Fox News Erfolgreiche Hetzer

Mit Meinungsmache vom rechten Rand ist Fox News zum wichtigsten Nachrichtensender der USA aufgestiegen. Hätte ein deutscher Ableger in Zeiten von Pegida, AfD & Co. eine Chance?

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Quelle: Getty Images

Der Sonntag gehört der Kirche. Und Chris Wallace. 3,3 Millionen US-Zuschauer schalteten zuletzt regelmäßig ein, wenn der 69-jährige TV-Journalist auf Fox News die Woche Revue passieren lässt. An diesem Sonntag im September sorgt sich Wallace, gestreiftes Hemd, graues Jackett, Einstecktuck um die innere Sicherheit in den USA. Mit strengem Blick spricht er, eines der Aushängeschilder seines Senders, über die Terrorgefahr, die Wallace – aufgrund der offenen Grenzen – für hoch hält. Experten werden zugeschaltet, und Aussagen der beiden Präsidentschaftskandidaten zur Terrorbekämpfung gezeigt. Derweil laufen unten durchs Bild aktuelle Nachrichten.  

Wer Krawall und Hass-Tiraden auf US-Präsident Barack Obama erwartet hatte, wird – zumindest für den Moment – enttäuscht. Fox News, der wichtigste und gleichzeitig umstrittenste Nachrichtensender der USA, ist am Sonntagvormittag austauschbar, bieder, langweilig. „Das ist keine konservative Revolution mit Schaum vor dem Mund“, sagt Lutz Hachmeister, Leiter des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Der Sender zeige sich gerne „formell im seriösen Gewand“. Den Grund dafür liefert US-Medienjournalist Gabriel Sherman. „Die Zuschauer wollen nicht 24 Stunden am Tag Parolen hören, sie wollen das Gefühl haben, informiert zu werden.“ Doch die Informationen bei Fox sind gepaart mit Suggestivfragen und mit klarer Ausrichtung: gegen die demokratische Partei, gegen die Regierung in Washington, gegen das Establishment.

Genau dafür lieben die Zuschauer den Sender. 1996 von Medienmogul Rupert Murdoch ins Leben gerufen, hat sich Fox News im Eiltempo zu einer Größe im US-amerikanischen Fernsehen entwickelt. Seit 2002 ist der Kanal der meistgeschaute Nachrichtensender Amerikas, weit vor MSNBC oder CNN. Fox News ist das Sprachrohr der Radikal-Konservativen, das Gegengewicht zu den angeblich „linken Mainstreammedien“. Wer die konservativen Wähler, abseits der Metropolen, erreichen will, muss auf Fox News sichtbar sein.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Das gilt auch für Donald Trump. Schlechte Presse in der New York Times oder der Washington Post kann er sich erlauben, Streit mit Fox News nicht. Zu Beginn des Vorwahlkampfs sprach der Milliardär fast täglich mit dem konservativen Sender. Dann wagte er im Zuge seiner Medienschelte die Machtprobe. Vor Millionen Menschen beleidigte er Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly. Der Nachrichtensender forderte eine Entschuldigung, Trump teilte zunächst weiter aus. Er boykottierte den Sender, hielt aber nur eine Woche durch. Als seine Kandidatur für die Republikaner schließlich feststand und er in Umfragen gegenüber seiner Konkurrentin Hillary Clinton weiter abfiel, gab er schließlich komplett klein bei. Trump entschuldigte sich bei Kelly – und gab ihr ein viel beachtetes Interview.

„Die Menschen, die Fox News einschalten, sind die klassischen Trump-Wähler“, sagt Gabriel Sherman. Das Durchschnittsalter der Zuschauer beträgt 68 Jahre, 92 Prozent von ihnen sind „Weiße“. Im Vergleich zu den 320 Millionen Bürgern, die in den USA leben, mögen die rund zwei Millionen Zuschauer, die im Schnitt täglich Fox News einschalten, als wenig erscheinen. „Doch dies sind treue Wähler der republikanischen Partei, die kann und will keiner verschrecken.“ Zudem würden Nachrichten und Kampagnen, die bei dem umstrittenen Sender ausgestrahlt werden, von einem „Echo-Effekt“ profitieren. „Was dort gesagt wird, transportieren Politiker, Zuschauer und andere Medien an eine viel größere Zahl an potenziellen Wählern nach draußen“, so Sherman.

