Görlachs Gedanken

Trump kommt, das chinesische Jahrhundert beginnt

Der künftige US-Präsident hält nicht viel von Freihandelsabkommen mit Südostasien oder Europa. Selbst die Chinesen hoffen nun, dass Donald Trump nicht ernst macht. Falls doch dürfte Peking aber am meisten profitieren.

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Donald Trump hat klar durchblicken lassen, dass er von einem Handelsabkommen mit China nicht viel hält. Peking sollte davon am meisten profitieren. Quelle: AP

Barack Obama nannte das 21. Jahrhundert, sehr zum Missfallen der Europäer, das „Pazifische Jahrhundert“. Was der scheidende US-Präsident damit beschrieb, war die stete Ausdehnung der US-Wirtschaft in den asiatischen Raum. Angesichts der steigenden Vernetzung auf der Welt durch Globalisierung und Digitalisierung eine logische Entwicklung. Jahrelang bewegte Obamas Administration Vertragsvorlagen zwischen den USA und verschiedenen Staaten der Region hin und her. Nun, kurz vor dem Durchbruch, wird Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten gewählt und der Bauunternehmer, der Ende Januar ins Weiße Haus einziehen wird, hat klar durchblicken lassen, dass er von einem Handelsabkommen mit China nicht viel hält.

Von diesem Abkommen würden aber idealer Weise alle Beteiligten profitieren, weswegen sich der chinesische Führer Xi Jinping, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, zu einer glühenden Rede pro Freihandel hinreißen ließ. Beim „Asia-Pacific Economic“-Gipfel in Peru sagte er an die Adresse Donald Trumps gewandt, er hoffe, der neue Präsident werde seine Haltung überdenken. Trump, so die Logik Chinas, sei ein Geschäftsmann, der mit ökonomischer Vernunft agieren und seine protektionistische Agenda hinter sich lassen werde, wenn sich erst einmal der Trubel um den heißen Wahlkampf gelegt hat.

Der Deal, den die Obama-Administration ausgehandelt hat, wird für alle, die ihn unterzeichnen, erst dann gültig, wenn auch die Vereinigten Staaten von Amerika mit dabei sind. Die chinesische Führung pocht auf die Beteiligung der USA, weil sie weiß, dass dieses Land noch immer die Oberhand hat, wenn es um Handel und Wirtschaft geht.

Alexander Görlach ist Affiliate der Harvard University. Quelle: Lars Mensel / The European

Auf der anderen Seite, dem atlantischen Ende, ist die Europäische Union ebenfalls seit einiger Zeit damit beschäftigt, ein Freihandelsabkommen mit dem Giganten zu verhandeln. Hier sind es nationale Empfindungen in einzelnen Staaten oder die Öffentlichkeit, die ein solches Abkommen nicht gut finden und die die Verhandlungen sehr kritisch begleiten. Die Debatte dreht sich um Verbraucherschutz und die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit von Schiedsgerichten. Zu der sachlichen Debatte kommt nun in der Alten Welt allerdings auch, wie in den USA, eine generelle Ablehnung von Freihandel, Globalisierung und Freizügigkeit. Das Brexit-Votum weist in diese Richtung ebenso wie der Wahlausgang in den Vereinigten Staaten. Und nur vor wenigen Wochen stand unter anderem wegen dieser Bedenken und Ablehnung das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada auf der Kippe.

Der Gewinner ist China

Im Moment fremdelt also die Alte mit der Neuen Welt und die Neue mit dem Reich der Mitte. China auf der anderen Seite ist nicht zögerlich, im Ausland zu investieren, seine Anlagen zu diversifizieren oder Technologien in Richtung China zu bewegen. Auch in Deutschland sind chinesische Akteure sehr aktiv, kaufen ein und investieren. Über kurz oder lang wird China mit Ökonomien auf der ganzen Welt vernetzt und so Abhängigkeiten aufgebaut haben. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wurde evident, wie viele Devisen das Reich der Mitte in US-Dollar auf der hohen Kante hat. Das Land ist also schon seit Längerem auf einem Expansionskurs, ein einstmals kommunistisches Land, das den Mutterländern des Kapitalismus an Liebe zum Freihandel übertrifft.

Eine vorläufige Bilanz des Zeitalters der Globalisierung zeigt: In den armen Ländern hat diese eine Vielzahl von Menschen heute weniger arm gemacht und zu mehr Wohlstand geführt hat. Gleichzeitig hat sie in den reichen Ländern einige wenige Reiche noch reicher gemacht. Länder wie China, Indien und Mexiko haben vom globalisierten Zeitalter profitiert – genauso wie Millionen Kunden in den westlichen Industrienationen von niedrigeren Preisen profitiert haben. Der ungehinderte und freie Fluss von Kapital hingegen, gerne über Investitions- und Finanz-Vehikel dubioser Art, hat zu einer Massierung von Wohlstand geführt, dem eine pralle Stagnation von Lohnentwicklung und eine gewisse Entkernung im Sozialstaatshandeln der westlichen Nationen gegenübersteht.

Das ist der Graben, der China und die USA (und der Westen insgesamt) voneinander trennt. Dieser Gegensatz beschreibt, warum Freihandel im Moment verschieden gesehen und politisch bewertet wird. Im Westen führt das zu einem gewissen Stillstand im politischen Handeln, was an den Debatten um Freihandelsabkommen mit den USA und mit China deutlich wird. Der Gewinner ist China. In der Weise wie die USA sich aus dem Weltgeschehen zurückziehen und isolieren, wird das kommunistische Land über Verflechtungen verschiedenster Art in Wirtschaft und Finanz mitsprechen.

Ganz generell ist das nichts Verwerfliches. Aber: China setzt damit Standards und Maßstäbe. Wenn der Westen sich aus dem Prozess herausnimmt, dann wird China die maßgeblichen Parameter bestimmen. Das Land ist nun nicht gerade für seine arbeitnehmerfreundliche Seite bekannt, wenn es auf dem afrikanischen Kontinent seinen Hunger nach Rohstoffen zu stillen versucht. Hat der Westen hier nichts anzubieten? Nachhaltiges, umweltschützendes Handeln? Menschenwürdige Arbeitsbedingungen? Wenn sich der Westen global betrachtet auf seine eigene Scholle zurückzieht, wird das als Misserfolg unseres Modells interpretiert werden. Mit der Wahl Donald Trumps ist diese Entwicklung wahrscheinlicher geworden, eine Entwicklung, von der China maßgeblich profitieren dürfte. Und so ist nicht das pazifische Jahrhundert angebrochen, sondern das chinesische.

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