Freytags-Frage

Wie können wir den Trumpismus überstehen?

Nach der US-Wahl müssen wir uns fragen: Wie können wir unsere liberale Weltordnung verteidigen und zugleich den Strukturwandel angehen, der Donald Trump groß gemacht hat? Die Antworten liegen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

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Kann die offene Gesellschaft den Trumpismus überstehen? Quelle: AP

Mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten haben sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Nimmt der Präsident Trump die durchaus erratischen und unsachlichen Ankündigungen des Kandidaten Trump ernst, droht uns unter anderem Protektionismus in seiner primitivsten Form. Von der Strafe für bilaterale deutsche Handelsbilanzüberschüsse über Strafzölle für China bis hin zur Kündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens erscheint vieles möglich.

Das könnte dann das Signal für andere Länder sein, ebenfalls eine protektionistische Haltung einzunehmen. Das Horrorszenario wäre folgendes: Nicht nur die trans-pazifische Partnerschaft (TPP) und das transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), sondern auch weitere geplante regionale Freihandelsabkommen wie zwischen der EU und Australien platzen dann, die Welthandelsorganisation (WTO) wird bedeutungslos, Handelskriege sorgen für Ärger und Unverständnis, die Weltwirtschaft gerät in eine tiefe Rezessionen, die Arbeitslosigkeit weltweit steigt, und der Hass auf Ausländer steigt als Ergebnis. Diplomatische Beziehungen sind auf dem Tiefpunkt. Die offene Gesellschaft, die Frieden und Wohlstand erst ermöglicht, droht durch nationalistische Verwerfungen unterzugehen

Dieses Szenario ist von der empirisch unzweifelhaften Erkenntnis geprägt, dass eine Welt der Autarkie derjenigen der offenen Märkten unterlegen ist; sowohl mit Blick auf den Wohlstand als auch bezogen auf den Frieden. Dies ist seit den Zeiten eines Cordell Hull, des amerikanischen Außenministers und Friedens-Nobelpreisträger, dem wir die Gründung der Vereinten Nationen und die Integration Deutschlands in die Völkergemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken haben, eine millionenfach bestätigte Erkenntnis.

"Gebt ihm eine Chance"
Siemens-Chef Joe Kaeser über Trump Quelle: AP
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz Quelle: REUTERS
Olaf Berlien, Vorstandsvorsitzender von Osram Quelle: dpa
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender von Bayer Quelle: dpa
Peter Terium, Vorstandsvorsitzender von Innogy"Ich bin ein großer Freund von Wettbewerb und fairem Wettkampf – aber diesen US-Wahlkampf empfand ich persönlich als sehr hart und stellenweise auch als unerträglich. Jetzt herrscht Klarheit. Wir Europäer brauchen ein starkes Amerika an unserer Seite, denn die globalen Probleme lösen wir nicht allein", sagt Terium über den Wahlkampf. Doch er hofft weiter auf eine Energiewende in den USA: "Was die Energiewelt betrifft, glaube ich nicht, dass der Ausgang der US-Wahl große Auswirkungen etwa auf die Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien hat. Das UN-Abkommen von Paris verpflichtet ja jede US-Regierung zum Klimaschutz. Und eine Revolution geht nie vom König aus. Die zahlreichen Initiativen für erneuerbare Energien oder auch Elektromobilität, die es in den USA auf regionaler und lokaler Ebene gibt, lassen sich nicht einfach so von Washington aus stoppen. Und im Silicon Valley ist es der Business Community ohnehin weitgehend egal, wer an der Ostküste im Weißen Haus regiert." Quelle: dpa
Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Quelle: dpa
Dieter Zetsche, Vorstandschef Daimler Quelle: REUTERS

Viele Beobachter, die sich nicht als Anhänger Trumps verstehen, sehen dies allerdings nicht und sympathisieren mit seinen handelspolitischen Vorschlägen. Sie begreifen die Globalisierung als eines der wesentlichen Probleme der Gegenwart und die Ursache für die zunehmende Ungleichheit und Spaltung der Gesellschaft. Die ersten Kommentare zur Wahl Trumps deuten darauf hin, dass seine Position besonders im Feuilleton mehrheitsfähig wird. Das wäre eine bittere Ironie der Geschichte.