Chris Wallace verabschiedet sich in die Werbung. „Ungeeignet. Gefährlich. Selbst für Republikaner.“ Ein 30-Sekunden-Spot nimmt Donald Trump ins Visier, zitiert führende Politiker der konservativen Partei mit ihrer Kritik an dem Präsidentschaftsbewerber. Es ist der mühsame Versuch des Clinton-Lagers wenigstens einen Bruchteil der Zuschauer für die Demokraten zu gewinnen – oder sie wenigstens zu demotivieren, zur Wahl zu gehen. Keine Minute später übernimmt wieder Chris Wallace und grillt einen Clinton-Unterstützer über die E-Mail-Affäre der Kandidatin. Immer wieder unterbricht der Moderator seinen Gast, hakt nach und macht deutlich, was er von Clinton und ihren leichtfertigen Umgang mit dienstlichen E-Mails hält: wenig.  

Geld ist der größte Stressfaktor in den USA

Am 19. Oktober wird Wallace Hillary Clinton (und Donald Trump) persönlich befragen: Der Fox-News-Moderator wird die dritte TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten moderieren. Eine Ehre für den 69-Jährigen und seinen Sender, der zum ersten Mal in seiner Geschichte den Moderator stellen wird.  

Für Fox News kommt dieser Ritterschlag zur rechten Zeit. So wirtschaftlich erfolgreich – im vergangenen Geschäftsjahr machte Fox News 567 Millionen US-Dollar Gewinn – der Sender arbeitet, so sehr hat ein Skandal den Kanal durchgerüttelt. Im Juli reichte Moderatorin Gretchen Carlson eine Klage gegen Senderchef Roger Ailes ein. Der 76-Jährige, der Fox News groß gemacht hat und für seine Kenntnisse über den TV-Markt und die Macht von Kampagnen selbst von Kritikern bewundert wird, soll weibliche Kollegen sexuell genötigt haben. Beleidigungen über ihr Aussehen, eindeutige Avancen und unverhohlene Drohungen: Die Liste der Anklage von Carlson und Kolleginnen ist lang.

Trump wird offen gepriesen

„Die Vorgänge sind einmalig“, sagt Medienjournalist Gabriel Sherman, der den Skandal in einem Buch aufgearbeitet hat. „Ailes hat den Sender, die Marketing-, die Personalabteilung, für seine Zwecke benutzt“. Dass alle Führungspersonen im Sender, inklusive Besitzer Rupert Murdoch von den Vorgängen nichts gewusst haben wollen, ist für Sherman „nicht glaubhaft“. Murdoch versuchte zunächst an dem so erfolgreichen Ailes festzuhalten; doch nach wenigen Wochen musste er die Reißleine ziehen. Mit Moderatorin Carlson einigte sich der Sender für viel Geld außergerichtlich, Ailes verließ Fox News – und ist inzwischen als Berater für Donald Trump tätig.

Die Verbindung zwischen dem TV-Kanal und dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber bleiben also eng. Nicht nur Ailes mag Donald Trump, sondern auch Rupert Murdoch hat seinen Frieden mit dem Immobilienmogul geschlossen, den er zunächst offen widersprach. Und so wundert es nicht, dass an einem Mittwochabend im September Bill O’Reilly auf seinem Sendeplatz Trump offen preist. Anders als Kollege Chris Wallace versucht der 67-Jährige TV-Moderator erst gar nicht, den Anschein von Objektivität zu erwecken. O’Reilly, seit Anbeginn Unterstützer der Idee, eine Grenzmauer zu Mexiko zu bauen, echauffiert sich, dass die „Linken einen zum Rassisten abstempeln“, wenn man die illegale Einwanderung in die USA kritisiert. Bei der Präsidentschaftswahl stelle sich die Frage, ob die Wähler genug von den „anarchischen Zuständen“ in ihrem Land haben. Eine Prognose sei derzeit nicht möglich, schließlich könne man den Umfragen nicht trauen.

Ein paar Wochen später legt Bill O’Reilly bei seinem Kollegen Chris Wallace nach und schimpft über die Hauptstadtjournalisten. „Sie denken, sie wissen alles. Meinen, sie sind schlauer als Senatoren, Abgeordnete, Bürgermeister – und natürlich viel schlauer als ein Barbar wie Trump“, wettert O’Reilly. „Völlig einseitig und voreingenommen“, bilanziert der Hardliner.

