Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat für Geduld mit seinem künftigen Nachfolger Donald Trump geworben. Dieser werde sein Bestes tun, um die Nation zu einen, sagte Obama am Montag in seiner ersten Pressekonferenz nach dem Wahlsieg Trumps. Den Republikaner bezeichnete er außerdem als pragmatisch. Trump werde an den Verpflichtungen gegenüber der Nato festhalten.
Mit seine erstaunlich kritikarmen Äußerungen vollzog Obama eine Abkehr von seinen düsteren Warnungen vor Trump, die noch kürzlich den Wahlkampf geprägt hatten. Die neue Tonlage werteten Beobachter auch als ein Signal nach außen: Weltweit hat Trumps überraschender Sieg mit Blick auf seine umstrittenen Wahlkampfansagen große Sorge ausgelöst.
„Er hat gewonnen“, sagte Obama. „Er wird der nächste Präsident und ungeachtet der Erfahrung oder Annahmen, die er ins Amt mitbringt, weckt einen dieses Amt auf.“ Es sei zu hoffen, dass er einige seiner Gaben, mit denen ihm der größte politische Umsturz der Geschichte gelungen sei, in den Dienst des amerikanischen Volkes stelle.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Zudem räumte Obama ein, dass er Trump Rat angeboten habe. So habe er ihm nahegelegt, nun vom Wahlkampf in den Regierungsmodus zu schalten. Dazu gehöre auch die Notwendigkeit, die Tonlage nach der erbitterten Wahl anzupassen. „Ich denke nicht, dass er ideologisch ist“, sagte Obama über Trump. „Und das kann ihm nützlich sein, solange er gute Leute um sich hat und einen klaren Richtungssinn.“
Obama kündigte zudem an, sich bei Trump für ein Bleiberecht für junge Migranten einzusetzen, die schon im Kindesalter in die USA kamen. Er werde Trump drängen, „sehr lange und gründlich nachzudenken“, ehe er sein Dekret zur Aussetzung der Abschiebung dieser Menschen rückgängig mache, sagte der scheidende Präsident.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Einer Frage über Trumps umstrittene Entscheidung, den von rechten Kreisen gefeierten Medienmogul Stephen Bannon zu seinem Chefstrategen zu machen, wich Obama indes aus. „Es ist wichtig, dass wir ihn seine Entscheidungen treffen lassen.“ Gleichwohl sei es auch notwendig, „einige Signale der Eintracht“ zu senden.
Diese Aussagen wird Obama am Dienstag in Berlin wohl wiederholen müssen – vor den wichtigsten europäischen Staatsleuten. Sein zweiter Besuch in der deutschen Hauptstadt war eigentlich als Höflichkeitsgeste gedacht, gegenüber Angela Merkel, mit der Obama acht Jahre lang eng zusammenarbeitete. Nach der Wahl Donald Trumps zu seinem Nachfolger ist alles anders. Die spektakuläre Entscheidung des amerikanischen Volkes überschattet den Besuch.
Zusammen mit Kanzlerin Merkel und am Freitag auch mit den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien, wird Obama nach Möglichkeiten suchen, das Erreichte nicht gänzlich zu opfern. Die wichtigsten Politikfelder:
- Atompolitik: Die internationale Gemeinschaft kämpfte jahrelang darum, den Iran in ein bindendes Atomabkommen zu integrieren. 2015 war es endlich soweit, der Westen jubelte, Israel nicht. Donald Trump hatte angekündigt, das Abkommen, das dem Iran die zivile Nutzung der Atomkraft unter strengen Kontrollen des Westens sichert, rückgängig machen zu wollen. China, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben ebenfalls unterschrieben. Ein Alleingang Trumps könnte alles zunichte machen.
- Klimaschutz: Die US-Republikaner sind die einzige größere politische Kraft des Westens, die einen vom Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Donald Trump ist in seiner Partei keine Ausnahme. Er hat angedroht, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, das rund 200 Länder unterzeichnet und mehr als 70 bereits ratifiziert haben und das auch bereits in Kraft gesetzt ist, ausscheren oder zumindest nachverhandeln zu wollen. Politisch ist dagegen von außen schwer vorzugehen. Trump könnte mit seiner Energiepolitik pro Kohle und Öl die vereinbarten Emissionsziele schlicht mutwillig verfehlen, ohne diplomatisch überhaupt tätig zu werden.
- Wirtschaft und Finanzen: Die Finanzstabilität Griechenlands gehört zu den Hauptzielen von Obamas Reise. Er steht aufseiten des Internationalen Währungsfonds und vertritt die Ansicht, Griechenland brauche neben wirtschaftlichen Reformen auch Entlastung von seinen Schulden, um nachhaltig wieder auf die Beine zu kommen. Die Bundesregierung sieht das völlig anders. Das griechische Problem seien nicht die Schulden, hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble mehrfach betont. Der Dauerstreit könnte auch in Berlin auf den Tisch kommen. Insgesamt will Trump das untermauern, was international als Mainstream gilt: Die Globalisierung ist nicht optimal, sie muss fortentwickelt werden - aber sie wird sicher nicht rückgängig zu machen sein.
- Terrorbekämpfung: Der scheidende US-Präsident will bei der Terrorismusbekämpfung noch einmal mit seinen wichtigsten Partnern Pflöcke einschlagen. Das gilt für die Abwehr von Gefahren auf eigenem Terrain wie auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Im Irak schreitet die Anti-IS-Koalition gerade in der IS-Hochburg Mossul voran. Die Terrorabwehr mit Hilfe der geheimdienstlichen Verarbeitung von Online-Daten war einer der großen Streitpunkte in Obamas Amtszeit mit Deutschland. „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, hatte Merkel 2013 erklärt. Die Positionen sind inzwischen nicht mehr so verhärtet.
- NATO: Donald Trump hat wiederholt die Beziehungen der Vereinigten Staaten zur Nato in Frage gestellt. Tenor: Die USA sind so stark, die brauchen keine Nato. Obama versucht, dies schon vor seiner Abreise nach Europa wieder abzuräumen. Trump habe ihm versichert, dass er großes Interesse habe, die strategischen Kernbeziehungen aufrechtzuerhalten. Die führenden Staatsleute Europas werden möglicherweise noch ein paar tiefergehende Fragen an Obama zum Thema haben.