fußball aus Mexiko mit Originalton. Möglicherweise arbeiten die beiden illegal auf einer der vielen Baustellen der Hauptstadt. Vielleicht auch nicht. „Das wissen selbst die Arbeitgeber meist nicht“, sagt Mora.

Viele Immigranten besorgten sich Sozialversicherungsnummern von Freunden oder fälschten sie. „Viele Unternehmer wollen es gar nicht wissen.“ Und der Staat zwinge sie nicht dazu, die Dokumente auf Echtheit zu überprüfen.

Warum auch. Immigranten ohne gültiges Visum sind ein wichtiger Bestandteil des US-Arbeitsmarktes. Rund fünf Prozent der 160 Millionen Erwerbstätigen halten sich laut Forschern des Pew Research Center illegal in den USA auf. Allein in der Landwirtschaft arbeiten 26 Prozent der Beschäftigten ohne rechtmäßiges Visum, im Bausektor 15 Prozent. Eine aktuelle Studie der Ökonomen Ryan Edwards und Francesc Ortega von der Universität New York prognostiziert einen Einbruch der Produktion von bis zu neun Prozent in der Gastronomie, der Landwirtschaft und im Bau, sollte Trump sämtliche elf Millionen illegale Einwanderer aus Südamerika außer Landes werfen.

Das wirklich überraschende Ergebnis: „Wenn wir über illegale Einwanderer nachdenken, dann denken wir an arme mexikanische Arbeiter mit geringer Bildung in der Landwirtschaft“, sagt Studienautor Edwards. Die gibt es natürlich. Doch in einigen Bereichen „sind sie gut ausgebildet, werden gut bezahlt und sind schwer zu ersetzen“. So drohe allein dem Industriesektor ohne die Arbeitskraft der Illegalen ein Verlust von rund 70 Milliarden Euro.

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