Künftiger US-Präsident Trump kommt nicht recht in Tritt

Gut eine Woche ist seit der US-Wahl vergangen. Vielerorts haben sich die Schockwellen nach Trumps Sieg noch immer nicht gelegt. Manche hoffen, dass der nächste Präsident gar nicht erst auf Touren kommt.

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Donald Trump hat seit seiner Wahl keine Pressekonferenz gegeben. Quelle: AP

Gut, dass der Trump-Tower so schicke Rolltreppen hat. Für die vielen Berater, Kandidaten, Amtsträger und Büchsenspanner wäre im Fahrstuhl gar nicht genug Platz. Es ginge vielleicht zu weit, von Chaos im Team des nächsten US-Präsidenten zu sprechen. Aber es ist offensichtlich in ernsten Turbulenzen. Trumps Truppe liegt klar hinter dem Zeitplan, und sie bekommt kaum etwas geregelt.

Grund eins: Trump, das scheint sich immer mehr herauszustellen, hat mit seinem Sieg so nicht gerechnet. Die Vorbereitung wird als mangelhaft beschrieben, sogar ungenügend, grotesk. Manches Übergabeteam der amtierenden Regierung, bis in die letzte Büroklammer präpariert, wartet bis heute auf eine Kontaktaufnahme der Neuen. Als hätten die ein Land erobert, von dem sie keine Karten haben und keine Idee.

Grund zwei ist technisch. Dass in Chris Christie der monatelange Chef des Übergangsteams aus heiterem Himmel ins zweite Glied geschickt und durch den designierten Vizepräsidenten Mike Pence ersetzt wurde, fuhr den laufenden Motor offensichtlich bis kurz vor den Stillstand herunter. Was fehlt: Pence' Unterschrift unter einem zentralen Dokument, das unter anderem Vertraulichkeiten regelt. Das ist wohl komplizierter als es klingt.

Kein Dokument, kein Zugang. Kein Zugang, keine Übergabe. Der Amtsantritt am 20. Januar rückt unaufhaltsam näher. Diplomaten erwarten für keinen einzigen Bereich des Regierungshandelns danach ein „Weiter so“, richten sich vor allem für die Themen Iran und Klima auf komplizierte Zeiten ein, sprechen von einem Bruch, einem Schock.

Wer kommt ins Kabinett Trump?

Schon in normalen Zeiten, schreibt die „Washington Post“, sei solch eine Übergabe der Macht in den USA etwa so, als würde man gesittet aus einem Feuerwehrschlauch zu trinken versuchen. Nur dass jetzt keiner trinken kann, weil man nicht genau weiß wie.

Kunterbunt sind die Personalspekulationen dieser Tage, längst sollten die Eckpfeiler in den frisch bereiteten Boden gerammt sein, wen holt sich Donald Trump in sein Kabinett? Dafür, dass der Kandidat über Monate tönte, er wolle den „Washingtoner Sumpf“ trockenlegen, werden für die künftige Regierung gerade recht viele Frösche gehandelt.

Trumps wirtschaftspolitische Pläne

Ex-Banker, frühere Bürgermeister, ein Parteichef, ein Ex-Sprecher des Abgeordnetenhauses, silberhaarige Senatoren: Das ist das reine Establishment. Menschen mit politischer Vergangenheit und Erfahrung.

Es gibt dafür einen guten Grund. Nach allem, was man weiß, wird der künftige „Herrscher der freien Welt“ diese Erfahrung bitter brauchen.

Trump sei doch überrascht gewesen, drang es über das „Wall Street Journal“ aus dem Weißen Haus, was für eine Spannbreite so eine Präsidentschaft umfasse. Es ist bekannt, dass Trump nicht gern liest, sich für Details nicht interessiert, wegdelegiert, was immer geht. Das sind aber alles Tätig- oder Fertigkeiten, die von der Jobbeschreibung eines US-Präsidenten nicht zu trennen sind.

Also schrieb ihm der Amtsträger ins Stammbuch, worum es geht. Barack Obama erzählte, wie lange er nachts über Akten brüte. Wie unverzichtbar das für einen guten Präsident sei – und der wolle Trump doch werden? Was auf dem Schreibtisch des Präsidenten lande, sagte Obama, sei nicht mehr zu delegieren. Die Gefahr eines Fehlschlages nach der Entscheidung? Etwa 40 Prozent, aber einer müsse eben entscheiden. Das war unangreifbar. Und doch eine Breitseite, vorgebracht in vollendeter Höflichkeit.

Was will Trump? Wo geht es hin? Was kommt? Bohrend und dringend sind die Fragen aus dem In- und Ausland. Der Gewählte lässt einstweilen nur erkennen, dass er es mit der vollständigen Abkehr von „Obamacare“ wohl nicht so gemeint habe. Dass auch keine elf Millionen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis deportiert würden. Dass ansonsten alles großartig werde, man werde schon sehen. Etwas Konkretes zum Anfassen? Bisher Fehlanzeige.

Darum hat Trump gewonnen

Trump hat nach seiner Wahl ein, zwei Interviews gegeben, sich aber – wie schon seit Monaten – außerhalb beherrschbarer 1:1-Situationen nicht dem Risiko einer Pressekonferenz ausgesetzt. Das ist für einen gewählten Präsidenten unüblich. Einmal gewählt, dauert es nur wenige Tage bis zu einer ersten Pressebegegnung, normalerweise. Aber was ist schon normal in diesen Tagen.

Trumps Team steht sich auch selbst im Weg. In seiner Mannschaft, so berichten es US-Medien, gibt es Hauen und Stechen um Einfluss und Posten. Im innersten Kern herrscht Trumps Familie, die sich gänzlich ironiefrei nach der Wahl auf güldenen Stühlen in dynastischer Aufstellung ablichten lässt. Drumherum zerfällt die frühere Kampagne wohl in mehrere Lager. Hochgehandelte Kandidaten gehen von Bord, wichtige Berater, wer für wen spricht, man weiß es nicht so genau. Warum, fragt das Nachrichtenportal Politico, sollte das anders sein als während des Wahlkampfs? Was man denn erwartet habe?

Die allergrößten Sorgen löste Trump aus mit der Ernennung des radikalen Provokateurs Stephen Bannon zum Chefstrategen im Weißen Haus. Viele waren entsetzt, es gab reichlich Kritik, auch aus den eigenen Reihen. Jubel gab es von Rechtsextremen und Nationalisten. Donald Trumps Reich entfaltet sich langsam, aber es entfaltet sich. US-Medien schreiben, man sei sich gar nicht so sicher, ob man wirklich wolle, dass er auf Touren kommt.

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