Die größten Absurditäten im US-Wahlkampf
Hillary Clintons Doppelgängerin Quelle: AP
Von Hirntumor bis Zungenkrebs – Clintons Krankheiten im Überblick Quelle: dpa
Der Knopf in Clintons Ohr Quelle: AP
Hillary Clinton Quelle: AP
Donald Trump – der Antichrist Quelle: dpa
Hillary Rodham Clinton Jimmy Quelle: AP
Die Illuminati und Trump Quelle: REUTERS

Trump nimmt die Vorlage von Fox News einen Tage später beim Wahlkampfauftritt in Wilkes-Barre, Pennsylvania, dankbar auf. Medienschelte gehört längst zu seinem Standardprogramm. „Ohne die Hilfe der Medien hätte Hillary Clinton nicht einmal eine Chance, zum Hundefänger gewählt zu  werden.“ Trump echauffiert sich, dass einige Beobachter ihn bei der zweiten TV-Debatte als Sieger gesehen haben – nicht so CNN. In diesem Moment eskaliert die Wut seiner Anhänger. Die Menge dreht sich Richtung Pressebereich und skandiert „CNN sucks“, zu Deutsch: „CNN ist scheiße.“

Ablehnung des Establishments, Angst vor Einwanderung und das Gefühl, sich einer „linken Übermacht“ aus Staat und Medien gegenüberzustehen: diese Attribute kennzeichnen nicht nur die Trump-Wähler, sondern auch die Unterstützer von Pegida und der „Alternative für Deutschland“. Zur Erinnerung: Sie waren es, die den Begriff der „Lügenpresse“ in Deutschlang neue Popularität verliehen haben. Wäre es da also nicht chancenreich, einen Sender wie Fox News in Deutschland zu etablieren? Ein Gegengewicht zum „Mainstream“, der die „Dinge beim Namen nennt“?

Medienforscher Lutz Hachmeister sieht derzeit keinen neuen konservativen Akteur, „der bereit ist, ins Fernsehen zu investieren“. Zu stark sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland – insbesondere auch in der politischen Berichterstattung. „Sie beherrschen in dem Medium die politische Diskussion“, sagt Hachmeister. So hätten sich auch die Nachrichtensender N-TV und N24 nie wirklich als Gegengewicht etabliert; statt Nachrichten und Talk-Formate laufen dort zur besten Sendezeit Dokumentationen. Nachahmer sind also gewarnt. Eine Neugründung hätte es zudem schwer, weil der Fernsehjournalismus in Deutschland objektiver sei. „In den USA senden viele Bürger, aber auch Denkfabriken oder Unternehmen, eine klare politische Botschaft mit der Wahl ihres Lieblingsfernsehsenders“, sagt Hachmeister. In Deutschland aber gäbe es keinen, der aufgrund seiner politischen Gesinnung bevorzugt RTL oder ZDF einschalte.

Während sich im Internet also längst Gegenangebote zu den klassischen Medienmarken gegründet und auch bewährt haben, wird die Fernsehwelt wohl weiter ohne einen expliziten Anti-Establishment-Sender auskommen müssen. Das müsse die AfD aber nicht bedauern, sagt Hachmeister. „Ihre Spitzenpolitiker sind im öffentlichen Fernsehen auch so derzeit omnipräsent, sie bekommen mehr Rede- und Sendezeit als ihnen aufgrund ihrer Stimmanteile in den Parlamenten zustehen dürfte“. Und so profitieren sie von der Reichweite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den sie selbst bei jeder Gelegenheit ablehnen.

Zum Ende der sonntäglichen Wochenschau von Chris Wallace wird es christlich. Der Fox-News-Moderator spricht mit Football-Spieler Kirk Cousins über sein soziales Engagement. Der Spielmacher der Washington Redskins unterstützt die International Justice Mission (IJM), eine gemeinnützige, christliche Organisation, die sich den Opfern schwerster Menschenrechtsverletzungen annimmt. Den Weg zu der Hilfsorganisation habe ihn Gott gewiesen, berichtet Cousins. Den Gründer der IJM traf der Footballspieler nämlich ausgerechnet in der Kirche. Eine perfekte Geschichte für die Zuschauer von Fox News an ihrem heiligen Sonntag.

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