Und es wäre ein logischer Fehlschluss. Denn die Globalisierung - in altmodischer Formulierung die Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung - ist ein wesentlicher Faktor für die Steigerung des Wohlstandes in allen beteiligten Ländern. Allerdings - und hier haben die Kritiker Recht - bewirkt internationaler Wettbewerb bei gleichzeitiger Technisierung nicht nur Vorteile für die Konsumenten und neue Arbeitsplätze in der Exportindustrie, sondern eben auch den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze in den mit Importen konkurrierenden Unternehmen. Die Politik wie auch ihre Berater haben diese Verluste mit Sicherheit in ihren Wirkungen auf die Betroffenen unterschätzt, genau wie sie die Chancen der Betroffenen, schnell einen neuen Arbeitsplatz zu finden, deutlich überschätzt haben bzw. sich wie in den USA gar nicht erst um die Betroffenen gekümmert haben.

Herkulesaufgaben

Daraus den Schluss zu ziehen, die Globalisierung müsse zurückgedreht werden, wäre allerdings fatal. Das dazugehörige Gleichungssystem lautet nicht: "Globalisierung = Verarmung weiterer Schichten" und "De-Globalisierung = Rückkehr von deren Jobs". Vielmehr zerstört die De-Globalisierung weitere Jobs, weil sie die Arbeitsteilung behindert, ohne über bessere Exportmöglichkeiten neue Jobs zu erzeugen. Mit konsequenter De-Globalisierung wird es zu dem oben skizzierten Szenario kommen.

Vatikan betet für Erleuchtung Trumps
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon „Nach einem hart umkämpften und oft spaltenden Wahlkampf lohnt es, daran zu erinnern und sich neu bewusst zu machen, dass die Einigkeit in Vielfalt in den Vereinigten Staaten eine der größten Stärken des Landes ist“, sagte Ban laut Mitteilung am Mittwoch in New York. „Ich rufe alle Amerikaner dazu auf, diesem Geist treu zu bleiben.“ Die Vereinten Nationen erwarteten von den USA, dass sie sich auch weiterhin an internationale Kooperationen halten und unter anderem den Kampf gegen den Klimawandel und die Stärkung der Menschenrechte vorantreiben. Ban bedankte sich auch bei der unterlegenen Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton. „Sie ist ein mächtiges Symbol für Gleichberechtigung von Frauen und ich habe keinen Zweifel, dass sie weiterhin zu unserer Arbeit weltweit beitragen wird.“ Quelle: REUTERS
Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto„Mexiko und die USA sind Freunde, Partner und Verbündete, die weiterhin zusammenarbeiten sollten für die Wettbewerbsfähigkeit und die Entwicklung von Nordamerika“, schrieb Nieto am Mittwoch auf Twitter. „Ich vertraue darauf, dass Mexiko und die USA ihre Beziehungen in Kooperation und gegenseitigem Respekt weiter ausbauen.“ Quelle: REUTERS
Kanadas Premierminister Justin Trudeau Quelle: REUTERS
Chinas Präsident Xi Jinping Quelle: AP
Russlands Präsident Vladimir Putin Quelle: REUTERS
Bundespräsident Joachim Gauck Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU Quelle: REUTERS

Es besteht somit objektiv nicht die Wahl zwischen Globalisierung und Autarkie; zwischen denen da draußen und uns hier drinnen. Zu stark sind wir (und die Amerikaner, Mr President) mit der Welt verflochten, zu eng die Beziehungen. Dies ist ja auch durchaus positiv, denn offene Märkte bedeuten Freiheit und mehr Alternativen. Diese Freiheit sollten wir verteidigen.

Es muss also darum gehen, die liberale Weltordnung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den damit verbundenen Strukturwandel angemessen zu begleiten. Die Verteidiger der liberalen Ordnung sehen sich einer Herkulesaufgabe gegenüber. Die Beweislast liegt bei Ihnen. Eine echte Herausforderung, aber eine, die zu meistern sich lohnt. Zunächst gilt es, sämtliche Faktoren zu identifizieren, die zu Jobverlusten bzw. zu steigender Ungleichheit führen. Da gibt es einige Kandidaten:

- Natürlich führt gestiegener Wettbewerb durch Marktöffnung dazu, dass Unternehmen aufgeben und Arbeitsplätze obsolet werden. Das gilt aber auch bei Autarkie. Strukturwandel ist nicht zu verhindern.

- Zu restriktive Arbeitsschutzgesetze tragen bisweilen dazu bei, dass die arbeitslosen Menschen zu lange arbeitslos bleiben. Dies betrifft aber nur Wenige.

