Über was stimmen die US-Amerikaner neben den Wahlen noch ab?
Neben dem US-Präsidenten wählen die Amerikaner auch noch alle Vertreter des House of Representatives und ein Drittel des Senats. Eine republikanische Mehrheit des Repräsentantenhauses gilt als sicher. Das Abgeordnetenhaus, das alle US-Bundesstaaten im Verhältnis der Bevölkerung repräsentiert, kann Steuergesetze einbringen und ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten mit einer einfachen Mehrheit einleiten. Der Senat würde in diesem Fall die Rolle des Gerichts übernehmen.
Spannend in der diesjährigen Wahl ist das Ergebnis der Senatswahlen. Derzeit haben die Republikaner die Mehrheit. Doch die Chancen der Demokraten, die Mehrheit zu erobern stehen inzwischen gut. Der neue Präsident hat die Aufgabe, einen neunten Richter für das Verfassungsgericht, den Supreme Court, zu bestimmen. Der Senat muss dieser Personalie zustimmen. Und in dieser Gemengelage wird sich entscheiden, ob das oberste Gericht eine liberale oder eine konservative Ausrichtung erhält. Denn die derzeitige Zusammensetzung der Richter gleicht einem politischen Patt zwischen vier progressiven und vier konservativen Richtern. Der neunte Richter ist kürzlich verstorben, eine Nachbesetzung durch Barack Obama ist unter dem Widerstand des Senats gescheitert.
Doch auch ganz andere Themen stehen am Wahldienstag auf der Agenda. Das populärste Thema: die Legalisierung von Cannabis. In den fünf Staaten Arizona, Kalifornien, Maine, Massachusetts und Nevada stimmen die Bürger darüber ab, ob der Anbau und der Konsum von Hanf erlaubt werden soll. In vier weiteren Staaten – Arkansas, Florida, Montana und Nord Dakota – geht es um die Freigabe des Medizin-Hanfs.
Welche Rolle wird Amerika in Zukunft spielen?
Der Republikaner Trump hat das Bewusstsein der Wähler auf die innenpolitischen Probleme Amerikas gelenkt: die Probleme der weißen Arbeiterschicht, das schwache Wachstum, die hohe Belastung durch das amerikanische Engagement im Ausland. Die USA werden ihren politischen Fokus nach der Wahl auf jeden Fall stärker auf sich selbst richten. Denn auch Clinton könnte sich dem öffentlichen Druck, den Trump erzeugt hat, nicht entziehen.
Beispiel Freihandel: Trump will Verträge wie das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada nachverhandeln. Als Präsident könnte er NAFTA kündigen, aber über die Folgen sind sich Experten uneins. Wahrscheinlich würde der Fall vor Gericht landen. Wie auch immer Trump mit NAFTA umgehen würde: Auch Clinton hat sich bereits gegen zu viel Freihandel ausgesprochen. Die Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) will sie in der jetzigen Form nicht mittragen.
Clintons wirtschaftspolitische Pläne
Clinton will in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit das umfassendste Investitionsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg in Infrastruktur, Industrie, Forschung und Entwicklung, Klimaschutz und Mittelstandförderung anstoßen. Sie will über fünf Jahre aus staatlichen und privaten Quellen 275 Milliarden Dollar mobilisieren, um die Verkehrs- und Netz-Infrastruktur zu verbessern. Damit und mit anderen Mitteln will sie über zehn Millionen neue Jobs schaffen. Die Industrie soll stärker werden. Gelingen soll das mit einer Partnerschaft von Wirtschaft, Arbeitnehmern, der Regierung und Verwaltungen sowie der Wissenschaft. Firmen sollen sich verpflichten, Jobs und Investitionen statt in Übersee in den USA zu halten. Dafür sollen sie finanzielle Vorteile genießen. Besonders gefördert werden sollen strukturschwache Regionen. Die Position der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften will Clinton stärken. Der Mindestlohn soll von 7,25 Dollar je Stunde auf zwölf, zuletzt war gar von 15 Dollar die Rede, erhöht werden.
Clinton verspricht ein gerechteres und einfacheres Steuersystem. Multi-Millionäre und Milliardäre sollen einen Steueraufschlag zahlen, Arbeitnehmerhaushalte und Familien entlastet werden. Steuerschlupflöcher für Firmen und Privatpersonen will Clinton schließen. Unternehmen, die ihre Gewinne in Steueroasen transferieren, sollen eine Extra-Steuer zahlen. Investitionen von Unternehmen in den USA selbst will sie begünstigen und dabei kleine Firmen besonders entlasten. Gleiches gilt für Familien, die Sonderlasten tragen, weil sie beispielsweise ältere und erkrankte Familienangehörige pflegen.
Die US-Finanzindustrie will Clinton enger an die Leine legen. Wall-Street-Riesen sollen einen Extra-Zuschlag zahlen, der sich nach ihrer Größe und ihrem Risikogewicht für die Branche richtet. Bestehende Möglichkeiten für Großbanken, Kundengelder in Hochrisikofeldern zu investieren, will sie beschneiden. Top-Banker sollen bei Verlusten ihrer Institute mit Bonus-Einbußen rechnen. Der Hochfrequenzhandel soll besteuert werden. Riesige und undurchschaubare Finanzriesen sollen stärker kontrolliert und im Zweifel aufgespalten werden. Clinton will Finanzmanager auch stärker in Mithaftung nehmen, wenn in ihren Instituten gegen geltendes Recht verstoßen wird.
Clinton verspricht, schärfer gegen Länder wie China vorzugehen, wenn diese internationale Freihandelsregeln verletzen und damit amerikanischen Arbeitsplätzen schaden. Sie will Nein sagen zu Handelsabkommen, wie der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP), die nicht den US-Standards genügen, etwa mit Blick auf die Bezahlung von Arbeitnehmern. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will sie neu verhandeln. Zum US-EU-Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit verhandelt wird, äußerte sie sich in jüngster Zeit zwar nicht direkt, doch war sie schon früher auch dazu auf Distanz gegangen und will in Freihandelsabkommen generell die amerikanischen Interessen besser zum Tragen kommen lassen. „Amerika fürchtet den Wettbewerb nicht“, gibt sie sich insgesamt kämpferisch.
In Umwelt- und Energiepolitik will Clinton Zeichen setzen. Sie will Amerika zur weltweiten „Supermacht“ des 21. Jahrhunderts in Sachen saubere Energie machen.
Clinton will Schluss damit machen damit, dass sich US-Bürger wegen einer College- oder Universitätsausbildung hoch verschulden. Sie will für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie und gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgen. Bei Krankheit und im Alter soll es mehr soziale Sicherheit geben.
Stattdessen vermuten Experten, dass sich die USA stärker bilateralen Vereinbarungen öffnen werden. Der Brexit wäre eine günstige Gelegenheit. Die USA und Großbritannien könnten sich auf eine Freihandelszone einigen. Das würde auch Trump mittragen.
Auf sicherheitspolitischer Ebene werden die USA den Druck auf ihre Partner erhöhen. Innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit gibt es ein tiefes Unbehagen gegen die hohen Kosten des US-Engagements im Ausland. Die USA zahlen zwar „nur“ 22 Prozent der Beiträge des Militärbündnisses Nato. De facto zahlen sie aber mehr, denn wenn es zu internationalen Konflikten kommt, greifen immer die USA ein. Rechnet man die Verteidigungsbudgets der 27 Nato-Länder mit ein, zahlen die USA 72 Prozent der Ausgaben. Sowohl Trump als auch Clinton werden den Druck auf die Partner erhöhen, ihr Engagement zu erhöhen oder mehr Geld zu zahlen.