Europa-Reise des US-Präsidenten Obama muss den Europäern Trump erklären

Präsident Obama trifft in Berlin mit den wichtigsten europäischen Staatschefs zusammen. Auf eine fast skurrile Art wird ausgerechnet er zum Mittler zwischen einem verdutzten Europa und seinem Amtsnachfolger Donald Trump.

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Barack Obama vor dem Abflug nach Europa. Quelle: AP

Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat für Geduld mit seinem künftigen Nachfolger Donald Trump geworben. Dieser werde sein Bestes tun, um die Nation zu einen, sagte Obama am Montag in seiner ersten Pressekonferenz nach dem Wahlsieg Trumps. Den Republikaner bezeichnete er außerdem als pragmatisch. Trump werde an den Verpflichtungen gegenüber der Nato festhalten.

Mit seine erstaunlich kritikarmen Äußerungen vollzog Obama eine Abkehr von seinen düsteren Warnungen vor Trump, die noch kürzlich den Wahlkampf geprägt hatten. Die neue Tonlage werteten Beobachter auch als ein Signal nach außen: Weltweit hat Trumps überraschender Sieg mit Blick auf seine umstrittenen Wahlkampfansagen große Sorge ausgelöst.

„Er hat gewonnen“, sagte Obama. „Er wird der nächste Präsident und ungeachtet der Erfahrung oder Annahmen, die er ins Amt mitbringt, weckt einen dieses Amt auf.“ Es sei zu hoffen, dass er einige seiner Gaben, mit denen ihm der größte politische Umsturz der Geschichte gelungen sei, in den Dienst des amerikanischen Volkes stelle.

Trumps wirtschaftspolitische Pläne

Zudem räumte Obama ein, dass er Trump Rat angeboten habe. So habe er ihm nahegelegt, nun vom Wahlkampf in den Regierungsmodus zu schalten. Dazu gehöre auch die Notwendigkeit, die Tonlage nach der erbitterten Wahl anzupassen. „Ich denke nicht, dass er ideologisch ist“, sagte Obama über Trump. „Und das kann ihm nützlich sein, solange er gute Leute um sich hat und einen klaren Richtungssinn.“

Obama kündigte zudem an, sich bei Trump für ein Bleiberecht für junge Migranten einzusetzen, die schon im Kindesalter in die USA kamen. Er werde Trump drängen, „sehr lange und gründlich nachzudenken“, ehe er sein Dekret zur Aussetzung der Abschiebung dieser Menschen rückgängig mache, sagte der scheidende Präsident.

Darum hat Trump gewonnen

Einer Frage über Trumps umstrittene Entscheidung, den von rechten Kreisen gefeierten Medienmogul Stephen Bannon zu seinem Chefstrategen zu machen, wich Obama indes aus. „Es ist wichtig, dass wir ihn seine Entscheidungen treffen lassen.“ Gleichwohl sei es auch notwendig, „einige Signale der Eintracht“ zu senden.

Diese Aussagen wird Obama am Dienstag in Berlin wohl wiederholen müssen – vor den wichtigsten europäischen Staatsleuten. Sein zweiter Besuch in der deutschen Hauptstadt war eigentlich als Höflichkeitsgeste gedacht, gegenüber Angela Merkel, mit der Obama acht Jahre lang eng zusammenarbeitete. Nach der Wahl Donald Trumps zu seinem Nachfolger ist alles anders. Die spektakuläre Entscheidung des amerikanischen Volkes überschattet den Besuch.

Zusammen mit Kanzlerin Merkel und am Freitag auch mit den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien, wird Obama nach Möglichkeiten suchen, das Erreichte nicht gänzlich zu opfern. Die wichtigsten Politikfelder:

  • Atompolitik: Die internationale Gemeinschaft kämpfte jahrelang darum, den Iran in ein bindendes Atomabkommen zu integrieren. 2015 war es endlich soweit, der Westen jubelte, Israel nicht. Donald Trump hatte angekündigt, das Abkommen, das dem Iran die zivile Nutzung der Atomkraft unter strengen Kontrollen des Westens sichert, rückgängig machen zu wollen. China, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben ebenfalls unterschrieben. Ein Alleingang Trumps könnte alles zunichte machen.
  • Klimaschutz: Die US-Republikaner sind die einzige größere politische Kraft des Westens, die einen vom Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Donald Trump ist in seiner Partei keine Ausnahme. Er hat angedroht, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, das rund 200 Länder unterzeichnet und mehr als 70 bereits ratifiziert haben und das auch bereits in Kraft gesetzt ist, ausscheren oder zumindest nachverhandeln zu wollen. Politisch ist dagegen von außen schwer vorzugehen. Trump könnte mit seiner Energiepolitik pro Kohle und Öl die vereinbarten Emissionsziele schlicht mutwillig verfehlen, ohne diplomatisch überhaupt tätig zu werden.
  • Wirtschaft und Finanzen: Die Finanzstabilität Griechenlands gehört zu den Hauptzielen von Obamas Reise. Er steht aufseiten des Internationalen Währungsfonds und vertritt die Ansicht, Griechenland brauche neben wirtschaftlichen Reformen auch Entlastung von seinen Schulden, um nachhaltig wieder auf die Beine zu kommen. Die Bundesregierung sieht das völlig anders. Das griechische Problem seien nicht die Schulden, hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble mehrfach betont. Der Dauerstreit könnte auch in Berlin auf den Tisch kommen. Insgesamt will Trump das untermauern, was international als Mainstream gilt: Die Globalisierung ist nicht optimal, sie muss fortentwickelt werden - aber sie wird sicher nicht rückgängig zu machen sein.
  • Terrorbekämpfung: Der scheidende US-Präsident will bei der Terrorismusbekämpfung noch einmal mit seinen wichtigsten Partnern Pflöcke einschlagen. Das gilt für die Abwehr von Gefahren auf eigenem Terrain wie auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Im Irak schreitet die Anti-IS-Koalition gerade in der IS-Hochburg Mossul voran. Die Terrorabwehr mit Hilfe der geheimdienstlichen Verarbeitung von Online-Daten war einer der großen Streitpunkte in Obamas Amtszeit mit Deutschland. „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, hatte Merkel 2013 erklärt. Die Positionen sind inzwischen nicht mehr so verhärtet.
  • NATO: Donald Trump hat wiederholt die Beziehungen der Vereinigten Staaten zur Nato in Frage gestellt. Tenor: Die USA sind so stark, die brauchen keine Nato. Obama versucht, dies schon vor seiner Abreise nach Europa wieder abzuräumen. Trump habe ihm versichert, dass er großes Interesse habe, die strategischen Kernbeziehungen aufrechtzuerhalten. Die führenden Staatsleute Europas werden möglicherweise noch ein paar tiefergehende Fragen an Obama zum Thema haben.
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