- Lange unterschätzten die Ökonomen die desaströsen Wirkungen einer Selbstbedienungsmentalität im Management von Unternehmen und Banken auf die Akzeptanz der Marktwirtschaft und des internationalen Handels. Dabei geht es nicht nur um die Höhe von Gehältern und Boni, sondern auch um das Verhalten einer urbanen Elite, die den Eindruck vermittelt, ihr ginge es nur um ihren Spaß, aber nicht um das Unternehmen und die Mitarbeiter. Wenn dann noch die Politik die Manger vor allem der Banken umschwärmt, trägt dies zur Verdrossenheit der Menschen mit den Eliten bei.

- Das kann man am besten damit zusammenfassen, dass der Eindruck von Menschen, Globalisierungsverlierer zu sein und aus der Mittelschicht abzurutschen, sich verfestigt, selbst wenn er objektiv in den wenigsten Fällen trägt.

Keine wirtschaftshistorische Träumerei

- Nicht zu vergessen ist die Wirtschaftspolitik; sie trägt einen Großteil der Schuld.

  • Auch die Bundesregierung nutzt jede Gelegenheit, externe Akteure, zum Beispiel chinesische Unternehmen für Absatzprobleme heimischer Unternehmen verantwortlich zu machen. Irgendwelche Strafzölle werden die deutschen Stahlunternehmen dauerhaft nicht wettbewerbsfähiger bei Massenstahl machen. Das ist wie das Geschimpfe nur Populismus. Die wirtschaftlichen Wirkungen sind eher negativ.
  • Gleiches gilt für diejenigen selbsternannten Handelsexperten in der Politik, zum Beispiel im EU-Parlament, die wortgewaltig auf TTIP oder das europäische-kanadische Abkommen (CETA) schimpfen. Sie heizen die Stimmung gegen Marktwirtschaft und Außenhandel an und können selbst dann kaum zurück zu einer rationalen Kritik finden, wenn sie mit ihrer Kritik auf eine positive Resonanz bei der Kommission oder bei den Mitgliedsländern stoßen, wie in beiden Fällen geschehen.
  • Zudem ist es anreizinkompatible Steuerpolitik (zu hohe Grenzsteuern, zu geringe Bemessungsgrundlage; zu hohe Unternehmenssteuern), die Investitionen verhindert und für Kapitalexport sorgt.
  • Gleichzeitig wird öffentliches Geld verschwendet (siehe Flughafen Berlin als ein kleines Beispiel), das dann für andere Zwecke, vor allem für öffentliche Investitionen fehlt.
  • Auch sorgen die unklaren Zuständigkeiten in Europa und die als Mantra vorgetragenen Adressen zur Bedeutung der Europäischen Integration für eine große Verdrossenheit – die Diskussion um die und die fehlende Lösung der Flüchtlingskrise sowie der Eurokrise sorgen für Verdruss.
Wie Donald Trump durch die Wirtschaft fegt
  • Einen wirklichen Beitrag zum Abbau der Mittelschicht bei gleichzeitiger großzügiger Unterstützung des reichsten Perzentils in Europa leistet die EZB. Mit ihrer keineswegs problemadäquaten Niedrigzinspolitik und Geldmengenexpansion enteignet sie Sparer, zerstört sie erfolgreiche Banken und pampert sie Investmentbanken. Das hilft zwar nicht Donald Trump, aber trägt dazu bei, dass viele Menschen das Vertrauen in Demokratie und Marktwirtschaft verlieren.

Vor diesem Hintergrund ist die Agenda der Liberalen klar – gemeint sind Menschen mit liberaler Einstellung, keine Parteien. Die Argumente für eine offene Gesellschaft müssen evidenzbasiert, aber mit dem Verständnis für ihre Kosten, also mit Empathie vorgetragen werden. Verlierer des Freihandels müssen auf jeden Fall bessere Unterstützung erfahren. Sozial- und Bildungspolitik sind in diesem Zusammenhang keine teuren Hindernisse für den Wohlstand, sondern Teile eines für die offene Gesellschaft konstitutiven Vertrages.

Aber auch die Kritiker der Globalisierung sind gefordert. Ihre Argumente müssen wieder sachlicher werden. Denn über Details des Außenhandels (z.B. Ausnahmen der Marktöffnung) kann und muss man streiten. Die Form entscheidet hier. Kritisiert man sachlich, können die Menschen der Diskussion etwas abgewinnen. Gehen die Kritiker mit Gebrüll vor, sind die Menschen verunsichert. Gewinner sind nur die radikalen Postfaktiker wie Trump oder die AfD, aber auf keinen Fall die vom Strukturwandel negativ Betroffenen.
Wenn der Wahlausgang in den USA eine klare Botschaft hatte, dann doch diese: Die offene Gesellschaft kann nur prosperieren, wenn „Wohlstand für alle“ keine wirtschaftshistorische Träumerei ist.

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