Gut, dass der Trump-Tower so schicke Rolltreppen hat. Für die vielen Berater, Kandidaten, Amtsträger und Büchsenspanner wäre im Fahrstuhl gar nicht genug Platz. Es ginge vielleicht zu weit, von Chaos im Team des nächsten US-Präsidenten zu sprechen. Aber es ist offensichtlich in ernsten Turbulenzen. Trumps Truppe liegt klar hinter dem Zeitplan, und sie bekommt kaum etwas geregelt.
Grund eins: Trump, das scheint sich immer mehr herauszustellen, hat mit seinem Sieg so nicht gerechnet. Die Vorbereitung wird als mangelhaft beschrieben, sogar ungenügend, grotesk. Manches Übergabeteam der amtierenden Regierung, bis in die letzte Büroklammer präpariert, wartet bis heute auf eine Kontaktaufnahme der Neuen. Als hätten die ein Land erobert, von dem sie keine Karten haben und keine Idee.
Grund zwei ist technisch. Dass in Chris Christie der monatelange Chef des Übergangsteams aus heiterem Himmel ins zweite Glied geschickt und durch den designierten Vizepräsidenten Mike Pence ersetzt wurde, fuhr den laufenden Motor offensichtlich bis kurz vor den Stillstand herunter. Was fehlt: Pence' Unterschrift unter einem zentralen Dokument, das unter anderem Vertraulichkeiten regelt. Das ist wohl komplizierter als es klingt.
Kein Dokument, kein Zugang. Kein Zugang, keine Übergabe. Der Amtsantritt am 20. Januar rückt unaufhaltsam näher. Diplomaten erwarten für keinen einzigen Bereich des Regierungshandelns danach ein „Weiter so“, richten sich vor allem für die Themen Iran und Klima auf komplizierte Zeiten ein, sprechen von einem Bruch, einem Schock.
Wer kommt ins Kabinett Trump?
Schon in normalen Zeiten, schreibt die „Washington Post“, sei solch eine Übergabe der Macht in den USA etwa so, als würde man gesittet aus einem Feuerwehrschlauch zu trinken versuchen. Nur dass jetzt keiner trinken kann, weil man nicht genau weiß wie.
Kunterbunt sind die Personalspekulationen dieser Tage, längst sollten die Eckpfeiler in den frisch bereiteten Boden gerammt sein, wen holt sich Donald Trump in sein Kabinett? Dafür, dass der Kandidat über Monate tönte, er wolle den „Washingtoner Sumpf“ trockenlegen, werden für die künftige Regierung gerade recht viele Frösche gehandelt.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Ex-Banker, frühere Bürgermeister, ein Parteichef, ein Ex-Sprecher des Abgeordnetenhauses, silberhaarige Senatoren: Das ist das reine Establishment. Menschen mit politischer Vergangenheit und Erfahrung.
Es gibt dafür einen guten Grund. Nach allem, was man weiß, wird der künftige „Herrscher der freien Welt“ diese Erfahrung bitter brauchen.
Trump sei doch überrascht gewesen, drang es über das „Wall Street Journal“ aus dem Weißen Haus, was für eine Spannbreite so eine Präsidentschaft umfasse. Es ist bekannt, dass Trump nicht gern liest, sich für Details nicht interessiert, wegdelegiert, was immer geht. Das sind aber alles Tätig- oder Fertigkeiten, die von der Jobbeschreibung eines US-Präsidenten nicht zu trennen sind.
Also schrieb ihm der Amtsträger ins Stammbuch, worum es geht. Barack Obama erzählte, wie lange er nachts über Akten brüte. Wie unverzichtbar das für einen guten Präsident sei – und der wolle Trump doch werden? Was auf dem Schreibtisch des Präsidenten lande, sagte Obama, sei nicht mehr zu delegieren. Die Gefahr eines Fehlschlages nach der Entscheidung? Etwa 40 Prozent, aber einer müsse eben entscheiden. Das war unangreifbar. Und doch eine Breitseite, vorgebracht in vollendeter Höflichkeit.
Was will Trump? Wo geht es hin? Was kommt? Bohrend und dringend sind die Fragen aus dem In- und Ausland. Der Gewählte lässt einstweilen nur erkennen, dass er es mit der vollständigen Abkehr von „Obamacare“ wohl nicht so gemeint habe. Dass auch keine elf Millionen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis deportiert würden. Dass ansonsten alles großartig werde, man werde schon sehen. Etwas Konkretes zum Anfassen? Bisher Fehlanzeige.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Trump hat nach seiner Wahl ein, zwei Interviews gegeben, sich aber – wie schon seit Monaten – außerhalb beherrschbarer 1:1-Situationen nicht dem Risiko einer Pressekonferenz ausgesetzt. Das ist für einen gewählten Präsidenten unüblich. Einmal gewählt, dauert es nur wenige Tage bis zu einer ersten Pressebegegnung, normalerweise. Aber was ist schon normal in diesen Tagen.
Trumps Team steht sich auch selbst im Weg. In seiner Mannschaft, so berichten es US-Medien, gibt es Hauen und Stechen um Einfluss und Posten. Im innersten Kern herrscht Trumps Familie, die sich gänzlich ironiefrei nach der Wahl auf güldenen Stühlen in dynastischer Aufstellung ablichten lässt. Drumherum zerfällt die frühere Kampagne wohl in mehrere Lager. Hochgehandelte Kandidaten gehen von Bord, wichtige Berater, wer für wen spricht, man weiß es nicht so genau. Warum, fragt das Nachrichtenportal Politico, sollte das anders sein als während des Wahlkampfs? Was man denn erwartet habe?
Die allergrößten Sorgen löste Trump aus mit der Ernennung des radikalen Provokateurs Stephen Bannon zum Chefstrategen im Weißen Haus. Viele waren entsetzt, es gab reichlich Kritik, auch aus den eigenen Reihen. Jubel gab es von Rechtsextremen und Nationalisten. Donald Trumps Reich entfaltet sich langsam, aber es entfaltet sich. US-Medien schreiben, man sei sich gar nicht so sicher, ob man wirklich wolle, dass er auf Touren kommt.